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BSG - Entscheidung vom 31.01.2008

B 13 R 433/07 B

Normen:
SGG § 153 Abs. 4 S. 1, 2 § 62

BSG, Beschluss vom 31.01.2008 - Aktenzeichen B 13 R 433/07 B

DRsp Nr. 2008/8664

Erforderlichkeit einer Anhörungsmitteilung vor der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss

Es muss eine neue Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs. 4 S. 2 SGG ergehen, wenn das Berufungsgericht nach der Stellung formeller Beweisanträge nach einer ersten Anhörungsmitteilung auch unter Würdigung des neuen Vortrags des Berufungsführers an seiner Absicht festhalten will, über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und den Beweisanträgen nicht nachzugehen. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Normenkette:

SGG § 153 Abs. 4 S. 1, 2 § 62 ;

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

In Vorbereitung einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes ( SGG ) hörte das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) den Kläger durch Schreiben der Berichterstatterin vom 18.7.2007 wie folgt an:

"Die Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Berufung des Klägers gestützt auf die von Dr. Sp., Dr. W. und Dr. S. erstatteten Gutachten sowie den Reha-Entlassungsbericht, zumal sich der Kläger weder in fachärztlicher noch hausärztlicher Behandlung befindet, wenig aussichtsreich erscheint. ... Sollte eine Rücknahme der Berufung nicht in Betracht kommen, beabsichtigt der Senat im Beschlusswege zu entscheiden."

Hierauf bezugnehmend wies der Kläger durch Schriftsatz vom 28.8.2007 insbesondere auf Einschränkungen seiner Wegefähigkeit infolge einer arteriellen Verschlusskrankheit und einer Lungenerkrankung sowie auf eine Alkoholkrankheit, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und ein chronisches Schmerzsyndrom hin. Er legte den Bescheid des Versorgungsamts vom 3.4.2007 über die Anerkennung seiner Schwerbehinderung aufgrund vorgenannter Leiden vor und beantragte die Einholung eines orthopädischen, eines schmerztherapeutischen, eines neurologisch-psychiatrischen sowie ggf eines Zusammenhangsgutachtens zur Abklärung seiner Leistungsfähigkeit. Mit am 29.8.2007 beim LSG eingegangenem Schreiben vom 27.8.2007 schilderte die Ehefrau des Klägers die Auswirkungen der Krankheitsbilder auf dessen Tätigkeit als Heizungsmonteur aus ihrer Sicht. Dem Schreiben waren diverse ärztliche Unterlagen sowie zwei Schreiben der Bundesagentur für Arbeit aus den Jahren 2004 und 2005 beigefügt, wonach der Kläger aufgefordert worden war, einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger zu stellen.

Durch Beschluss vom 4.9.2007 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen.

Mit seiner Beschwerde rügt der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs sowie Verfahrensfehler bei der Sachaufklärung: Das LSG habe zwar das Schreiben seiner Ehefrau vom 27.8.2007, nicht jedoch seinen Schriftsatz vom 28.8.2007 beachtet, aufgrund dessen es weitere Ermittlungen hätte durchführen müssen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der gerügte Verfahrensverstoß liegt vor.

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob das LSG die am 28.8.2007 gestellten Beweisanträge des Klägers übergehen durfte. Jedenfalls hat es bei seiner Entscheidung durch Beschluss dem in § 153 Abs 4 Satz 2 SGG gesondert geregelten Anhörungsgebot nicht hinreichend Rechnung getragen. Werden nach einer (ersten) Anhörungsmitteilung formelle Beweisanträge gestellt, muss eine neue Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG ergehen, wenn das Berufungsgericht auch unter Würdigung des neuen Vortrags des Berufungsführers an seiner Absicht festhalten will, über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden und den Beweisanträgen nicht nachzugehen (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4, 8; BVerwG Buchholz 312 EntlG Nr 32 zu § 130a VwGO ; BVerwG Buchholz 312 EntlG Nr 60; BVerwG NVwZ-RR 1994, 120). Nur so erlangt ein Beteiligter hinreichende Kenntnis davon, dass das Berufungsgericht trotz seines neuen Sachvortrags an der Wahl des vereinfachten Verfahrens festhalten und nicht mündlich verhandeln will. Nur wenn er diese Kenntnis rechtzeitig vor Erlass des Beschlusses gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG erhält, wird er in die Lage versetzt, auf das Berufungsgericht einzuwirken und dieses ggf zu veranlassen, seinem Berufungsvortrag nachzugehen und zumindest eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Auf diesem Verfahrensfehler kann die Entscheidung des LSG beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht - ggf nach weiteren Ermittlungen - zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen hat der Senat die Sache im Beschlusswege nach § 160a Abs 5 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 04.09.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 2215/07
Vorinstanz: SG Mannheim, vom 04.04.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 9 R 2624/05