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BGH - Entscheidung vom 06.03.2009

V ZR 103/08

Normen:
AVBWasserV § 8 Abs. 3
BGB § 326 Abs. 1 a.F.
BGB § 440 Abs. 1 a.F.
ZPO § 551 Abs. 3
ZPO § 552

BGH, Urteil vom 06.03.2009 - Aktenzeichen V ZR 103/08

DRsp Nr. 2009/7823

Rechte des Käufers eines mit einem Leitungsrecht belasteten Grundstücks

Hat der Verkäufer sich verpflichtet, das Eigentum an dem verkauften Grundstück lastenfrei zu verschaffen und besteht noch ein bei der Veräußerung nicht bedachtes Leitungsrecht, so ist er dem Käufer gegenüber auch dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dieser das Grundstück weiterveräußert hat.

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 25. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. April 2008 wird als unzulässig verworfen, soweit sie gegen die Abweisung der Widerklage gerichtet ist, und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe.

Von Rechts wegen

Normenkette:

AVBWasserV § 8 Abs. 3 ; BGB § 326 Abs. 1 a.F.; BGB § 440 Abs. 1 a.F.; ZPO § 551 Abs. 3 ; ZPO § 552 ;

Tatbestand:

Der Beklagte war Eigentümer des auf Blatt des Grundbuchs von Obervellmar eingetragenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Flur, Flurstück der Gemarkung Obervellmar. 1964 gestattete er den Städtischen Werken AG, K. (im Folgenden: Stadtwerke), der Streithelferin der Klägerin, durch das Grundstück eine Druckwasserleitung zu verlegen, und verpflichtete sich, die Leitungstrasse in einer Breite von 6 m von einer Bebauung freizuhalten. Das Recht der Stadtwerke wurde durch eine Dienstbarkeit gesichert.

Mit Notarvertrag vom 6. August 1998 verkaufte der Beklagte das 5.777 m² große Grundstück als frei von Lasten Dritter für 231.080 DM (40 DM/m²) der Klägerin. Die Belastung des Grundstücks hatte der Beklagte vergessen; bei der Beurkundung wurde sie übersehen. Die Klägerin bezahlte den vereinbarten Kaufpreis. Auf diesen sollten 20 DM/m² nachzubezahlen sein, sofern innerhalb von sechs Jahren nach Abschluss des Vertrages ein Bebauungsplan in Kraft träte, der die Bebauung des Grundstücks ermögliche.

Am 1. Dezember 1998 wurde das Grundstück auf das Blatt des Grundbuchs umgebucht. Aufgrund eines Versehens des Grundbuchamts unterblieb dabei die Übertragung der Belastung. Die Klägerin wurde als Eigentümerin eingetragen. Sie ließ das Grundstück entsprechend dessen beabsichtigter Bebauung und Teilung neu vermessen. Aus der Vermessung entstanden die von der Wasserleitung betroffenen Flurstücke und und die von der Leitung nicht betroffenen Flurstücke bis und .

Mit Vertrag vom 15. Mai 2000 veräußerte die Klägerin die Flurstücke wiederum als lastenfrei an die B. -Bau GmbH & Co. Betriebs-KG (im Folgenden: KG). Ein Bebauungsplan wurde nicht beschlossen. Trotzdem wurde die Bebauung des Flurstücks mit einem Mehrfamilienhaus genehmigt. Im September 2002 begann die KG mit den Bauarbeiten. Bei den Ausschachtungsarbeiten entdeckte sie die Leitung. Die KG führte die Bauarbeiten wie geplant aus. Das auf dem Flurstück errichtete Gebäude ragt jedoch zu einem Teil in den Grundstücksstreifen hinein, der nach der Dienstbarkeit von einer Bebauung freizuhalten ist.

Im Oktober 2002 setzte die Klägerin dem Beklagten Nachfrist gemäß § 326 BGB a.F. zur Beseitigung der Dienstbarkeit. Die Fristsetzung blieb ohne Erfolg. Die Stadtwerke erwirkten am 18. Juli 2003 die Eintragung eines Widerspruchs gegen die fehlende Verlautbarung der Dienstbarkeit im Grundbuch. Im Hinblick auf die Wasserleitung erklärte die KG, von dem Vertrag mit der Klägerin vom 15. Mai 2000 zurückzutreten, soweit dieser das Flurstück zum Gegenstand hat. Am 31. Dezember 2002 wurde die KG als Eigentümerin eingetragen.

Die Klägerin meint, die Belastung des Grundstücks sei durch die Eintragung der KG als Eigentümerin in das Grundbuch nicht erloschen. Sie behauptet, aus Sicherheitsgründen dürfe die Wasserleitung nicht in dem Flurstück verbleiben, das Flurstück sei aufgrund des Verlaufs der Leitung nicht bebaubar. Die Stadtwerke seien bereit, die Leitung gegen Erstattung des hiermit verbundenen Aufwands von etwa 253.000 EUR aus dem Grundstück in den öffentlichen Straßenkörper zu verlegen und auf die Dienstbarkeit zu verzichten.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten wegen der Belastung des Grundstücks, soweit hiervon das Flurstück betroffen ist, zur Zahlung von 61.487,08 EUR als Schadensersatz zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung des Flurstücks zu verurteilen und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden seien oder künftig entstünden, dass der Beklagte ihr das Eigentum an dem Grundstück nicht frei von dem Leitungsrecht der Stadtwerke verschafft habe. Der Beklagte hat einen Schaden der Klägerin in Abrede gestellt, gegen die Klageforderung hilfsweise mit einem aus der Bebaubarkeit von 3.405 m² des Grundstücks abgeleiteten Anspruch auf Nachzahlung auf den Kaufpreis in Höhe von 34.818,98 EUR aufgerechnet, weiter hilfsweise Widerklage auf Zahlung von 34.818,98 EUR erhoben und höchst hilfsweise Feststellung der Zahlungsverpflichtung der Klägerin in dieser Höhe beantragt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage, hilfsweise die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung des mit der Widerklage verlangten Betrags, höchst hilfsweise die Feststellung der entsprechenden Zahlungsverpflichtung der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, der Beklagte sei der Klägerin nach §§ 440 Abs. 1 , 434 , 326 BGB a.F. zum Ersatz verpflichtet. Der Erwerb des Eigentums an dem Grundstück durch die KG habe kein Verkehrsgeschäft bedeutet und die Belastung des Grundstücks daher unberührt gelassen. Den durch das vertragswidrige Verhalten des Beklagten entstandenen Schaden könne die Klägerin nicht abschließend beziffern. Es sei daher zulässig, die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten zu verlangen.

Die Klägerin könne zwar nicht den auf das Flurstück entfallenden Anteil ihrer Zahlung auf den Kaufpreis zurückverlangen; als "kleinen Schadensersatz" könne sie aber Zahlung in der verlangten Höhe verlangen, weil die Stadtwerke nur gegen Erstattung der Kosten der Verlegung der Wasserleitung zur Aufgabe der Dienstbarkeit bereit seien. Auch hierauf stütze die Klägerin den geltend gemachten Zahlungsanspruch. Diese Kosten betrügen allein für das Flurstück mindestens 135.000 EUR und damit ein Mehrfaches des verlangten Betrages.

Die teilweise Bebaubarkeit des Grundstücks habe nicht dazu geführt, dass der Beklagte Nachzahlung auf den Kaufpreis verlangen könne.

II.

1.

Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der hilfsweise und höchst hilfsweise erhobenen Widerklage wendet. Insoweit fehlt es an der vorgeschriebenen Begründung, §§ 551 Abs. 3 Nr. 2 , 552 ZPO .

2.

Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

a)

Die Klage ist zulässig. Gegen die Zulässigkeit des von der Klägerin gestellten Feststellungsantrags wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.

b)

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beklagte hat der Klägerin das Grundstück frei von Rechten Dritter verkauft. Seiner Verpflichtung zur Rechtsverschaffung hat er innerhalb der von der Klägerin hierzu gemäß § 326 Abs. 1 BGB a.F. gesetzten Frist nicht erfüllt. Gemäß §§ 326 Abs. 1 , 440 Abs. 1 BGB a.F. ist er der Klägerin daher zum Schadensersatz verpflichtet.

Ohne Erfolg macht die Revision geltend, im Hinblick auf die Weiterveräußerung des Grundstücks durch die Klägerin an die KG könne eine Schadenersatzverpflichtung des Beklagten nur insoweit bestehen, als die Klägerin der KG ersatzpflichtig sei. Dass es sich so verhalte, sei nicht festgestellt und auch nicht deshalb entbehrlich, weil die KG den Rücktritt von dem Vertrag mit der Klägerin im Hinblick auf die Parzelle erklärt habe.

aa)

Richtig ist zwar, dass der Schadenersatzanspruch des Käufers u.U. entfallen kann, wenn eine (rechts-)mangelhafte Sache weiterverkauft wird. So verhält es sich hier jedoch schon deshalb nicht, weil die Klägerin das Grundstück der KG frei von Belastungen verkauft hat und diese Verpflichtung gegenüber der KG bisher nicht erfüllt hat, da die Dienstbarkeit mit der Eintragung der KG als Eigentümerin nicht erloschen ist. Die Veräußerung des Grundstücks an die KG konnte diese Wirkung nicht haben, weil es sich bei dieser nach den von der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts nicht um ein Verkehrsgeschäft handelte, wie es § 892 Abs. 1 BGB voraussetzt (Erman/Lorenz, BGB , 12. Aufl., § 892 Rdn. 18; Palandt/Bassenge, BGB , 68. Aufl., § 892 Rdn. 7; Staudinger/Gursky, BGB [2002], § 892 Rdn. 91 ff.).

Die Rechtverschaffungsverpflichtung der Klägerin besteht hinsichtlich des Flurstücks fort. Zur Erfüllung ist die Klägerin nur in der Lage, wenn die Stadtwerke auf das Leitungsrecht verzichten. Den Verzicht machen die Stadtwerke unstreitig davon abhängig, dass ihr die für eine Verlegung der Leitung in den öffentlichen Straßenkörper entstehenden Kosten erstattet werden. Der hieraus folgende Ersatzanspruch der KG gegen die Klägerin ist von der Ersatzpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin umfasst und damit Gegenstand des Feststellungsausspruchs.

bb)

Ob die Entscheidung über die Minderung des Anspruchs der Klägerin wegen eines Mitverschuldens der KG an dem eingetretenen Schaden dem Betragsverfahrens vorbehalten werden durfte, kann dahingestellt bleiben. Weshalb die KG nach der Entdeckung der nicht durch ein aus dem Grundbuch ersichtliches Recht gesicherten Leitung im eigenen Interesse gehalten gewesen sein könnte, von der Fortführung des Bauvorhabens Abstand zu nehmen und mit dem Ziel einer Versetzung des Baus wieder in das Planungs- und Genehmigungsverfahren einzutreten, wird von dem Beklagten nicht ausgeführt.

cc)

Ob die KG den Rücktritt von ihrem Vertrag mit der Klägerin auf das Flurstück beschränken konnte, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Die Klägerin schuldete der KG die Verschaffung lastenfreien Eigentums. Diese Verpflichtung hat sie nicht erfüllt. Ob die KG im Hinblick hierauf von einem Recht Gebrauch gemacht hat, das ihr das Bürgerliche Recht gewährte, oder ob die Klägerin und die KG sich auf einen Teilrücktritt der KG von dem Vertrag vom 15. Mai 2000 geeinigt haben, schmälert den Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ersatz der Kosten nicht, von deren Erstattung die Stadtwerke die Verlegung der Leitung aus dem Flurstück abhängig machen.

dd)

Für den geltend gemachten Zahlungsanspruch ist auch ohne Bedeutung, ob das Flurstück bebaubar ist. Die Klägerin hat das Grundstück unabhängig von dessen Bebaubarkeit von dem Beklagten frei von Rechten Dritter gekauft. Seine Verpflichtung, die Lastenfreiheit des Grundstücks herbeizuführen, hat der Beklagte trotz Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung nicht erfüllt. Zur Herbeiführung des von dem Beklagten versprochenen Zustands bedarf es eines Aufwands, der die Klageforderung übersteigt.

ee)

Dem geltend gemachten Anspruch steht nicht entgegen, dass ein Anschlussnehmer nach von § 8 Abs. 3 AVBWasserV die unentgeltliche Verlegung einer Leitung verlangen kann, die ihm an deren bisheriger Stelle nicht mehr zumutbar ist. Der Verlegungsanspruch aus § 8 Abs. 3 AVBWasserV gilt für Leitungen, die ein Grundstückseigentümer als Kunde oder Anschlussnehmer nach § 8 Abs. 1 AVBWasserV zu dulden hat. So verhält es sich bei einer Wasserleitung nicht, die aufgrund der Vereinbarung einer Befugnis zur Verlegung, im vorliegenden Fall der Bestellung einer Dienstbarkeit, verlegt worden ist (vgl. Senat , Urt. v. 6. Februar 2004, V ZR 196/03, VIZ 2004, 328 , 330).

ff)

Gegen die Verneinung einer zur Aufrechnung geeigneten Gegenforderung erhebt die Revision keine Rügen. Rechtsfehler sind auch insoweit nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 , 101 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 28.04.2008 - Vorinstanzaktenzeichen 25 U 164/05
Vorinstanz: LG Kassel, vom 21.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 762/04