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BGH - Entscheidung vom 23.05.2007

1 StR 88/07

Normen:
GmbHG § 64 Abs. 1 § 84 Abs. 1 Nr. 2

Fundstellen:
NStZ 2007, 643
StV 2007, 528
ZInsO 2007, 1115
wistra 2007, 312
wistra 2007, 386

BGH, Beschluß vom 23.05.2007 - Aktenzeichen 1 StR 88/07

DRsp Nr. 2007/10819

Definition der Zahlungsunfähigkeit

1. Nach der auch für §§ 64 , 84 GmbHG maßgeblichen Definition in § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.2. Mit dieser Legaldefinition ist die frühere Rechtsprechung überholt, wonach nur die von den Gläubigern "ernstlich eingeforderten" Verbindlichkeiten maßgebend waren; entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. 3. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist - weiterhin - die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen zwei bis drei Wochen die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt - von vorneherein - Zahlungsunfähigkeit vor.

Normenkette:

GmbHG § 64 Abs. 1 § 84 Abs. 1 Nr. 2 ;

Gründe:

Ergänzend bemerkt der Senat:

Bei der Prüfung der Strafbarkeit gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ging die Strafkammer bei der Feststellung der Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zutreffend von der Legaldefinition des § 17 Abs. 2 der Insolvenzordnung aus, die mit Wirkung vom 1. Januar 1999 die Konkursordnung ablöste. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Auf die Merkmale der "Dauer" und der "Wesentlichkeit" hat der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Umschreibung der Zahlungsunfähigkeit bewusst verzichtet, um der unter Geltung des alten Rechts (§ 102 KO ) verbreiteten Neigung zu begegnen, den Begriff der Zahlungsunfähigkeit stark einzuengen und damit eine über Wochen oder sogar Monate fortbestehende Illiquidität zur rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung zu erklären. Mit dieser Legaldefinition ist auch die frühere Rechtsprechung überholt, wonach nur die von den Gläubigern "ernstlich eingeforderten" Verbindlichkeiten maßgebend waren. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist - weiterhin - die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen zwei bis drei Wochen die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt - von vorneherein - Zahlungsunfähigkeit vor (vgl. zu allem BGH wistra 2005, 432 ; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz 18. Aufl. § 64 Rdn. 4 ff., § 84 Rdn. 25; Bieneck in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht 4. Aufl. § 76 Rdn. 51 ff.). Der Senat versteht daher die im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. April 2007 ( 5 StR 505/06 Rdn. 4) unter Hinweis auf eine aus dem Jahr 1997 stammende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum alten Konkursrecht (BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 1) gewählte Formulierung, wonach Zahlungsunfähigkeit (im konkreten Fall seit dem 1. Dezember 1999) im Sinne von §§ 64 , 84 GmbHG "das nach außen in Erscheinung tretende, auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen des Unternehmens [sei], seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu begleichen", dahingehend, dass damit nur noch die Zahlungsstockung im Sinne des neuen Insolvenzrechts angesprochen werden sollte. Denn davon, dass der 5. Strafsenat die alte Rechtsprechung trotz der neuen Legaldefinition des § 17 Abs. 2 InsO für den Bereich des Strafrechts - unter Hintanstellung der Zivilrechtsakzessorietät der Strafnorm - perpetuieren und sich so über die - ältere - Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2005 (BGH wistra aaO.) hinwegsetzen wollte, kann nicht ausgegangen werden.

Anmerkung Wegner wistra 2007, 386

Vorinstanz: LG Augsburg, vom 28.07.2006
Fundstellen
NStZ 2007, 643
StV 2007, 528
ZInsO 2007, 1115
wistra 2007, 312
wistra 2007, 386