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BGH - Entscheidung vom 20.12.2007

III ZR 123/07

Normen:
BGB § 276 § 280 § 328

BGH, Beschluß vom 20.12.2007 - Aktenzeichen III ZR 123/07

DRsp Nr. 2008/1077

Anforderungen an die Darstellung des Risikos einer Kapitalanlage im Prospekt

1. Der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, hat den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt.2. Den Anforderungen an die Darstellung des Risikos einer Kapitalanlage ist nicht genügt, wenn sich für einen durchschnittlichen Anleger der - unzutreffende - Gesamteindruck aufdrängt, dass er mit seiner Beteiligung ein begrenztes Risiko eingehe.3. Für die Erstreckung der Schutzwirkung und die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Bereich der Expertenhaftung (hier: Prospektprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer) kommt es entscheidend darauf an, dass der Anleger von dem Gutachten Gebrauch macht und hierdurch ein Vertrauen des Anlegers erzeugt und auf seinen Willensentschluss Einfluss genommen wird. Es ist darauf abzustellen, was zu dem Prospektprüfungsgutachten - für alle Anleger lesbar - in dem Prospekt verlautbart worden ist. Der Anleger kann den Drittschutz grundsätzlich nur dann in Anspruch nehmen, wenn er das Gutachten für seine Zwecke anfordert und es auf diese Weise zur Grundlage seiner Entscheidung macht.

Normenkette:

BGB § 276 § 280 § 328 ;

Gründe:

I. Der Kläger zeichnete am 3. November 2000 - unter Einschaltung der D. GmbH als Treuhänderin - auf Empfehlung des Bankhauses L., dessen Mitarbeiter er ist, eine Kommanditeinlage über 50.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.

Wegen behaupteter Fehler bei der Prüfung des Prospekts begehrt der Kläger von der Beklagten, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung Rückzahlung des eingezahlten Betrags von - unter Berücksichtigung einer Ausschüttung von 766,94 EUR während des erstinstanzlichen Verfahrens - noch 24.797,65 EUR nebst Zinsen. Im Hinblick auf die Ausschüttung hat der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt und begehrt insoweit Feststellung der Erledigung. Die Beklagte hatte den Prüfauftrag von der Streithelferin, dem unter anderem mit der Vertriebskoordination betrauten Unternehmen, erhalten.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der zwischen der Streithelferin und der Beklagten geschlossene Vertrag entfalte keine Schutzwirkung zugunsten des Klägers, der Verkaufsprospekt sei bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht irreführend und es könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Anlageentscheidung des Klägers auf dem Prospektprüfungsgutachten der Beklagten beruhe. Mit Rücksicht darauf, dass der Senat in einer dieselbe Fondsbeteiligung betreffenden Parallelsache mit Beschluss vom 24. Januar 2007 (III ZR 300/05) die Revision zugelassen hat, hat das Berufungsgericht auch in dieser Sache die Revision zugelassen, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.

II. 1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen im Streitfall nicht mehr vor.

Der Senat hat - nach der Entscheidung des Berufungsgerichts - in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden, dass der Emissionsprospekt im Hinblick auf die im Abschnitt "Risiken der Beteiligung" angeführte, als "worst-case-Szenario" bezeichnete "Restrisiko-Betrachtung" den Anleger nicht deutlich genug darauf hinweist, dass seine Beteiligung dem Risiko eines Totalverlustes und nicht lediglich eines begrenzten Verlustes unterliegt, und hat darin einen Prospektmangel gesehen ( III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329 , 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007, 1503 , 1504 f Rn. 14 f). An dieser Beurteilung, auf die wegen der maßgebenden Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Senat - nach erneuter Überprüfung - auch in seinem Urteil vom 22. November 2007 ( III ZR 210/06) festgehalten. Er hat ferner eine Haftung der mit der Erstellung des Prospektprüfungsgutachtens betrauten Beklagten nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für möglich gehalten, wenn sich der Anleger das Prospektprüfungsgutachten hat aushändigen lassen (III ZR 300/05 - aaO. S. 1332 Rn. 21), und sie verneint, wenn der Anleger nur darauf vertraut, dass seinem Vermittler der Inhalt des Prüfberichts bekannt sei und dieser ihn über etwaige Unzulänglichkeiten des Prospekts aufklären würde, falls Beanstandungen in dem Gutachten enthalten seien (III ZR 125/06 - aaO. S. 1507 Rn. 28 f). Der Senat hat diese Rechtsprechung in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2007 ( III ZR 298/05 - WM 2007, 2281 ) dahin fortgeführt, zur Inanspruchnahme einer solchen Schutzwirkung sei es regelmäßig erforderlich, dass der Anleger den Bericht vor seiner Anlageentscheidung anfordere und von dessen Inhalt Kenntnis nehme.

2. Wenn auch das Berufungsgericht den Prospekt und das von der Beklagten zu verantwortende Prüfergebnis nicht beanstandet und die Frage einer Haftung nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung anders als der Senat beantwortet hat, kann die Klageabweisung im Ergebnis bestehen bleiben, weil das Vorbringen des Klägers nicht ausreicht, ihn in die Schutzwirkung des Prüfvertrags einzubeziehen.

a) Die Revision macht geltend, der Kläger habe das Prospektprüfungsgutachten selbst ausgehändigt bekommen. Sie räumt jedoch selbst ein, der diesbezügliche Sachvortrag sei in den Tatsacheninstanzen nicht ganz eindeutig gewesen. Betrachtet man das beiderseitige Vorbringen zu dieser Frage im Zusammenhang, vermag der Senat einen unter Beweis gestellten konkretisierten Vortrag des Klägers für eine Anforderung und Kenntnisnahme des Gutachtens vor seiner Anlageentscheidung nicht zu erkennen.

Der Kläger hat behauptet, ihm sei das Konzept der Fondsbeteiligung auf einer internen Schulungsveranstaltung des Bankhauses L. in der D. Filiale durch den Leiter der H. Filiale, den Zeugen W., erläutert worden. Während der Veranstaltung seien dem Kläger durch W. der Verkaufsprospekt und eine Kurzübersicht ausgehändigt worden, anhand deren das Konzept erläutert worden sei. Von dem Inhalt des Gutachtens habe der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit in der L. Bank vor Zeichnung der Beteiligung Kenntnis gehabt, insbesondere sei die Tatsache, dass die Beteiligung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft und ohne Beanstandungen geblieben sei, von W. auf der Schulung besonders hervorgehoben worden. In der Berufungsbegründung hat der Kläger seine Auffassung unterstrichen, für eine Haftung der Beklagten sei es nicht erforderlich, dass der einzelne Anleger das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kenne. Für die Kausalität genüge es, dass der Schaden des Klägers durch die Erstellung des fehlerhaften Gutachtens verursacht worden sei. Insoweit wird unter Bezugnahme auf die Klageschrift erneut darauf hingewiesen, das Bankhaus L. biete die Fondsbeteiligung ihren Kunden nur an, wenn ein beanstandungsfreies Gutachten vorliege. Dass es ein solches Gutachten gebe, sei dem Kläger durch den Zeugen W. mitgeteilt worden. Die Existenz diese Gutachtens sei für das Bankhaus Voraussetzung gewesen, die Beteiligung in sein Sortiment aufzunehmen, und für W., die Beteiligung den Mitarbeitern so vorzustellen, dass das Verlustrisiko auf lediglich 21,6 v.H. beschränkt sei. Demgegenüber hat die Beklagte dem Kläger in der Klageerwiderung und in der Berufungserwiderung entgegen gehalten, er habe weder den Prospektprüfungsbericht angefordert noch sonst davon vor seiner Anlageentscheidung Kenntnis erlangt. Zusätzlich hat sie auf Parallelverfahren hingewiesen, in denen die auch den Kläger vertretende Prozessbevollmächtigte ausdrücklich zur Übersendung des Gutachtens vorgetragen hatte, wenn dies - ausnahmsweise - einmal der Fall war. Unter diesen Umständen vermag der Senat weder den konkreten Vortrag des Klägers zu erkennen, er habe das Gutachten angefordert oder sich aushändigen lassen, noch, er habe von seinem maßgebenden Inhalt in einer eigenständigen, konkretes Vertrauen in Anspruch nehmenden Weise Kenntnis genommen.

b) Wie der Senat unter Heranziehung früherer Entscheidungen befunden hat, kommt es für die Erstreckung der Schutzwirkung und die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Bereich der Expertenhaftung entscheidend darauf an, dass der Anleger von dem Gutachten Gebrauch macht und hierdurch ein Vertrauen des Anlegers erzeugt und auf seinen Willensentschluss Einfluss genommen wird (Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - aaO. S. 1507 Rn. 28). Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Maß der Erstreckung der Schutzpflicht nicht allein aus der Sicht des am Vertrag nicht beteiligten Dritten zu bestimmen, sondern dass dies in erster Linie Sache der Vertragsparteien ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 138, 257 , 261). Im vorliegenden Fall ist insoweit darauf abzustellen, was zu dem Prospektprüfungsgutachten - für alle Anleger lesbar - in dem Prospekt verlautbart worden ist. Wenn es dort heißt, dass "der Bericht nach Fertigstellung den von den Vertriebspartnern vorgeschlagenen ernsthaften Interessenten auf Anforderung zur Verfügung gestellt" werde, kann der Anleger den Drittschutz grundsätzlich nur dann in Anspruch nehmen, wenn er das Gutachten für seine Zwecke anfordert und es auf diese Weise zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Eine - notwendigerweise allgemein bleibende - abgeleitete Kenntnis, wie sie nach dem Vortrag des Klägers in den Vorinstanzen auch hier nahe liegt, genügt hierfür nicht.

c) Der Auffassung der Revision, dem Kläger müsse wegen Verletzung der Hinweispflicht Gelegenheit zu dem Vortrag und Beweisantritt gegeben werden, ihm sei das Gutachten im Anschluss an die Schulung ausgehändigt worden, folgt der Senat nicht. Nach dem oben wiedergegebenen Sachvortrag, insbesondere der Beklagten, drängte es sich für den Kläger auf, hierauf auch ohne einen gerichtlichen Hinweis einzugehen; es lag sogar außerordentlich nahe, den Umstand zu erwähnen, wenn er - wie jetzt von der Revision geltend gemacht - tatsächlich vorlag. Dass es hierauf im Rahmen der Grundsätze über einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ankommen konnte, ist nicht erst durch die angeführten Senatsurteile vom 14. Juni 2007 verdeutlicht worden.

Vorinstanz: OLG München, vom 30.01.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U 4059/06
Vorinstanz: LG München I, vom 08.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 22 O 15147/05