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BGH - Entscheidung vom 15.02.2007

III ZR 156/06

Normen:
BGB § 683 § 677 § 705 § 714
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 15.02.2007 - Aktenzeichen III ZR 156/06

DRsp Nr. 2007/5389

Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags im Zivilverfahren

Trägt aus Außenstehender vor, ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei allein vertretungsbefugt gewesen, so genügt er damit grundsätzlich seiner Darlegungslast, soweit er keinen Einblick in die Interna der Gesellschaft und die Vertretungsverhältnisse hat. Zu weiterem Sachvortrag ist er jedenfalls dann nicht verpflichtet, wenn der beklagte Gesellschafter den Vortrag lediglich pauschal bestreitet.

Normenkette:

BGB § 683 § 677 § 705 § 714 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Der Kläger verlangt von dem Beklagten als Gesellschafter der aus diesem, Axel L. und Hans-Jürgen R. bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR) Ersatz von Zahlungen, die er an eine Bank leistete. Auf Bitten des Hans-Jürgen R. beauftragte der Kläger 1998 die C. Bank AG, zwei Bürgschaften zu stellen, die Forderungen eines Vermieters gegen die GbR aus zwei Mietverträgen über Ladengeschäfte sicherten. Die Bank zahlte die Bürgschaftsbeträge 1999 an die Verwalterin der Vermieterin. Der Kläger erstattete der Bank die ausgezahlten Summen.

Die auf Ersatz der geleisteten Beträge gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne keinen Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB beanspruchen, da er keine hinreichenden Tatsachen dafür vorgetragen habe, dass Hans-Jürgen R. entgegen §§ 709 , 714 BGB die GbR habe allein vertreten können. Auch für eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht sei der Vortrag nicht ausreichend. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht scheiterten an dem Fehlen schlüssigen Vortrags dazu, auf welche konkreten Mietrückstände, Zinsen und Kosten die C. Bank gezahlt habe.

II. Dies beruht, wie die Beschwerde mit Recht geltend macht, auf einer Verletzung des Grundrechts auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ), so dass der Senat nach § 544 Abs. 7 ZPO verfährt.

1. Bei der Erörterung eines Aufwendungsersatzanspruchs des Klägers gemäß §§ 683 , 677 BGB hat das Berufungsgericht wesentlichen Sachvortrag unberücksichtigt gelassen und ist so unzutreffend zu dem Ergebnis gekommen, es fehle an einem schlüssigen Vortrag dazu, auf welche konkreten Mietrückstände, Zinsen und Kosten die bürgende Bank gezahlt habe.

Richtig ist der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, dass der Kläger aus dem Avalauftrag gegenüber der Bank nur insoweit zur Zahlung verpflichtet war, als diese auf die besicherten Forderungen leistete. Das Berufungsgericht bezieht sich insoweit lediglich auf das zu den Akten gereichte Urteil des Landgerichts Leipzig vom 16. Mai 2001 und hält dies für unzureichend. Der Kläger hat jedoch, wie die Beschwerde zutreffend geltend macht, bereits in erster Instanz unter Vorlage des entsprechenden Schriftverkehrs zwischen der Vermieterin und der bürgenden Bank einerseits sowie zwischen der Bank und ihm andererseits vorgetragen, dass die Vermieterin Mietrückstände in Höhe von 90.287,33 DM aus dem Mietvertrag 01 sowie in Höhe von 101.203,04 DM aus dem Mietvertrag 02 der BGB -Gesellschaft geltend gemacht und dass die Bank hierauf gezahlt habe. Der Beklagte hat dies zwar entgegen der Auffassung der Beschwerde mit Nichtwissen bestritten. Eine weitere Substantiierung des Vortrags des Klägers, etwa durch Aufgliederung nach rückständigen einzelnen Monatsmieten, Zinsen und Kosten war gleichwohl nicht notwendig, da sich auch ohne eine solche Spezifizierung feststellen lässt, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Aufwendungsersatzanspruch des Klägers erfüllt sind. Überdies kommt dem Kläger jedenfalls eine Darlegungslasterleichterung zugute, weil ihm als Außenstehenden der Einblick in die Interna des Mietverhältnisses zwischen der GbR und der Vermieterin fehlte, während diese Umstände in die Kenntnissphäre des Beklagten als Gesellschafter fielen (siehe zur Darlegungslast in derartigen Fallgestaltungen näher sogleich unter Nummer 2).

Das Berufungsgericht hätte den mit Fotokopien der entsprechenden Schreiben unterlegten Sachvortrag berücksichtigen und, wenn es die Kopien zum Beweis nicht für ausreichend erachtet hätte, auf die Vorlage der Originalschriftstücke oder andere Beweisantritte hinwirken müssen (§ 139 Abs. 1 ZPO ).

2. Für das neue Verfahren weist der Senat weiter darauf hin, dass das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil, soweit es einen Anspruch des Klägers auf Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB erörtert hat, die Anforderungen an den Sachvortrag zur Befugnis des Hans-Jürgen R., die GbR bei Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags allein zu vertreten, überspannt hat.

Zutreffend ist zwar, dass der Kläger keine konkreten Tatsachen dazu vorgetragen hat, dass der Mitgesellschafter R. eine vom gesetzlichen Regelfall der Vertretung abweichende Alleinvertretungsbefugnis für die GbR hatte. Dies war aber nicht erforderlich, obgleich der Kläger im Grundsatz die Tatsachen darzulegen hat, aus denen sich die Einzelvertretungsmacht des Hans-Jürgen R. ergibt. An die Substantiierungslast der darlegungspflichtigen Partei dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Die Partei ist nicht verpflichtet, den streitigen Lebenssachverhalt in allen Einzelheiten darzustellen. Vielmehr genügt sie nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihrer Darlegungslast bereits dadurch, dass sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Dabei muss das Gericht aufgrund dieser Darstellung beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (z.B. Senatsurteil vom 15. Mai 2003 - III ZR 7/02 - BGH-Report 2003, 891, 892 m.w.N.). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, welche Angaben einer Partei zumutbar und möglich sind. Falls sie keinen Einblick in die Geschehensabläufe hat und ihr die Darlegung und die Beweisführung deshalb erschwert sind, kann sie auch nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird ein Beweisantrag unter solchen Umständen erst, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich und rechtsmissbräuchlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (Senat aaO. m.w.N. und Senatsurteil vom 17. September 1998 - III ZR 174/97 - NJW-RR 1999, 361 ).

Die Voraussetzungen für eine solche Erleichterung der Darlegungslast sind hier erfüllt. Dem Kläger ist der Einblick in die internen Verhältnisse der BGB -Gesellschafter untereinander und in deren Abreden über die Vertretungsmacht des Hans-Jürgen R. verwehrt. Der Kläger konnte sich deshalb darauf beschränken, vorzutragen, dass R. von seinen Mitgesellschaftern Einzelvertretungsbefugnis erteilt worden war. Dies hat er in seiner Klageschrift und mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2004, 1. Februar 2005, 18. Mai 2005 und 1. April 2006 unter Benennung des Hans-Jürgen R. als Zeugen getan. Zwar hat der Kläger bei seinen Ausführungen das Handeln in fremdem Namen und die Berechtigung hierzu nicht immer trennscharf auseinander gehalten. Insbesondere aus der Berufungsbegründung vom 18. Mai 2005 geht jedoch hervor, dass er nicht nur das Auftreten des R. im Namen der GbR, sondern auch das Vorliegen der (Einzel-)Vertretungsbefugnis behaupten wollte. Er beruft sich, "soweit der Beklagte ... weiterhin eine Vollmacht von Herrn R. bestreitet ...", auf die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht. Ähnlich hat der Kläger auch bereits im Schriftsatz vom 1. Februar 2005 vorgetragen.

Die Behauptung, Hans-Jürgen R. sei von seinen Mitgesellschaftern die Einzelvertretungsbefugnis verliehen worden, ist auch nicht "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden. Für die Behauptung des Klägers streitet als Anhaltspunkt, dass andere Verträge mit der GbR, die auf deren Seite allein von Hans-Jürgen R. abgeschlossen wurden, anstandslos abgewickelt wurden.

Eine weitere Substantiierung des Vortrags wäre erst dann erforderlich gewesen, wenn der Beklagte, zu dessen Kenntnissphäre die Vertretungsverhältnisse in der GbR gehören, dem Vortrag des Klägers seinerseits substantiiert entgegen getreten wäre (vgl. z.B.: BGHZ 140, 156 , 158 f.; ferner auch BGH, Urteil vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97 - NJW 1999, 1859 , 1860). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Beklagte hat sich darauf beschränkt, den Vortrag des Klägers zu diesem Punkt schlicht zu bestreiten.

Das Berufungsgericht hätte deshalb, wenn der Beklagte nicht bereits aus §§ 677 , 683 BGB haftet, der Behauptung des Klägers zur Vertretungsmacht des Hans-Jürgen R. und dem Beweisantritt hierzu nachgehen müssen.

3. Die vorstehenden Gesichtspunkte sind entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass der Klage stattzugeben ist, wenn der Vortrag des Klägers nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen berücksichtigt und die gegebenenfalls erforderliche Beweisaufnahme nachgeholt wird.

Insbesondere scheitert die Klage nicht bereits daran, dass der Kläger nicht im Einzelnen vorgetragen hat, in welchem Umfang er die Zahlungen an die bürgende Bank aus eigenen Mittel aufgebracht hat. Die Beschaffung der Mietbürgschaft war objektiv ein Geschäft der GbR als Mieterin, so dass der Kläger grundsätzlich einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB oder § 683 BGB haben kann.

Die nach diesen Bestimmungen zu erstattende Aufwendung bestand nicht erst in der Zahlung an die bürgende Bank, sondern bereits in der mit der Erteilung des Avalauftrages an die Bank eingegangenen Verbindlichkeit, dieser die Aufwendungen aus der Bürgschaft zu ersetzen. Aus § 257 BGB ergibt sich, dass die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz auch die Verpflichtung zur Freistellung hierfür eingegangener Verbindlichkeiten umfasst (BGH, Urteil vom 11. März 2005 - V ZR 153/04 - NJW-RR 2005, 887 , 890; BGH, Urteil vom 28. April 1993 - VIII ZR 109/92 - NJW-RR 1993, 1227 , 1228). Der dem Kläger zustehende Befreiungsanspruch hat sich nach seiner Leistung in einen auf Erstattung der zur Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber der Bank aufgewendeten Beträge gerichteten Zahlungsanspruch gewandelt. Ersatzfähig sind dabei nicht nur die hierfür aufgewendeten eigenen Mittel.

Vorinstanz: KG, vom 21.04.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 21 U 63/05
Vorinstanz: LG Berlin, vom 09.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 33 O 215/02