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BGH - Entscheidung vom 28.06.2007

3 StR 54/07

Normen:
StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1

Fundstellen:
JuS 2007, 1056
NStZ 2008, 99
StV 2007, 584

BGH, Urteil vom 28.06.2007 - Aktenzeichen 3 StR 54/07

DRsp Nr. 2007/14677

Zweckbestimmung eines Gebäudes als Wohnung von Menschen

1. Ob ein Gebäude der Wohnung von Menschen dient beurteilt sich nicht danach, ob es nach seiner objektiven Beschaffenheit für Wohnzwecke geeignet oder vom Eigentümer hierfür bestimmt ist; maßgeblich ist vielmehr allein, ob es rein tatsächlich von Bewohnern zumindest vorübergehend als Mittelpunkt ihrer (privaten) Lebensführung zu Wohnzwecken genutzt wird. 2. An einer derartigen Nutzung fehlt es etwa dann, wenn das Gebäude leer steht, der bisher einzige Bewohner getötet wurde oder alle Bewohner das Gebäude als Wohnung aufgegeben haben. 3. In letztgenanntem Fall muss der Willensentschluss zur Aufgabe der Wohnung nicht durch eine vor der Brandlegung nach außen erkennbar gewordene Handlung manifest geworden sein; vielmehr genügt es, dass der Entschluss in der Brandlegung seinen Ausdruck findet, sei es, dass alle Bewohner an dieser mitwirken oder zu ihr anstiften, sei es, dass sie mit der Inbrandsetzung des Gebäudes zumindest einverstanden sind.4. Wer das von ihm bewohnte Gebäude in Brand setzt, gibt dessen Zweckbestimmung als Wohnung auch dann auf, wenn er bei seinem Tun von der Absicht geleitet ist, das Gebäude - gegebenenfalls mit betrügerisch erlangten Mitteln der Feuerversicherung - neu zu errichten oder zu renovieren, um es danach wieder zu bewohnen.

Normenkette:

StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat die beiden Angeklagten jeweils der besonders schweren Brandstiftung und der versuchten besonders schweren Brandstiftung schuldig gesprochen. Es hat gegen den Angeklagten K. auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten und gegen die Angeklagte B. auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat erkannt; vom Vorwurf des versuchten Betruges hat es die Angeklagten freigesprochen. Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten ihre Verurteilung und rügen die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel führen zur Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung der Strafaussprüche; im Übrigen bleiben sie ohne Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnten die beiden Angeklagten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einem im Alleineigentum der Angeklagten B. stehenden Einfamilienhaus. Dort lebten auch die zwei minderjährigen Töchter der Angeklagten B. , der das Sorgerecht für die beiden Kinder gemeinsam mit ihrem früheren - geschiedenen - Ehemann zusteht. Um den beabsichtigten Umbau des Obergeschosses des Hauses zu finanzieren, beschlossen die beiden Angeklagten, dieses in Brand zu setzen und sodann die Feuerversicherung der Angeklagten B. in Anspruch zu nehmen. Die Angeklagten hatten die Vorstellung, dass durch das Feuer nicht mehr als das Obergeschoss des Hauses zerstört werden sollte und sie im Untergeschoss weiter wohnen könnten. Falls notwendig, wollten sie für die Zeit der Beseitigung der Brandschäden bei Verwandten wohnen.

Ihren Plan setzten sie am 13. April 2006 (Gründonnerstag) in die Tat um. Am Nachmittag dieses Tages hatte der frühere Ehemann der Angeklagten B. die beiden Töchter - wie schon langfristig geplant - abgeholt, damit sie, wie üblich, die Osterfeiertage bei ihm verbrächten. Weder er noch die Kinder waren in das Vorhaben der Angeklagten eingeweiht. Diese besuchten am Abend die Feier eines Motorradclubs. Von dort ließ sich der Angeklagte K. in der Nacht unter einem Vorwand zu dem Haus zurückfahren, wo er entsprechend der Abrede mit der Angeklagten B. Feuer legte, indem er im Kinderzimmer im Obergeschoss Papier und Textilien anzündete. Als auch die Gardinen Feuer gefangen hatten, ging er davon aus, dass nunmehr das Obergeschoss wie geplant ausbrennen werde. Er ließ sich daher zu der Feier zurückbringen, wo er der Angeklagten B. signalisierte, dass der Brand gelegt sei.

Entgegen der Erwartung der Angeklagten war das Feuer jedoch erloschen, ohne auf das Haus überzugreifen und weiteren Schaden anzurichten. Dies bemerkten sie, als sie später von der Feier nach Hause zurückkehrten. Der Angeklagte K. erklärte daraufhin, er werde das Obergeschoss jetzt "ordentlich" anzünden; hiermit war die Angeklagte B. einverstanden. Vorkehrungen gegen ein Übergreifen des Feuers auf das Erdgeschoss trafen die Angeklagten auch jetzt nicht; sie gingen aber weiterhin davon aus, dass sich das Feuer auf das Obergeschoss beschränken werde. Der Angeklagte K. zündete nunmehr in der Abstellkammer des Obergeschosses Kleidungsstücke an und stellte sicher, dass das Feuer nicht wieder erlosch. Dieses griff im Obergeschoss um sich, die dortigen Räumlichkeiten brannten aus.

2. Das Landgericht ist der Ansicht, die Angeklagten hätten sich danach einer versuchten und einer vollendeten besonders schweren Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 i. V. m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht. Bei dem Wohnhaus der Angeklagten B. habe es sich auch im Zeitpunkt der beiden Brandlegungen noch um ein Gebäude gehandelt, das der Wohnung von Menschen diente. Diese Eigenschaft habe es durch die Tathandlungen nicht verloren. Zwar sei eine Entwidmung dadurch möglich, dass die bisherigen Bewohner des Gebäudes durch die Brandlegung zu erkennen geben, sie wollten dieses nicht mehr zu Wohnzwecken nutzen. Dies scheide hier jedoch aus zwei Gründen aus. Zum einen sei die Absicht der Angeklagten allein auf die Zerstörung des Obergeschosses und dessen Umbau gerichtet gewesen, während das Untergeschoss unversehrt bleiben sollte; demgemäß wollten sie das Haus weiter zu Wohnzwecken nutzen und sollte auch die eventuell notwendige Unterkunft bei Verwandten während der Dauer der Renovierungsarbeiten nur vorübergehend sein. Zum anderen habe es an einer Entwidmung durch alle Bewohner des Hauses gefehlt, da die Töchter der Angeklagten B. nicht eingeweiht und einverstanden gewesen seien; die Angeklagte B. habe wegen des gemeinsamen Sorgerechts den Aufenthalt ihrer Töchter aber nicht allein bestimmen und daher für diese auch nicht allein den Wohnzweck des Hauses aufgeben können.

3. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Landgerichts. Da der Qualifikationstatbestand des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB auf § 306 a StGB aufbaut, ist er hier nur dann erfüllt, wenn es sich zum Zeitpunkt der beiden - zu Betrugszwecken vorgenommenen (vgl. BGHSt 45, 211; BGH NJW 2000, 3581 ; NStZ 2000, 197 , 198; NStZ-RR 2004, 366 ) - Brandlegungen bei dem Haus der Angeklagten B. im Sinne des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB (noch) um ein Gebäude handelte, das der Wohnung von Menschen dient. Ob dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, beurteilt sich nicht danach, ob ein Gebäude nach seiner objektiven Beschaffenheit für Wohnzwecke geeignet oder vom Eigentümer hierfür bestimmt ist; maßgeblich ist vielmehr allein, ob es rein tatsächlich von Bewohnern zumindest vorübergehend als Mittelpunkt ihrer (privaten) Lebensführung zu Wohnzwecken genutzt wird (BGHSt 16, 394 , 395; 23, 114; 26, 121, 122; BGH NStZ 1984, 455 ; Radtke in MünchKomm- StGB § 306 a Rdn. 11 m. w. N.). An einer derartigen Nutzung fehlt es etwa dann, wenn das Gebäude leer steht (vgl. BGH NStZ 1984, 455 ), der bisher einzige Bewohner getötet wurde (BGHSt 23, 114 f.) oder alle Bewohner das Gebäude als Wohnung aufgegeben haben (BGHSt 16, 394 , 396; 26, 121, 122; BGH NStZ 1988, 71 ; 1994, 130; NStZ-RR 2005, 76 ; BGHR StGB § 306 Nr. 2 aF Wohnung 3, 6). In letztgenanntem Fall muss der Willensentschluss zur Aufgabe der Wohnung nicht durch eine vor der Brandlegung nach außen erkennbar gewordene Handlung manifest geworden sein (BGHSt 16, 394 , 396); vielmehr genügt es, dass der Entschluss in der Brandlegung seinen Ausdruck findet, sei es, dass alle Bewohner an dieser mitwirken (BGHSt 16, 394 , 396; 26, 121, 122) oder zu ihr anstiften (BGH NStZ 1988, 71 ; 1994, 130), sei es, dass sie mit der Inbrandsetzung des Gebäudes zumindest einverstanden sind (BGH NStZ-RR 2004, 235 , 236; 2005, 76).

b) Nicht gefolgt werden kann jedoch der Auffassung des Landgerichts, nach diesen Maßstäben manifestiere sich in den beiden Brandlegungen nicht der Wille der Bewohner des Hauses der Angeklagten B. , dieses nicht mehr als Wohnung zu nutzen.

aa) Allerdings ging die Vorstellung der Angeklagten dahin, nach dem Brand zunächst das Erdgeschoss und nach dem Umbau des Obergeschosses das gesamte Haus weiter als Wohnung zu nutzen; nur vorübergehend wollten sie erforderlichenfalls bei Verwandten unterkommen. Dies ändert indessen nichts daran, dass sie durch die beiden Brandlegungen die Bestimmung des Hauses Wohnzwecken zu dienen, jedenfalls in dem Umfang aufgegeben haben, in dem dieses nach ihrer Vorstellung von dem Brand erfasst werden konnte.

Wer das von ihm bewohnte Gebäude in Brand setzt, gibt dessen Zweckbestimmung als Wohnung auch dann auf, wenn er bei seinem Tun von der Absicht geleitet ist, das Gebäude - gegebenenfalls mit betrügerisch erlangten Mitteln der Feuerversicherung - neu zu errichten oder zu renovieren, um es danach wieder zu bewohnen; denn maßgeblich für die Entwidmung des Gebäudes ist allein, ob der Bewohner im Tatzeitpunkt damit einverstanden ist oder es zumindest hinnimmt, dass das Gebäude durch den Brand in einer Weise beschädigt wird, die es ausschließt, die Räumlichkeiten unmittelbar nach der Tat ohne Wiederaufbau oder Renovierung weiter als Wohnung zu nutzen. Aus diesem Grunde ist der Wohnzweck des Gebäudes durch dessen Bewohner auch dann aufgegeben, wenn dieser sich vorbehält, im Falle des Fehlschlags der Tat dort weiter zu wohnen (BGH NStZ-RR 2001, 330 ; 2005, 76 ; s. demgegenüber noch BGHSt 26, 121 , 122). Nichts anderes kann gelten, wenn der Bewohner zwar beabsichtigt, nur einen Teil des von ihm bewohnten Gebäudes durch das Feuer zu zerstören, es im Hinblick auf die mangelnde Kontrollierbarkeit der Brandentwicklung aber hinnimmt, dass auch die übrigen Räumlichkeiten durch den Brand unbewohnbar werden.

Nach diesen Maßstäben gaben die Angeklagten mit den beiden Brandlegungen den Wohnzweck des gesamten Hauses auf. Zwar war es ihr Bestreben, durch den Brand lediglich das Obergeschoss des Hauses zu zerstören und im Erdgeschoss auch unmittelbar nach der Tat weiter wohnen zu bleiben. Ihnen war jedoch bewusst, dass das Feuer auch das Erdgeschoss des Hauses ergreifen konnte. Sollte es so kommen, wollten sie vorübergehend zu Verwandten ziehen. Maßnahmen, die ein Übergreifen des Brandes auf das Erdgeschoss hätten verhindern können, trafen sie nicht. Sie waren demgemäß damit einverstanden, dass gegebenenfalls auch das gesamte Haus abbrannte. Danach ist es ohne Belang, ob durch den Brand auch das Erdgeschoss erfasst wurde, was sich den Feststellungen nicht eindeutig entnehmen lässt.

bb) Durch ihre Mitwirkung an den Tathandlungen hat die Angeklagte B. auch für ihre Töchter im vorbezeichneten Sinne die Nutzung ihres Hauses als Wohnung aufgehoben (vgl. grds. BGH NStZ 1992, 541 ; 1999, 32 , 34). Maßgeblich ist bei Minderjährigen insoweit grundsätzlich der Wille des oder der Sorgeberechtigten. Stellen diese durch entsprechende Maßnahmen oder Weisungen sicher, dass ihre Kinder sich im Zeitpunkt der Brandlegung außerhalb des elterlichen Hauses befinden, so haben sie auch für diese den Wohnzweck des Gebäudes aufgegeben. Dass die Kinder von dem Tatplan nichts wissen, also - unbewusst und selbstverständlich - davon ausgehen, das Haus sei weiterhin auch ihre Wohnung, ändert hieran nichts. Denn ihr Wille, das Haus weiterhin als Wohnung zu nutzen, wird durch den entgegenstehenden Willen der Sorgeberechtigten überlagert. Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn sich die Kinder dem Willen der Sorgeberechtigten widersetzen (Radtke aaO. § 306 a Rdn. 18; Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 306 a Rdn. 5), bedarf keiner Entscheidung; denn ein solcher Fall liegt nicht vor.

Hier besteht allerdings die Besonderheit, dass die Angeklagte B. die elterliche Sorge über die beiden Kinder gemeinsam mit ihrem geschiedenen früheren Ehemann ausübte, der von ihr getrennt lebte und in das Vorhaben nicht eingeweiht war. Dessen Mitwisserschaft oder Einverständnis war indessen für die Aufgabe des Wohnzwecks des Hauses nicht erforderlich. Die Angeklagte B. war Alleineigentümerin des Gebäudes. Nach Scheidung und Trennung von ihrem Ehemann hatte sie allein darüber zu bestimmen, ob dieses den beiden Töchtern zu Wohnzwecken dienen sollte. Aus § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich nichts anderes. Zwar zählt zu den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht (Finger in MünchKomm- BGB 4. Aufl. § 1687 Rdn. 8). Dieses umfasst jedoch nicht das Recht, auch darüber mitzubestimmen, an welchem konkreten Wohnsitz, in welchem konkreten Haus das Kind mit dem Elternteil, bei dem es sich mit Einwilligung des anderen Elternteils gewöhnlich aufhält, Wohnung zu nehmen hat (Salgo in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2006 § 1687 Rdn. 39). So hätte die Angeklagte B. mit ihrem geschiedenen Ehemann auch nicht etwa darüber Einvernehmen herstellen müssen, ob sie das Haus verkauft und mit den beiden Töchtern in eine andere Wohnung am selben Ort umzieht.

c) Eine Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter und vollendeter besonders schwerer Brandstiftung scheidet daher aus. Auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haben sie sich vielmehr jeweils des versuchten und des vollendeten Versicherungsmissbrauchs (§ 265 Abs. 1 und 2 , § 22 , § 23 Abs. 1 , § 53 Abs. 1 StGB ) schuldig gemacht. Eine weitergehende Strafbarkeit des Angeklagten K. nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB kommt dagegen wegen der Einwilligung der Angeklagten B. nicht in Betracht (Tröndle/Fischer aaO. § 306 Rdn. 20 m. w. N.). Entgegen der Auffassung der Revision der Angeklagten B. handelte es sich bei den beiden Brandlegungen jedoch nicht um ein einheitliches Tatgeschehen. Vielmehr war der erste Versuch, bei dem der Angeklagte K. meinte, alles zur Inbrandsetzung des Obergeschosses Notwendige getan zu haben, infolge des frühzeitigen Erlöschens des Feuers vor Übergreifen auf wesentliche Gebäudebestandteile fehlgeschlagen. Erst als die beiden Angeklagten dies nach einer deutlichen zeitlichen Zäsur bemerkt und ihren Tatentschluss erneuert hatten, legte der Angeklagte K. erneut Feuer, was nunmehr zum Erfolg führte. Damit liegen zwei Taten im Sinne des § 53 Abs. 1 StGB vor.

Der Senat kann die Schuldsprüche selbst entsprechend ändern (§ 354 Abs. 1 StPO analog; vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 354 Rdn. 12 ff.). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf ersichtlich nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Die Änderung der Schuldsprüche führt zur Aufhebung der Strafaussprüche und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, damit dieses die Strafen neu zumisst.

Hinweise:

Anmerkung Schlothauer StV 2007, 584

Vorinstanz: LG Osnabrück, vom 19.10.2006
Fundstellen
JuS 2007, 1056
NStZ 2008, 99
StV 2007, 584