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BGH - Entscheidung vom 28.03.2007

XII ZR 119/04

Normen:
BGB § 138

BGH, Beschluß vom 28.03.2007 - Aktenzeichen XII ZR 119/04

DRsp Nr. 2007/10254

Grenzen und Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen über Trennungs- und nachehelichen Unterhalt

Derjenige Vertragspartner eines Ehevertrages, der sich als Ausländer bereits im Inland aufhält, aber seinen Lebensplan, dort dauerhaft ansässig und erwerbstätig zu werden, nur unter der dem anderen Vertragspartner bekannten Voraussetzungen der Eheschließung verwirklichen kann, die herbeizuführen wiederum in dessen Belieben steht, befindet sich beim Abschluss eines Ehevertrages in einer deutlich schlechteren Verhandlungsposition. Denn je dringlicher dieser Wunsch ist, desto eher hat der andere Vertragspartner es in der Hand, sich die Verwirklichung dieses Wunsches durch ehevertragliche Zugeständnisse "abkaufen" zu lassen.

Normenkette:

BGB § 138 ;

Gründe:

Die Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich die Frage einer Sittenwidrigkeit des von den Parteien geschlossenen Ehevertrags erörtert. Der Senat hat dabei verdeutlicht, dass bereits gegen die Wirksamkeit dieses Vertrages - entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen und von der Revision unterstützten Rechtsauffassung - erhebliche Zweifel bestehen. Im Einzelnen:

1. Der Antragsteller rügt, das Senatsurteil vom 22. November 2006 beruhe auf der Annahme, die Antragsgegnerin sei zur Zeit der Eheschließung als Musiklehrerin nicht in der Lage gewesen, ihren Unterhaltsbedarf zu decken. Diese Annahme stehe im Widerspruch zu den vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen anders lautenden Feststellungen des Amtsgericht. Die Rüge ist nicht begründet.

Nach Auffassung des Senats befand sich die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller u.a. schon deshalb in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition, weil bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags absehbar war, dass sie, da sie der deutschen Sprache nicht mächtig war, als Klavierlehrerin in Deutschland schwerlich Erwerbsmöglichkeiten finden würde, die ihr und ihrem Kind im Trennungsfall ein vom Antragsteller wirtschaftlich unabhängiges Auskommen hätten vermitteln können. Der Senat hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch das Krankheitsbild der Antragsgegnerin, das nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt war, die Möglichkeit einer künftigen Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit zumindest nahe legte. Aus diesen Umständen hat der Senat auf nur eng begrenzte Chancen der Antragsgegnerin auf dem deutschen Arbeitsmarkt und auf eine vorhersehbar begrenzte gesundheitliche Belastbarkeit der Antragsgegnerin geschlossen.

Diese Würdigung steht zu den Tatsachenfeststellungen des Oberlandesgerichts nicht in Widerspruch. Das gilt auch insoweit, als im Tatbestand des Berufungsurteils auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen wird. Nach den Gründen des Urteils des Amtsgerichts war "bei Vertragsschluss ... nicht erkennbar, dass infolge der notariellen Vereinbarung die Antragsgegnerin in Zukunft auf staatliche Hilfe ... angewiesen sein würde. ... Zur Zeit der Eheschließung war sie auch in der Lage, ihren Unterhaltsbedarf selbst zu decken; denn sie ist Musiklehrerin und hatte Unterrichtsstunden gegeben." Bei dem ersten Teil dieser Begründung des Amtsgerichts handelt es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine Schlussfolgerung, die sich das Oberlandesgericht als solche nicht zueigen gemacht hat und die jedenfalls der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt. Bei dem zweiten Teil dieser Begründung trägt - für das Revisionsgericht nachprüfbar - die Tatsachenfeststellung die Folgerung nicht. Aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin von Beruf Klavierlehrerin ist, lässt sich angesichts der vom Senat dargestellten Gesamtsituation nicht darauf schließen, dass die Antragsgegnerin ihren und ihres Sohnes Unterhaltsbedarf aus eigener Kraft decken konnte. Dies gilt um so mehr, als das Amtsgericht nicht einmal ansatzweise festgestellt hat, dass die Antragsgegnerin, die - wie dargelegt - über keine Arbeitserlaubnis verfügte, während ihres Besuchs in Deutschland in einem ihren und ihres Sohnes Unterhaltsbedarf deckenden Umfang Unterrichtsstunden gegeben hat.

2. Der Antragsteller rügt, entgegen den Ausführungen im Senatsurteil sei "der reine Wunsch, im Inland zu leben" kein Belang, der für die Wirksamkeitskontrolle eines Ehevertrages von Bedeutung sein könne. Auch diese Rüge greift nicht durch:

Der Senat hat dargelegt, dass die Antragsgegnerin ohne die Eheschließung weder eine unbefristete Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis erhalten hätte und "somit ihren Wunsch, im Inland zu bleiben, nicht hätte verwirklichen können". Damit wurde klargestellt, dass auch derjenige Vertragspartner sich in einer deutlich schlechteren Verhandlungsposition befindet, der sich als Ausländer bereits im Inland aufhält, aber seinen Lebensplan, dort dauerhaft ansässig und erwerbstätig zu werden, nur unter der dem anderen Vertragspartner bekannten Voraussetzung der Eheschließung verwirklichen kann, die herbeizuführen in dessen Belieben steht. Je dringlicher dieser Wunsch ist, desto eher hat der andere Vertragspartner es in der Hand, sich die Verwirklichung dieses Wunsches durch ehevertragliche Zugeständnisse "abkaufen" zu lassen. Diese rechtliche Würdigung durch eine abweichende eigene Beurteilung zu ersetzen ist dem Antragsteller verwehrt.

3. Schließlich macht der Antragsteller geltend, das Oberlandesgericht habe sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihn nicht zuvor auf die von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hingewiesen und seinen Vortrag zu Einzelfragen der Unterhaltshöhe als verspätet zurückgewiesen habe. Hierauf, insbesondere auf das Fehlen eines vorangehenden richterlichen Hinweises, sei der Senat in seinen Urteilsgründen nicht eingegangen.

Auch diese Rüge ist nicht begründet. Die Zurückweisung des Vorbringens des Antragstellers durch das Oberlandesgericht wird im Senatsurteil ausführlich gewürdigt. Das von der Revision beanstandete Unterlassen eines richterlichen Hinweises gegenüber dem anwaltlich vertretenen Antragsteller hat der Senat dabei in seine Prüfung einbezogen und für nicht verfahrenswidrig erachtet; allerdings hat er keine Veranlassung gesehen, auch diesen Aspekt in den Gründen seines Urteils näher zu erörtern. Eine Gehörsverletzung durch den Senat liegt mithin nicht vor.

Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 25.05.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 11 UF 329/03
Vorinstanz: AG Mainz, vom 23.04.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 31 F 135/02