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BGH - Entscheidung vom 08.12.2009

4 ARs 17/09

Normen:
StPO § 155
StPO § 264
GVG § 132 Abs. 3

BGH, Beschluss vom 08.12.2009 - Aktenzeichen 4 ARs 17/09

DRsp Nr. 2009/28727

Verlesung einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle bei Verlesung des Anklagesatzes als dem Informationsbedürfnis dienend

Tenor

Der Senat stimmt der Rechtsansicht des anfragenden 1. Strafsenats zu.

Er gibt möglicherweise entgegenstehende eigene Rechtsprechung auf.

Normenkette:

StPO § 155 ; StPO § 264 ; GVG § 132 Abs. 3 ;

Gründe

Der 4. Strafsenat folgt der Rechtsauffassung des anfragenden Senats und hält an möglicherweise entgegenstehender eigener Rechtsprechung nicht fest.

1.

Die Umgrenzungsfunktion der Anklage sieht der Senat durch die beabsichtigte Rechtsprechung nicht gefährdet. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass zur Verdeutlichung und ergänzenden Erläuterung des Anklagesatzes auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zurückgegriffen werden kann (vgl. nur BGHSt 46, 130 , 134 m.N.). Nach Ansicht des Senats begegnet es auch keinen Bedenken, wenn die weitere Konkretisierung nicht dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen, sondern einer Anlage zur Anklage entnommen werden könnte. Denn auch dann stünde zweifelsfrei fest, innerhalb welcher tatsächlichen Grenzen sich die Hauptverhandlung und die Urteilsfindung gemäß §§ 155 , 264 StPO zu bewegen haben.

2.

Durch die Verlesung des Anklagesatzes sollen die Richter, die an der Hauptverhandlung teilnehmen und diesen noch nicht kennen, darüber informiert werden, auf welchen geschichtlichen Vorgang sich das Verfahren bezieht und auf welche Verfahrensvorgänge sie daher ihr besonderes Augenmerk zu richten haben. Die übrigen Verfahrensbeteiligten sollen Gewissheit darüber erlangen, auf welche Tat(en) sie ihr Angriffs- und Verteidigungsvorbringen einzurichten haben (vgl. BGH NJW 1982, 1057 ; BGHR StPO § 243 Abs. 3 Anklagesatz 2). Schließlich dient die Verlesung des Anklagesatzes auch der Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Verfahrensgegenstand. Der Senat teilt die Auffassung des anfragenden Senats, dass durch die unter Umständen stundenlange Verlesung einer ins Einzelne gehenden Darstellung einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle für dieses Informationsbedürfnis nichts gewonnen würde. Eine solche Verfahrensweise wäre in vielen Fällen vielmehr eher kontraproduktiv.