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BGH - Entscheidung vom 20.04.2010

KZR 53/07

Normen:
TKG 2004 § 47 Abs. 4
EG-RL 10/98 Art. 6 Abs. 2, 3
TKG 2004 § 47 Abs. 4
RL 10/98/EG Art. 6 Abs. 2
RL 10/98/EG Art. 6 Abs. 3

Fundstellen:
CR 2010, 444
K&R 2010, 515
ZUM 2010, 881

BGH, Urteil vom 20.04.2010 - Aktenzeichen KZR 53/07

DRsp Nr. 2010/9545

Erheben eines Entgelts nur bis zur Höhe der (Grenz-)Kosten der Datenübermittlung aufgrund der Auslegung des § 47 Abs. 4 Telekommunikationsgesetz i.d.F. von 2004 ( TKG 2004)

§ 47 Abs. 4 TKG 2004 ist - ebenso wie § 12 TKG 1996 - so auszulegen, dass ein Telefondienstbetreiber für die Überlassung von Basisdaten - Name, Anschrift, Telefonnummer - seiner eigenen Kunden an Unternehmen, die einen Auskunftsdienst aufnehmen oder ein Teilnehmerverzeichnis herausgeben wollen, ein Entgelt nur bis zur Höhe der (Grenz-)Kosten der Datenübermittlung erheben darf. Für die Überlassung der sonstigen Teilnehmerdaten gilt diese Beschränkung nicht.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. Juli 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Oktober 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

TKG 2004 § 47 Abs. 4 ; RL 10/98/EG Art. 6 Abs. 2; RL 10/98/EG Art. 6 Abs. 3;

Tatbestand

Die beklagte D. T. AG (DTAG) ist der in Deutschland führende Anbieter von öffentlich zugänglichen Telefondiensten. Die klagende k. betreibt einen Telefon-Auskunftsdienst und gibt Teilnehmerverzeichnisse heraus. Die dafür erforderlichen Teilnehmerdaten bezieht sie von DTAG. Grundlage dafür war zunächst ein Vertrag vom 15. April 1999 zwischen DTAG und der Rechtsvorgängerin von k. , der Kl. AG. Am 12./20. April 2004 schlossen die Parteien einen neuen Vertrag. Nach beiden 1 Verträgen hat k. ein Entgelt zu entrichten, dessen Höhe sich einerseits nach dem Umfang der Nutzung, andererseits nach den Kosten einer von DTAG betriebenen Datenbank "DaRed" (Datenredaktion) und der Pflege der darin gespeicherten Daten sowie den Kosten der Übermittlung richtet.

DTAG speichert die Daten ihrer Kunden einschließlich vertrags- und abrechnungstechnischer Informationen in einer Datenbank "Andi" (Anmeldedienst). Von dort werden diejenigen Daten, die in Auskunftsdienste oder Teilnehmerverzeichnisse aufgenommen werden sollen, in die Datenbank DaRed übertragen und entsprechend aufbereitet. In diese Datenbank werden auch Teilnehmerdaten übernommen, die DTAG von Wettbewerbern zum Zwecke der Bereitstellung eines Telefonauskunftsdienstes und von Teilnehmerverzeichnissen überlassen werden (sog. Carrierdaten).

Für die überlassenen Daten zahlte k. in den Jahren 1999 bis 2005 - mit Einschränkungen - die von DTAG berechneten Entgelte. Unter Berufung auf eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. November 2004 (C-109/03, Slg. 2004, I-11273 = EuZW 2005, 17 - KPN Telecom) vertritt k. die Auffassung, nur ein Entgelt in Höhe der Kosten der Datenübermittlung geschuldet zu haben; mit den Kosten der Datenbank DaRed und denen der Aufbereitung der Teilnehmerdaten durch DTAG dürfe sie dagegen nicht belastet werden. Deshalb müsse DTAG das erhaltene Entgelt - bis auf die Kosten der Datenübermittlung - zurückzahlen.

DTAG erhob vor dem Landgericht Bonn Klage auf Zahlung restlicher Vergütung für die Datenlieferung im Abrechnungszeitraum 2002/2003. Dieses Verfahren wurde durch einen Vergleich abgeschlossen. Parallel dazu hatte k. vor dem Landgericht Köln DTAG auf Rückzahlung eines Teilbetrags des gezahlten Entgelts für 2002/2003 verklagt. Die Klage wurde im Hinblick auf den vor dem Landgericht Bonn geschlossenen Vergleich rechtskräftig abgewiesen. In dem vorliegenden Verfahren hat k. Klage auf Rückzahlung der Differenz zwischen den gezahlten Entgelten und den Kosten der Datenübermittlung für den Zeitraum von 1999 bis 2005 abzüglich des in dem Parallelverfahren vor dem Landgericht Köln eingeklagten Betrages erhoben.

Die Beklagte hat hilfsweise mit einem Anspruch auf Zahlung restlichen Entgelts für die Überlassung der Teilnehmerdaten hinsichtlich der Jahre 2004 und 2005 in Höhe von 688.316,52 EUR aufgerechnet.

Das Berufungsgericht hat DTAG zur Zahlung von insgesamt 2.909.045,46 EUR verurteilt, die Hilfsaufrechnung für unbegründet erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt DTAG ihren Antrag auf volle Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

DTAG sei gemäß § 812 BGB grundsätzlich zur Rückzahlung der Bruttoentgelte verpflichtet. Denn § 12 TKG 1996 sei ein Verbotsgesetz i.S. des § 134 BGB und DTAG habe höhere als die danach zulässigen Entgelte verlangt. Dabei komme es nicht darauf an, ob k. als Lizenznehmer Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbiete (§ 12 Abs. 1 TKG 1996) oder als Dritter anzusehen sei (§ 12 Abs. 2 TKG 1996). In jedem Fall sei DTAG nur berechtigt, ein Entgelt in Höhe der Kosten einer effizienten Bereitstellung der Daten zu verlangen. Unter "angemessenem Entgelt" in Absatz 2 der Vorschrift, die sich auf Nicht-Lizenznehmer beziehe, sei nämlich dasselbe zu verstehen wie unter "Kosten der effizienten Bereitstellung" in Absatz 1. Darunter fielen nur die Kosten des tatsächlichen Zurverfügungstellens, nicht dagegen die - von der Preisvereinbarung der Parteien ebenfalls erfassten - Kosten des Aufbaus und der Unterhaltung der Datenbank DaRed. Das ergebe sich aus einer an der Richtlinie 98/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 1998 über die Anwendung des offenen Netzzugangs (ONP) beim Sprachtelefondienst und den Universaldienst im Telekommunikationsbereich in einem wettbewerbsorientierten Umfeld (ONP II-RL) orientierten Auslegung des § 12 TKG 1996. Soweit Entgeltansprüche aus der Zeit nach Inkrafttreten des § 47 TKG vom 22. Juni 2004 (im Folgenden: TKG 2004) betroffen seien, gelte nichts anderes. Hinsichtlich des Jahres 1999 sei der Anspruch aber verjährt.

Daneben habe k. einen - insgesamt unverjährten - Anspruch auf Erstattung der gezahlten Nettovergütungen aus § 33 Satz 1 GWB in der Fassung der 6. GWB -Novelle 1998 i.V. mit § 19 Abs. 1 , 4 Nr. 1 GWB und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 12 TKG 1996.

Bezüglich des Rechnungsjahres 2002/2003 bestünden keine Ansprüche. Insoweit habe der Vergleich in dem Parallelprozess zu einem Erlöschen weitergehender Forderungen geführt.

Die von DTAG erklärte Hilfsaufrechnung sei unbegründet.

II.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

1.

Das Berufungsgericht hat § 12 TKG 1996 fehlerhaft ausgelegt und ist so zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt.

Gemäß § 12 TKG 1996 hat ein Lizenznehmer, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, anderen Unternehmen zum Zwecke der Aufnahme eines Auskunftsdienstes oder der Herausgabe eines Verzeichnisses Teilnehmerdaten in kundengerechter Form zugänglich zu machen. Ist der Empfänger der Teilnehmerdaten ebenfalls ein Lizenznehmer, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, kann der die Daten überlassende Lizenznehmer nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TKG 1996 dafür ein Entgelt erheben, das sich an den "Kosten der effizienten Bereitstellung orientiert". Werden die Daten einem Dritten i.S. des § 12 Abs. 2 TKG 1996 zugänglich gemacht, kann von diesem ein "angemessenes Entgelt" verlangt werden.

Wie der Senat in seinen Urteilen "Teilnehmerdaten I" und "Teilnehmerda- ten II" (jeweils vom 13.10.2009 - KZR 34/06 Tz. 14 ff. und KZR 41/07 Tz. 16 ff., [...]) näher ausgeführt hat, ist § 12 TKG 1996 ab dem Ende der Umsetzungsfrist der ONP II-Richtlinie am 30. Juni 1998 dahingehend auszulegen, dass sowohl von einem Anbieter von Sprachkommunikationsdienstleistungen i.S. des Absatzes 1 als auch von einem Dritten i.S. des Absatzes 2 für die Überlassung von sogenannten Basisdaten (Name, Anschrift, Rufnummer) der eigenen Kunden des Herausgabepflichtigen kein Entgelt verlangt werden darf, das die (Grenz-)Kosten der Datenübermittlung (Kostenkategorie 3 nach der Definition der Urteile vom 13.10.2009, a.a.O. Tz. 16 bzw. 19) übersteigt oder nach dem Umfang der Nutzung berechnet wird; für die sogenannten Zusatzdaten (wie Beruf, Branche, Art des Anschlusses oder Mitbenutzer) und die sogenannten Fremddaten (Carrierdaten) gilt diese Beschränkung nicht. Insoweit können im Rahmen der Kosten der effizienten Bereitstellung auch die Kosten gemäß Kostenkategorie 1 (Kosten für die Datenbank unter Berücksichtigung von Kapitalkosten, Betriebskosten und Datenbankentwicklungskosten) und Kostenkategorie 2 (Prozesskosten für die Pflege des Bestands der Standardeinträge) nutzungsabhängig umgelegt und kann von Dritten i.S. des § 12 Abs. 2 TKG 1996 ein darüber hinausgehendes angemessenes Entgelt verlangt werden. Der Senat hat dabei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.7.2006 - 6 C 2/07, NVwZ-RR 2008, 832 Tz. 19 ff.) das nationale Recht anhand der hier maßgeblichen ONP II-Richtlinie und der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. November 2004 (a.a.O. Tz. 37 ff. - KPN Telecom) gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt.

2.

Ebenso fehlerhaft ist die Auslegung des § 47 Abs. 4 TKG 2004 durch das Berufungsgericht. Diese Vorschrift ist bezüglich der Höchstgrenze des Entgelts für die Überlassung von Teilnehmerdaten ebenso auszulegen wie § 12 TKG 1996 - und damit anders, als es das Berufungsgericht getan hat.

Nach § 47 Abs. 4 TKG 2004, der seit dem 26. Juni 2004 an die Stelle des § 12 TKG 1996 getreten ist, kann für die Überlassung von Teilnehmerdaten ein Entgelt erhoben werden, das in der Regel einer nachträglichen Regulierung nach Maßgabe des § 38 Abs. 2 bis 4 TKG 2004 unterliegt. Verfügt das Unternehmen auf dem Markt für Endnutzerleistungen über eine beträchtliche Marktmacht, soll das Entgelt einer Genehmigungspflicht nach § 31 TKG 2004 unterworfen werden.

Mit dem Telekommunikationsgesetz 2004 hat der Gesetzgeber u.a. die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie - URL) in nationales Recht umgesetzt. Diese Richtlinie hat die ONP II-Richtlinie ersetzt, die gemäß Art. 26 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste - Rahmenrichtlinie - zum 25. Juli 2003 außer Kraft getreten ist.

Bei der - gemeinschaftsrechtskonformen - Auslegung des § 47 Abs. 4 TKG 2004 ist Art. 25 Abs. 2 URL zu beachten. Danach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass alle Unternehmen, die Teilnehmern Telefonnummern zuweisen, allen zumutbaren Anträgen entsprechen, die relevanten Informationen zum Zweck der Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen in einem vereinbarten Format und zu gerechten, objektiven, kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Diese Vorschrift lehnt sich, wie auch die Revision nicht in Abrede stellt, sehr stark an die Vorgängernorm des Art. 6 Abs. 3 ONP II-RL an. Deshalb kann für die Auslegung des Art. 25 Abs. 2 URL - und damit auch des § 47 Abs. 4 TKG 2004 - das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. November 2004 herangezogen werden (ebenso BVerwG NVwZ-RR 2008, 832 Tz. 18). Auf dieser Grundlage dürfen Telefondienstbetreiber für die Herausgabe von Basisdaten der eigenen Kunden auch nach § 47 Abs. 4 TKG 2004 ein Entgelt nur bis zur Höhe der - nutzungsunabhängig umgelegten - (Grenz-)Kosten der Datenübermittlung berechnen, während hinsichtlich der übrigen Teilnehmerdaten diese Begrenzung nicht gilt (ebenso BVerwG a.a.O. Tz. 16 ff.).

III.

Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit - auch mit Blick auf die Hilfsaufrechnung der Beklagten - die noch erforderlichen Feststellungen zur Höhe des zulässigen Entgelts getroffen werden können.

Dabei hat das Berufungsgericht Gelegenheit klarzustellen, ob sich der durch den Vergleich vor dem Landgericht Bonn erledigte Teil der Klageforderung auf das Jahr Kalenderjahr 2002 oder auf das "Rechnungsjahr 2002/2003" bezieht und wie das Rechnungsjahr 2002/2003 gegebenenfalls abzugrenzen ist.

Verkündet am 20. April 2010

Von Rechts wegen

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 11.07.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U (Kart) 14/05
Vorinstanz: LG Köln, vom 30.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 81 O (Kart) 48/05
Fundstellen
CR 2010, 444
K&R 2010, 515
ZUM 2010, 881