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BGH - Entscheidung vom 17.04.2007

XI ZB 39/06

Normen:
ZPO § 520 Abs. 2 § 233

Fundstellen:
FamRZ 2007, 1095

BGH, Beschluß vom 17.04.2007 - Aktenzeichen XI ZB 39/06

DRsp Nr. 2007/8821

Anforderungen an die Büroorganisation bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax

Ein Anwalt ist verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Eine organisatorische Regelung, nach welcher sich die Kontrolle hinsichtlich der Empfängernummer auf den Vergleich der Faxnummern im Sendebericht und im Schriftsatz beschränkt, ist nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr die nochmalige selbständige Prüfung der zutreffenden Empfängernummer.

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 2 § 233 ;

Gründe:

I. Mit Telefaxschreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 14. Juli 2006 an das Oberlandesgericht hat der Kläger gegen das am 22. Juni 2006 zugestellte Urteil des Landgerichts, mit dem seine Schadensersatzklage überwiegend abgewiesen worden war, Berufung eingelegt. Nach antragsgemäßer Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 12. September 2006 reichte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 8. September 2006 die Berufungsbegründung ein. Der Schriftsatz ging am 12. September 2006 per Fax beim Landgericht und nach Weiterleitung am 14. September 2006 beim Oberlandesgericht ein. Als Empfänger wies der Begründungsschriftsatz das Oberlandesgericht aus, enthielt jedoch im Adressfeld nicht dessen Telefaxnummer, sondern die des Landgerichts, an die die Berufungsschrift gefaxt worden war.

Mit Schriftsatz vom 20. September 2006 hat der Kläger gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Berufungsbegründungsschrift sei versehentlich an das Landgericht versandt worden, da die - ansonsten zuverlässige - Mitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten die Telefaxnummer versehentlich aus einem bei den Akten befindlichen Schriftstück des Landgerichts übernommen hatte. Entsprechend den im Büro bestehenden Anweisungen habe sie einen Sendebericht ausdrucken lassen und u.a. die darin vermerkte Telefaxnummer mit derjenigen verglichen, die sie zuvor auf dem Schriftsatz eingetragen hatte. Da ihr dabei das Versehen nicht aufgefallen sei, habe sie die Frist als erledigt gelöscht.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufungsbegründungsfrist sei durch ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers versäumt worden, das dieser sich zurechnen lassen müsse. Die bloße Kontrolle, ob der Sendebericht die im Schriftsatz angegebene Faxnummer enthalte, genüge nicht. Erforderlich sei vielmehr eine Überprüfung dahingehend, ob es sich bei der verwendeten Faxnummer tatsächlich um diejenige des Adressaten handele, um nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bereits bei der Ermittlung der Faxnummer aufdecken zu können. Eine entsprechende Anweisung der Prozessbevollmächtigten des Klägers sei nicht dargelegt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO , die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senat, BGHZ 161, 86 , 87 m.w.Nachw.), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275 , 284; BVerfG NJW 2003, 281 ).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verschulden eines Prozessbevollmächtigten bei der Ausgangskontrolle von Telefaxschreiben ab. Danach ist ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dies bedeutet, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und entsprechend - d.h. auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer - überprüft werden muss (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412 , 2413 Tz. 7 und vom 1. März 2005 - VI ZB 65/04, NJW-RR 2005, 862 ). Eine organisatorische Regelung, nach welcher sich die Kontrolle hinsichtlich der Empfängernummer auf den Vergleich der Faxnummern im Sendebericht und im Schriftsatz beschränkte, war - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - nicht ausreichend (BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2005 - XII ZB 68/05, FamRZ 2005, 1534 f. und vom 1. März 2005 aaO.). Notwendig war vielmehr eine Regelung, die die nochmalige selbstständige Prüfung der zutreffenden Empfängernummer vorsah (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2005 aaO. m.w.Nachw.). Dass eine solche Regelung bei der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht bestanden hat, steht außer Streit.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde weicht das Berufungsgericht auch nicht von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 2004 ( VI ZB 14/04, NJW 2004, 3491 ) ab, nach welcher unter Umständen bei Übernahme der Telefaxnummer aus dem konkreten Aktenvorgang der Abgleich der gewählten Empfängernummer mit der übertragenen Nummer ausreichend und eine abschließende und selbstständige Kontrolle der Richtigkeit der Empfängernummer wegen der in einem solchen Fall geringen Verwechslungsgefahr entbehrlich sein kann. Ungeachtet der Frage, ob die Notwendigkeit einer nochmaligen Überprüfung der Empfängernummer von der Höhe des Risikos eines Versehens abhängen kann (offen gelassen in BGH, Beschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04, NJW 2006, 2412 , 2413 Tz. 14 f.), unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von demjenigen, der dem von der Rechtsbeschwerde zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 2004 (aaO.) zugrunde lag. Anders als dort bestand hier auch bei Übernahme der Telefaxnummer aus der Akte für eine selbstständige Kontrolle der Empfängernummer schon deshalb Veranlassung, weil in der Akte der Prozessbevollmächtigten des Klägers die Berufungsbegründungsschrift im Adressfeld eine andere Empfängernummer auswies als diejenige, an die die Berufungsschrift gesandt worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2005 - VI ZB 65/04, NJW-RR 2005, 862 ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 23.10.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 1041/06
Vorinstanz: LG Koblenz, vom 20.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 83/04
Fundstellen
FamRZ 2007, 1095