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BGH - Entscheidung vom 29.01.2009

3 StR 540/08

Normen:
StGB § 255
StGB § 316a

Fundstellen:
NStZ-RR 2009, 199

BGH, Urteil vom 29.01.2009 - Aktenzeichen 3 StR 540/08

DRsp Nr. 2009/4792

Maß der Kognitionspflicht des Gerichtes; Anforderungen an den Beitrag einer Tatbeteiligung als Mittäter; Indizien für den Willen zur Begehung der Tat

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 3. Juni 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Normenkette:

StGB § 255 ; StGB § 316a;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung und Freiheitsberaubung hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Dem Angeklagten ist vorgeworfen worden, gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten K. den Zeugen H. während einer Autofahrt durch Schläge in das Gesicht veranlasst zu haben, die mitgeführten Wertgegenstände herauszugeben.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte H. bei dem Angeklagten aus Drogengeschäften Schulden in Höhe von 70 EUR. Unter Hinweis hierauf teilte K. dem H. bei einem Telefonat mit, er treibe Geld für den Angeklagten ein. Am frühen Abend des 10. September 2007 veranlasste K. den H. , ihn zu dem PKW des Angeklagten zu begleiten. Der dort wartende Angeklagte fragte H. nach den ausstehenden 70 EUR und stieß ihn. Anschließend begab sich der Angeklagte auf den Fahrersitz, H. wurde von K. in das Fahrzeug geschubst und ließ sich auf dem Rücksitz nieder; K. setzte sich auf den Beifahrersitz. Sodann fuhr der Angeklagte los; die jeweilige Fahrtrichtung wurde ihm von K. vorgegeben. Während der Fahrt drehte K. sich um, versetzte dem H. drei bis fünf Faustschläge in das Gesicht und fragte ihn, ob er ihn wegen der 70 EUR "verarschen" wolle. Er verlangte nunmehr statt der 70 EUR die Zahlung von 140 EUR. H. führte jedoch kein Geld mit sich. Auf entsprechende Aufforderung des K. händigte er diesem zwei Ringe, eine Armbanduhr und Halsketten aus. Wegen des ausstehenden Betrages bat H. um einen Zahlungsaufschub. Danach wurde er abgesetzt. Wenige Tage nach der Tat wurde von dem Mobiltelefon des Angeklagten eine SMS an H. gesendet, in der es unter anderem hieß: "Du machst mich sauer".

Der Angeklagte hat die Tat bestritten und sich dahin eingelassen, er habe mit den Übergriffen des K. nichts zu tun.

Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte sich strafbar gemacht hat; dieser sei nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" freizusprechen. Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht möglich, dem Angeklagten als Mittäter die Tatbeiträge des K. zuzurechnen. Die Strafkammer habe durchgreifende Zweifel daran, dass der Angeklagte und K. auf der Grundlage eines gemeinsam vor oder während der Tat gefassten Tatplans zusammengewirkt hätten, auch wenn gewisse Indizien für eine Beteiligung des Angeklagten sprächen. Ebenso wenig sei es hinreichend sicher, dass dieser sich nach Beginn der Übergriffe durch K. dessen Tat im Sinne einer sukzessiven Mittäterschaft angeschlossen habe. Die Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zu einer Haupttat des K. scheide ebenfalls aus, da der Nachweis eines vorsätzlichen Hilfeleistens nicht geführt werden könne; der Angeklagte habe lediglich seinen BMW gelenkt, ohne in das eigentliche Tatgeschehen einzugreifen. Auch der Zeuge H. habe den Angeklagten, bei dem er etwa ein Jahr lang Drogen gekauft habe und mit dem er immer habe reden können, aufgrund des Tatverlaufs nicht als Tatbeteiligten eingeordnet.

II.

Dies hält der materiellrechtlichen Überprüfung nicht stand. Zum einen ist das Landgericht seiner Kognitionspflicht nicht in dem gebotenen Maße nachgekommen. Zum anderen sind die Erwägungen unvollständig, mit denen die Strafkammer eine Mittäterschaft des Angeklagten an der von K. begangenen räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung verneint hat. Auf die weiteren vom Generalbundesanwalt erhobenen Einwendungen kommt es deshalb nicht mehr an.

1.

Nach den Feststellungen beging K. einen räuberischen Angriff auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB ); denn er verübte unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs zur Begehung einer räuberischen Erpressung (§ 255 StGB ) einen Angriff auf den Körper des H. , der Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs war. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die sich aufdrängende Prüfung unterlassen, ob der Angeklagte sich wegen der Beteiligung an diesem Delikt als Mittäter oder Gehilfe strafbar gemacht hat. Die bisherigen Feststellungen legen eine solche Beteiligung jedoch nahe. Dem Angeklagten konnte das sich in seiner unmittelbaren räumlichen Nähe abspielende Tatgeschehen nicht verborgen bleiben. Gleichwohl unterstützte er den während der Fahrt begangenen Angriff des K. gegen H. zumindest dadurch, dass er das Fahrzeug nach den Vorgaben des K. durch den Straßenverkehr steuerte.

2.

Bei der Prüfung, ob der Angeklagte als Mittäter gemeinsam mit K. eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung beging, hat das Landgericht nicht alle festgestellten Umstände des Geschehens in die nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NStZ 2009, 25 , 26; vgl. auch Fischer, StGB 56. Aufl. Vor § 25 Rdn. 4; § 25 Rdn. 12 m. w. N.) gebotene tatrichterliche Gesamtbetrachtung einbezogen. Die Strafkammer hat vielmehr maßgebliche Umstände, die für eine ausdrückliche Absprache zwischen dem Angeklagten und K. , zumindest aber für einen zwischen ihnen konkludent vereinbarten gemeinschaftlichen Tatplan indiziell sein können, unerörtert und möglicherweise unberücksichtigt gelassen:

Das Landgericht hätte vor dem Hintergrund des hohen Interesses des Angeklagten an der Tat - schließlich diente das Vorgehen des K. in erster Linie dazu, bei H. diejenigen Schulden einzutreiben, die dieser bei dem Angeklagten hatte - in den Blick nehmen müssen, dass der Angeklagte sich während der Fahrt noch nicht einmal verbal von den unmittelbar neben ihm stattfindenden Gewalttätigkeiten des K. distanzierte. Dies wäre insbesondere nach der Vorgeschichte der Tat zu erwarten gewesen, wollte er die Übergriffe nicht billigen. Die Strafkammer war daneben gehalten, auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Angeklagte das Fahrzeug bei der Fahrt nach den Anweisungen des K. lenkte; denn dieses - insoweit auch nach außen zum Ausdruck kommende - einverständliche Handeln zwischen dem Angeklagten und K. spricht in erheblichem Umfang dafür, dass ihr Wille zur Begehung der Tat im Übrigen ebenfalls übereinstimmte.

3.

Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass die Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen erfordert. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter kann vielmehr ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag ausreichen, der sich unter Umständen auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt (vgl. BGH aaO).

Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 03.06.2008
Fundstellen
NStZ-RR 2009, 199