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BGH - Entscheidung vom 24.04.2007

X ZR 64/04

Normen:
PatG § 15 Abs. 2

Fundstellen:
BGHReport 2007, 883
GRUR 2007, 963

BGH, Urteil vom 24.04.2007 - Aktenzeichen X ZR 64/04

DRsp Nr. 2007/10918

Polymer-Lithium-Batterien

»a) Zur Frage einer vorvertraglichen Verpflichtung des Patentlizenznehmers, bei Abschluss des Lizenzvertrags eine Auseinandersetzung mit dem Lizenzpatent nach § 34 Abs. 7 PatG in einer nachfolgenden eigenen Patentanmeldung zu offenbaren (Abgrenzung gegen BGH, Urt. v. 28.5.1957 - I ZR 46/56, GRUR 1957, 597 - Konservendosen). b) Die Auseinandersetzung mit dem Stand der Technik in einer Patentanmeldung stellt für sich genommen einen Angriff gegen das Lizenzpatent nicht dar.«

Normenkette:

PatG § 15 Abs. 2 ;

Tatbestand:

Der Beklagte war Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin zu 4. Spätestens seit Frühjahr 2000 kam es zwischen den Parteien zu vielfältigen, zum Teil vor Gericht ausgetragenen Streitigkeiten. Dabei ging es unter anderem um Geschäftsanteile an der Klägerin zu 4, deren Gesellschafter auch die Kläger zu 2 und 3 sind, Darlehensverbindlichkeiten des Beklagten gegenüber der Klägerin zu 1, Ansprüche auf Beteiligung an Auslandsgesellschaften und um zwei seinerzeit laufende Patenterteilungsverfahren, die der Beklagte betrieb. Eines davon hatte das deutsche Patent 100 20 031 zum Gegenstand, das der Beklagte am 22. April 2000 angemeldet hatte und das ihm am 20. November 2001 erteilt wurde. Es betrifft ein Verfahren zur Herstellung wiederaufladbarer Lithium-Polymer-Batterien.

Zur Beilegung ihrer Streitigkeiten schlossen die Parteien unter dem 23. April 2001 eine Vergleichsvereinbarung, deren Nr. 5 wie folgt lautet:

"Dr. h.c. F. W. hat die Eintragung zweier Patente beim Deutschen Marken- und Patentamt beantragt (AZ 100 20 031.1, AZ 100 30 571.7). Dr. h.c. F. W. räumt G. hiermit eine unentgeltliche Lizenz an diesen Patentanmeldungen sowie aller weiterer damit zusammenhängender Entwicklungen - einschließlich aller Fortentwicklungen dieser Patente - ein. Die Lizenzerteilung ist zeitlich und räumlich unbegrenzt und erstreckt sich auch auf Länder außerhalb Deutschlands. Unterlizenzen können nur an G.-abhängige Unternehmen erteilt werden. G. ist damit einverstanden, daß Dr. h.c. F. W. die Patentanmeldungen im eigenen Namen weiterverfolgt und wird rechtlich nicht gegen die Eintragung der Patente vorgehen."

Dem Beklagten war im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung nicht bekannt, dass die Klägerin zu 4 am 12. April 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt ebenfalls ein Patent angemeldet hatte, welches die Herstellung von Systemen als Basis für wiederaufladbare Lithium-Polymer-Batterien zum Gegenstand hat. In der Patentanmeldung wird der Stand der Technik beschrieben. Zu dem vom Beklagten angemeldeten Patent wird dort ausgeführt, dass die Angaben, insbesondere zur technischen Durchführung, nicht verständlich und nachvollziehbar seien. Die Austragsdüse verlasse ein Komponentengemisch, welches als Batteriesystem nicht funktionsfähig sei, die Massen enthielten freies, nicht gebundenes Lösungsmittel, welches bei der Verarbeitung ausschwitze und beim Batteriebetrieb die Kollektorfolien-Laminierung unterwandere, zu einem erhöhten Innenwiderstand der Batterie führe, die Ablösung der Elektroden bewirke und zu einem stetigen irreversiblen Versagensmechanismus führe.

Im Rahmen des vom Beklagten betriebenen Patenterteilungsverfahrens kam es am 8. August 2001 zu einem Prüfergespräch beim Deutschen Patent- und Markenamt, bei dem dem Beklagten die vorgenannten Ausführungen in der Patentanmeldung der Klägerin zu 4 vorgehalten wurden. Der Beklagte erklärte mit Anwaltsschreiben vom selben Tage den "Widerruf" der Lizenzerteilung durch die Vereinbarung vom 23. April 2001. Deren Grundlage sei durch das Verhalten der Klägerin zu 4 entfallen. Mit Schreiben vom 13. Mai 2002 focht er die Vereinbarung vom 23. April 2001 wegen arglistiger Täuschung an und erklärte hilfsweise die Kündigung der Vereinbarung.

In der Folgezeit erklärte der Beklagte Dritten gegenüber, die Klägerin zu 4 verletze sein Patent. Es kam zu gerichtlichen Unterlassungsverfügungen gegen den Beklagten. Gegen die einstweiligen Verfügungen eingelegte Widersprüche nahm der Beklagte zurück.

Mit ihrer Klage verlangen die Klägerinnen die Feststellung, dass die Vereinbarung vom 23. April 2001 rechtswirksam fortbestehe, sowie die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der Behauptung, die Vereinbarung sei von ihm wirksam angefochten, widerrufen oder gekündigt worden oder sie ermangele sonst der Rechtswirksamkeit, sowie der Behauptung, Nr. 5 der Vereinbarung enthalte keine unmittelbare rechtlich wirkende Lizenzgewährung.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben; es hat die Klage abgewiesen, soweit es um die Lizenzeinräumung zugunsten der Klägerin zu 4 geht. Gegen dieses Urteil haben beide Seiten Berufung eingelegt. Die Berufung der Klägerinnen hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Mit der Revision beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat, dem Landgericht folgend, ein rechtliches Interesse aller Kläger, die an dem Vergleich vom 23. April 2001 beteiligt waren, an der Feststellung bejaht, dass dieser Vergleich rechtswirksam und rechtsverbindlich und durch den Beklagten nicht wirksam angefochten, widerrufen oder gekündigt worden ist.

Dies greift die Revision nicht an. Sie macht vielmehr geltend, es habe sich bei dem Vergleich vom 23. April 2001 um eine "Gesamtvereinbarung" gehandelt, mit der ein "Gesamtpaket" habe geregelt werden sollen, wobei sämtliche Einzelpunkte in wechselseitigem Zusammenhang gestanden hätten. Diese Gesamtvereinbarung sei unwirksam. Hiervon ausgehend ist die Bejahung des Feststellungsinteresses aller Kläger nicht rechtsfehlerhaft.

Das Berufungsgericht hat das Unterlassungsverlangen der Kläger für begründet gehalten, weil der Vergleich insgesamt einschließlich der unter Nr. 5 getroffenen Lizenzvereinbarung rechtswirksam und rechtsverbindlich fortbestehe und der Beklagte daher anders lautende Äußerungen Dritten gegenüber zu unterlassen habe. Die Klägerin zu 4 sei nicht gegen das Patent des Beklagten vorgegangen. Die Angaben der Klägerin zu 4 im Rahmen ihrer eigenen Patentanmeldung zu der Patentanmeldung des Beklagten seien kein Angriff oder rechtliches Vorgehen der Klägerin zu 4 gegen das Patent des Beklagten im Sinne der Vereinbarung. Die Klägerin zu 4 sei im Rahmen ihrer eigenen Patentanmeldung zu einer Auseinandersetzung mit dem ihr bekannten Stand der Technik berechtigt und gehalten gewesen. Diese Auseinandersetzung habe auch kritisch sein dürfen. Es könne der Klägerin zu 4 nicht verboten werden, das zum Ausdruck zu bringen, was dem geregelten Patenterteilungsverfahren entspreche. Ein weitergehendes Verbot könne der vertraglichen Vereinbarung in Nr. 5 nicht entnommen werden. Die dort geregelte Nichtangriffsverpflichtung schließe die Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrunds aus, sie sei aber nicht dahin zu verstehen, dass die Klägerin zu 4 alles zu unterlassen gehabt habe, was die Erteilung des Patents des Beklagten bloß behindern oder erschweren konnte. Zwar sei die Nichtangriffsabrede auch auf nicht förmliche Angriffe gegen die Erteilung des Patents gerichtet, sie sehe aber nicht vor, dass es der Klägerin zu 4 habe verwehrt sein sollen, eigene Patentanmeldungen vorzunehmen, selbst wenn sich diese auf einen ähnlichen technischen Gegenstand bezögen. Anderenfalls wäre die Klägerin zu 4 auf dem Wege eines vertraglichen Unterlassungsgebots an einer eigenen Patentanmeldung gehindert. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 1957 (I ZR 46/56, GRUR 1957, 597 - Konservendosen) stehe dem nicht entgegen, weil der Sachverhalt ein anderer sei.

Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.

In Nr. 5 der Vergleichsvereinbarung erklärte die Klägerin zu 4 ihr Einverständnis damit, dass der Beklagte seine Patentanmeldungen, an denen der Klägerin zu 4 eine unentgeltliche Lizenz eingeräumt wurde, weiterverfolgte, und verpflichtete sich, rechtlich nicht gegen die Eintragung der Patente vorzugehen.

Diese Vereinbarung ist nicht wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht unwirksam. Zwar kann eine Nichtangriffsklausel in einem Patentlizenzvertrag je nach dem rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, den Wettbewerb im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG beschränken. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn mit dem Vertrag eine kostenlose Lizenz erteilt wird und der Lizenznehmer daher nicht die mit der Gebührenzahlung verbundenen Wettbewerbsnachteile zu tragen hat (EuGH, Rs. C-65/86, Slg. 1988, 5259 = GRUR Int. 1989, 56 - Bayer AG ./. Heinz Süllhöfer; BGH, Urt. v. 21.02.1989 - KZR 18/84, GRUR 1991, 558, 560 - Kaschierte Hartschaumplatten).

Die Revision sieht in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Patent des Beklagten in der Patentanmeldung der Klägerin zu 4 einen Verstoß gegen Nr. 5 der Vergleichsvereinbarung. Sie beruft sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 1957 (I ZR 46/56, aaO.). Die dort aufgestellten Grundsätze habe das Berufungsgericht verkannt. Aus der Entscheidung ergebe sich, dass die Nichtangriffsabrede außer der förmlichen Erhebung einer Nichtigkeitsklage auch sonstige Angriffe gegen die Schutzrechte umfassen könne und die Aufstellung der auch hier in Rede stehenden Behauptung - die Lehre des Patents sei nicht ausführbar - die Nichtangriffsabrede verletzen könne. Die Verneinung der Anwendbarkeit dieser Auslegungsgrundsätze seitens des Berufungsgerichts beruhe darauf, dass das Berufungsgericht darum bemüht gewesen sei, in Nr. 5 der Vergleichsvereinbarung eine Beschränkung hineinzuinterpretieren, die darin nicht enthalten sei.

Für die Frage, ob dem Beklagten ein Anfechtungs-, Rücktritts- oder Kündigungsgrund zur Seite stand, ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 4 bei Abschluss des Vergleichs am 23. April 2001 bereits beim Deutschen Patent- und Markenamt den Antrag auf Erteilung eines Patents gestellt hatte, in dem die vom Beklagten beanstandeten Äußerungen über das vom Beklagten zum Patent angemeldete Verfahren enthalten waren. Diese bestanden insbesondere darin, dass die in der Anmeldung des Beklagten enthaltenen Angaben zur Ausführung der Erfindung nicht verständlich und nicht nachvollziehbar seien. Bis zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses war die Klägerin zu 4, was auch der Beklagte nicht in Zweifel zieht, berechtigt, eigene Patentanmeldungen auch auf dem hier in Rede stehendem Gebiet der Technik vorzunehmen. Es kommt daher nur der Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen als Grundlage für ein eventuelles Anfechtungs-, Widerrufs- oder Kündigungsrecht des Beklagten in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 09.04.1991 - XI ZR 136/90, NJW 1991, 1881 ). Diese Verletzung vorvertraglicher Pflichten könnte nur darin bestanden haben, dass die Klägerinnen es unterlassen haben, die Patentanmeldung der Klägerin zu 4 und die darin enthaltenen Ausführungen dem Beklagten zu offenbaren.

Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass eine solche Offenbarungspflicht nicht bestand. Das Verschweigen von Tatsachen bei Abschluss eines Vertrags begründet nur dann eine Haftung, wenn der andere Vertragspartner nach Treu und Glauben redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. In Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, muss nicht jeder Umstand, der für den anderen Teil nachteilig sein kann, offenbart werden (BGH, Urt. v. 20.09.1996 - V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 145). Eine Offenbarungspflicht hinsichtlich der in der Patentanmeldung der Klägerin zu 4 enthaltenen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Patentanmeldung des Beklagten bestand nicht.

Der Bundesgerichtshof hat zwar in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung ausgeführt, es könne gegen eine Nichtangriffsabrede verstoßen, wenn der Lizenznehmer in einem Rechtsstreit, in dem über Schadensersatzansprüche wegen nicht genügender Ausübung der Lizenz die Behauptung aufstelle, die Erfindung des Lizenzgebers sei unbrauchbar oder nicht ausführbar, dies könne einen sonstigen Angriff gegen das Lizenzpatent darstellen. Dies ist jedoch jedenfalls auf den vorliegenden Fall nicht zu übertragen.

Die Klägerin zu 4 hat die Ausführungen in ihrer Patentanmeldung gemacht, in der sie nach § 34 Abs. 7 PatG in Verbindung mit dem danach noch geltenden § 5 PatAnmV den Stand der Technik anzugeben hatte. Der Patentanmelder hat dazu den Stand der Technik zu beschreiben, der für das Verständnis der Erfindung und deren Schutzfähigkeit in Betracht kommen kann. Er kann vorteilhafte Wirkungen der Erfindung unter Bezugnahme auf den Stand der Technik angeben. Ausführungen dazu, dass ein bestimmtes, im Stand der Technik bekanntes Verfahren nicht und gegebenenfalls warum nicht funktionsfähig sei, sind zwar nicht erforderlich. Allerdings können weitere Ausführungen zum Stand der Technik, die sich mit diesem kritisch auseinandersetzen, für das Prüfungsverfahren von Bedeutung sein, wenn diese verdeutlichen, worin die Unterschiede zwischen dem Stand der Technik und der angemeldeten Erfindung bestehen. Die Behauptung der Unbrauchbarkeit oder Nichtausführbarkeit einer Erfindung stellt nicht generell einen Angriff dar, der unter eine Nichtangriffsabrede fällt. Wird sie im Patenterteilungsverfahren im Zusammenhang mit der Schilderung des Standes der Technik aufgestellt und dient sie der Abgrenzung von diesem, ist sie kein Angriff gegen die Lizenzpatentanmeldung, mag sie auch diesen im Erteilungsverfahren oder in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren entgegengehalten werden können. Letzteres ist nur eine Folge der zulässigen und erforderlichen Auseinandersetzung mit dem Stand der Technik, die für sich genommen einen Angriff auf die Lizenzpatentanmeldung nicht darstellt.

Ob dies allerdings seine Grenze dort findet, wo der kritischen Auseinandersetzung mit Stand der Technik eine innere Rechtfertigung fehlt, weil sie weder für das Verständnis der Erfindung und deren Schutzfähigkeit noch zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik erforderlich ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Das Berufungsgericht hat dies nicht festgestellt.

Eine weitergehende Verpflichtung zur Offenbarung ergab sich hier auch nicht aus einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien. Der Vergleich diente der Auseinandersetzung über vielfache Streitigkeiten. Es ist nicht ersichtlich, dass über die dort geregelten Pflichten hinaus weitere solche aus einem besonderen Vertrauensverhältnis begründet worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO .

Vorinstanz: OLG Thüringen, vom 28.04.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 743/03
Vorinstanz: LG Erfurt, vom 10.07.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 2734/02
Fundstellen
BGHReport 2007, 883
GRUR 2007, 963