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BGH - Entscheidung vom 12.07.2007

VII ZR 154/06

Normen:
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 § 305c Abs. 1

Fundstellen:
BGHReport 2007, 1069
BauR 2007, 1724
CR 2008, 630
DB 2007, 2143
MDR 2007, 1366
NJW 2007, 3423
NZBau 2007, 634
WM 2007, 2021
ZGS 2007, 364
ZfBR 2007, 777

BGH, Urteil vom 12.07.2007 - Aktenzeichen VII ZR 154/06

DRsp Nr. 2007/15741

Formularmäßige Vereinbarung der Begrenzung der Vergütung auf erbrachte Leistungen des Auftragnehmers im Falle der Kündigung des Vertrages durch den Auftraggeber; Verweisung auf den Einheitspreisvertrag zwischen dem Generalunternehmer und dessen Auftraggeber als überraschende Klausel

»a) Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Klausel, wonach nur die erbrachten Leistungen des Auftragnehmers vergütet werden und weitergehende Ansprüche ausgeschlossen werden, wenn der Auftraggeber ohne besonderen Grund kündigt, benachteiligt den Auftragnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (im Anschluss an BGH, Urteil vom 4. Oktober 1984 - VII ZR 65/83, BGHZ 92, 244 ).b) Die Verweisung in einem Einheitspreisvertrag zwischen dem Auftraggeber (Generalunternehmer) und seinem Auftragnehmer (Nachunternehmer) auf Bedingungen eines Pauschalpreisvertrages zwischen dem Generalunternehmer und seinem Auftraggeber, die eine Beschränkung des Werklohns für den Fall der Nichtinanspruchnahme der Leistung vorsehen, kann überraschend sein, § 305 c Abs. 1 BGB

Normenkette:

BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 § 305c Abs. 1 ;

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von noch 22.633,75 EUR. Die Beklagte zu 2 ist die Komplementärin der Beklagten zu 1 (künftig: Beklagte).

Die Klägerin wurde von der Beklagten mit Vertrag vom 3. Dezember 2002 mit den Parkettarbeiten für ein Wohnhaus in B. zum Preis von 93.641,34 EUR beauftragt. Grundlage des Vertrages waren nach dem vorformulierten Verhandlungsprotokoll der Beklagten in dieser Reihenfolge das Verhandlungsprotokoll (1.1), das Leistungsverzeichnis (1.2), die Vertragsbedingungen "zwischen AG und Bauherr" (1.3) sowie die VOB , Teil B und C in der zum Zeitpunkt der Auftragserteilung gültigen Fassung. Im Verhandlungsprotokoll ist zudem handschriftlich vermerkt, dass "dieses Verhandlungsprotokoll" und "das Leistungsverzeichnis m. Vorbemerkungen" Grundlage der Auftragserteilung sein solle.

Der Generalunternehmervertrag zwischen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin sieht in § 3 Nr. 5 u.a. folgende Regelung vor:

"Soweit in Bezug auf Teilbereiche die späteren Nutzer vor Beginn des Endausbaus noch nicht feststehen (z.B. Nichtvermietung oder Nichtveräußerung), behält sich der AG das Recht vor, die Fertigstellung des Endausbaus der jeweiligen Teilbereiche bis zur Klärung mit den zukünftigen Nutzern ganz oder teilweise zu verschieben, zurückzustellen oder aus dem von dem GU zu erbringenden Leistungsumfang herauszunehmen. Hierbei handelt es sich insbesondere um abgehängte Decken, Zwischenwände, Beleuchtung, Restanstrich, Bodenoberbeläge etc. je nach gesonderter Festlegung. ..."

"Erfolgt der Abruf verschobener oder zurückgestellter Leistungen durch den AG nicht innerhalb der vorstehend vereinbarten Abruffrist von 12 Monaten nach Abnahme, so gilt dies als endgültige Herausnahme der entsprechenden Leistungen aus dem Leistungsumfang und der Pauschalfestpreis ermäßigt sich um den Wert der entfallenen Leistungen auf der Basis der Preisabfragen für einzelne Bauelemente gemäß Titel der Funktionalausschreibung des Bauvorhabens. Der Pauschalfestpreis für die bestehend bleibenden Leistungen bleibt im übrigen unverändert. ..."

Nach dem zwischen der Klägerin und der Beklagten vereinbarten Leistungsverzeichnis waren 2.094 m² Parkett und 1.036 m Sockelleisten zu verlegen. Ausgeführt wurden nur 244,5 m² Parkett und 185,3 m Sockelleisten, weil die Auftraggeberin der Beklagten sich entschlossen hatte, den Rest nicht mehr ausführen zu lassen.

Nachdem die Beklagte der Klägerin mitgeteilt hatte, dass keine weiteren Wohnungen mehr mit Parkett ausgestattet würden, verlangte diese Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 32.490,89 EUR gerichteten Klage in Höhe von 7.205,46 EUR stattgegeben. Es hat die Mitteilung, dass der allergrößte Teil der Fläche nicht ausgeführt werden solle, als Teilkündigung gewertet mit der Folge, dass die Beklagten Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen schuldeten.

Nach beiderseitiger Berufung, in der die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel ihr Begehren in Höhe von 22.633,75 EUR nebst Zinsen weiterverfolgt hat, hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiter Zahlung von 22.633,75 EUR.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe kein Anspruch auf "entgangenen Gewinn nach vorzeitiger Beendigung des Vertrags" zu.

Unstreitig handele es sich um einen VOB/B -Vertrag, der gemäß § 8 Nr. 5 VOB/B nur schriftlich habe gekündigt werden können. Dies sei nicht erfolgt. Da die Parteien übereinstimmend von der weiteren Durchführung des Vertrages abgesehen hätten, sei von einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung auszugehen. Die Rechtsfolge bestimme sich nach § 3 Nr. 5 des Generalunternehmervertrags der Beklagten mit ihrer Auftraggeberin, der Bestandteil des Vertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten geworden sei. Dort sei geregelt, dass bei endgültiger Herausnahme von Leistungen aus dem Leistungsumfang sich der Pauschalpreis um den Wert der entfallenden Leistungen ermäßige.

Diese Regelung verstoße nicht gegen das AGB-Gesetz . Dahinstehen könne, ob dies für den Fall der Kündigung gelte. Jedenfalls bei einverständlicher Vertragsaufhebung sei dies nicht zu beanstanden.

Unschädlich sei, dass es sich bei dem Generalunternehmervertrag um einen Pauschalpreisvertrag handele und bei dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten um einen Einheitspreisvertrag. Bei letzterem lasse sich das geschuldete Entgelt für die verbliebenen Leistungen ohne weiteres ermitteln. Die Klägerin hätte zudem eine ihr günstige Rechtsfolge ohne weiteres herbeiführen können, wenn sie den Weg über § 9 Nr. 1 VOB/B gegangen wäre.

II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Berufungsgericht ist zu Unrecht der Auffassung, der geltend gemachte Werklohnanspruch sei durch § 3 Nr. 5 des Generalunternehmervertrages ausgeschlossen, der in den Werkvertrag der Klägerin mit der Beklagten einbezogen sei.

1. Rechtlich beanstandungsfrei geht das Berufungsgericht von einer einverständlichen Beendigung des Vertrags aus. Ob die Vertragsparteien aufgrund der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen § 3 Nr. 5 des Generalunternehmervertrages zum Inhalt ihres Vertrags gemacht haben, kann offen bleiben. Ebenso kann dahinstehen, ob diese Klausel, soweit sie die "Herausnahme" eines Teils der vereinbarungsgemäß zu erbringenden Leistungen und damit eine freie Kündigung durch den Auftraggeber im Sinne des § 649 BGB und des § 8 Nr. 1 VOB/B regelt, auch auf den Fall einer demselben Ziel dienenden einverständlichen Vertragsaufhebung Anwendung findet. Denn eine Klausel, die in ihrer Rechtsfolgenregelung einen Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach § 649 Satz 2 BGB ausschließt, ist als vom Auftraggeber gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam (2.). Die Einbeziehung in den Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten scheitert zudem an § 305 c Abs. 1 BGB (3.).

2. Die Klausel des § 3 Nr. 5 des Generalunternehmervertrages verstößt als Rechtsfolgenregelung einer "freien" Auftraggeberkündigung gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB .

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Klausel, wonach nur die erbrachten Leistungen des Auftragnehmers vergütet werden und weitergehende Ansprüche ausgeschlossen werden, wenn der Auftraggeber ohne besonderen Grund kündigt, benachteiligt den Auftragnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen und ist unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1984 - VII ZR 65/83, BGHZ 92, 244 ). Denn das "freie" Kündigungsrecht des Auftraggebers bei Nichtvorliegen besonderer Umstände ist nur gerechtfertigt, wenn dem Auftragnehmer hieraus keine Nachteile entstehen. Deshalb ist in § 649 Satz 2 BGB bestimmt, dass der Unternehmer in diesem Fall Anspruch auf die vereinbarte Vergütung hat und sich nur anrechnen lassen muss, was er infolge der Aufhebung des Vertrags erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Wird dieser Anspruch ausgeschlossen, entfällt der ausgewogene Ausgleich der widerstreitenden Interessen und es wird gegen den wesentlichen Grundsatz des § 649 BGB verstoßen. So liegt es hier. Dem Auftragnehmer wird im Falle der Kündigung des Auftraggebers ohne wichtigen Grund nur ein Anspruch auf Erstattung der erbrachten Leistungen eingeräumt.

Die gleichen Erwägungen gelten auch, soweit die Klausel auf eine einvernehmliche Vertragsaufhebung anzuwenden ist, die auf Initiative des Auftraggebers vorgenommen wird und demselben Ziel wie eine "freie" Kündigung dient (vgl. BGH, Urteile vom 4. Juni 1973 - VII ZR 113/71, NJW 1973, 1463 und vom 29. April 1999 - VII ZR 248/98, BauR 1999, 1021 = ZfBR 1999, 310 = NJW 1999, 2661 ).

3. Die Einbeziehung der Klausel in § 3 Nr. 5 des Generalunternehmervertrags in den zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag scheitert auch an § 305 c Abs. 1 BGB . Sie ist nach den vertraglichen Umständen so ungewöhnlich, dass die Klägerin mit ihr nicht zu rechnen brauchte.

Die Klägerin hat mit der Beklagten einen Einheitspreisvertrag geschlossen, in dem sie mit den gesamten Parkettarbeiten des Wohnhauses zum Betrag von 93.641,34 EUR beauftragt wurde. Im Leistungsverzeichnis findet sich keine Einschränkung, dass Teile der Leistung möglicherweise nicht zur Ausführung gelangen sollten. Lediglich durch den in Nr. 1.3 des Verhandlungsprotokolls formularmäßig erfolgten Hinweis auf die "Vertragsbedingungen zwischen AG und Bauherr" wird der Generalunternehmervertrag zwischen der Beklagten und deren Auftraggeber zum weiteren Vertragsgegenstand gemacht. Dieser sollte zudem nachrangig zum Verhandlungsprotokoll und Leistungsverzeichnis gelten. Erst der Generalunternehmervertrag, der ein Pauschalpreisvertrag mit "Funktionalbeschreibung des Bauvorhabens" war, enthält in der streitigen Klausel das Recht des Auftraggebers, Teile der Leistung "herauszunehmen" und für den Fall der Nichtausführung den Werklohn auf die ausgeführten Leistungen in pauschalierter Form zu beschränken. Diese Vertragsgestaltung ist so ungewöhnlich, dass die Klägerin damit nicht rechnen musste.

Vorinstanz: OLG Oldenburg, vom 04.07.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 9/06
Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 12.01.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 15 O 1382/04
Fundstellen
BGHReport 2007, 1069
BauR 2007, 1724
CR 2008, 630
DB 2007, 2143
MDR 2007, 1366
NJW 2007, 3423
NZBau 2007, 634
WM 2007, 2021
ZGS 2007, 364
ZfBR 2007, 777