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BGH - Entscheidung vom 28.06.2005

4 StR 376/04

Normen:
StGB § 242 Abs. 1

Fundstellen:
NStR 2005, 631
NStZ 2005, 566
NStZ-RR 2005, 311
StV 2005, 553
wistra 2005, 376

BGH, Beschluß vom 28.06.2005 - Aktenzeichen 4 StR 376/04

DRsp Nr. 2005/10815

Zueignungsabsicht bei Sicherungsübereignung

Wer die einem anderen zur Sicherheit übereignete Sache im eigenen Namen veräußert, handelt nicht rechtwidrig, wenn der Sicherungsnehmer in die Verfügung über das Sicherungseigentum eingewilligt hat und, sofern die Veräußerungsermächtigung inhaltlich beschränkt ist, die dadurch gesetzten Grenzen nicht überschritten werden.

Normenkette:

StGB § 242 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls, Meineids, Untreue in zwei Fällen, Vortäuschens einer Straftat, versuchten Betruges und wegen veruntreuender Unterschlagung unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie wegen veruntreuender Unterschlagung, Meineids, Betruges und wegen "gewerbsmäßigen Betruges" in sieben Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Verurteilung wegen Unterschlagung zum Nachteil der Bank (Fall II. 7) hat keinen Bestand.

a) Nach den Feststellungen verkaufte und übergab der Angeklagte, der einen Motorradhandel betrieb, am 3. April 2001 das Motorrad MV Augusta, das zu diesem Zeitpunkt im Rahmen der Händlerfinanzierung der Bank zur Sicherheit übereignet war, ohne dies offen zu legen, an den Motorradhändler S. gegen Zahlung von 30.000 DM per Scheck, der am 5. April 2001 eingelöst wurde. "Entgegen seinen vertraglichen Verpflichtungen, nach dem Verkauf des Motorrades diesen bei der Bank anzuzeigen und dort den entsprechenden Finanzierungssaldo auszulösen," bat der Angeklagte, der beabsichtigte, den Kaufpreis für sich zu behalten, die Bank mit Schreiben vom 11. April 2001 mit der Begründung, er wolle das Fahrzeug zu Vorführzwecken anmelden, um Übersendung des Fahrzeugsbriefes.

b) Damit ist jedoch nicht belegt, daß sich der Angeklagte das für ihn nach der Sicherungsübereignung an die Bank fremde Motorrad rechtswidrig zugeeignet hat.

Wer die einem anderen zur Sicherheit übereignete Sache im eigenen Namen veräußert, handelt nämlich nicht rechtwidrig, wenn der Sicherungsnehmer in die Verfügung über das Sicherungseigentum eingewilligt hat (§ 183 Satz 1 BGB ) und, sofern die Veräußerungsermächtigung inhaltlich beschränkt ist (vgl. dazu Gursky in Staudinger BGB , Neubearbeitung 2004 § 183 Rn. 5 m.N.), die dadurch gesetzten Grenzen nicht überschritten werden (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1984, 810 , 811; Hohmann in MünchKomm StGB § 246 Rn. 47; Ruß in LK 11. Aufl. § 246 Rn. 21). Wenn die Sicherungsübereignung - wie hier - im Rahmen einer Händlereinkaufsfinanzierung erfolgt, ist der Sicherungsgeber auch ohne besondere ausdrückliche Gestattung ermächtigt, die Sache im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb im eigenen Namen zu veräußern (vgl. Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 185 Rn. 23 m.N.; OLG Düsseldorf aaO; Hohmann aaO; Ruß aaO zur Weiterveräußerung unter Eigentumsvorbehalt gekaufter Ware im Geschäftsbetrieb). Umstände, die einer solchen Auslegung der in der Sicherungsabrede getroffenen Vereinbarungen entgegenstehen können, sind den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen. Soweit der Angeklagte danach verpflichtet war, "nach dem Verkauf des Motorrades diesen bei der Bank anzuzeigen," legt dies vielmehr die Annahme einer Gestattung nicht nur des Verkaufs des Motorrades, sondern auch seiner Übereignung an den Käufer nahe.

Von der Einwilligung nicht umfaßt und damit rechtswidrig wäre die Veräußerung des Motorrades allerdings dann, wenn sie nicht im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes erfolgte (vgl. OLG Düsseldorf aaO S. 810 f.; Hohmann aaO), etwa weil der Verkaufspreis unter dem Einstandspreis lag (vgl. BGHZ 104, 129, 133). Ob dies der Fall war, läßt sich den bisherigen Feststellungen jedoch nicht entnehmen.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Soweit der Angeklagte entgegen seinen vertraglichen Verpflichtungen den Erlös aus dem Verkauf des Motorrades nicht zur Ablösung des Finanzierungssaldos verwendet hat, käme eine Strafbarkeit wegen Untreue auch dann nicht in Betracht, wenn die Kaufpreisforderung - wie im Rahmen einer Händlerfinanzierung üblich - im Wege der Vorausabtretung auf die Bank übergangen und der Angeklagte zur Einziehung der Forderung ermächtigt war (vgl. BGH StV 1984, 326). Insoweit wird gegebenenfalls im Hinblick darauf, daß der Angeklagte bei der Anforderung des Briefes sowie auf mehrmalige telefonische Nachfrage (UA 34) vorgetäuscht hat, das Motorrad nicht verkauft zu haben, und damit möglicherweise erreichen wollte, daß die Bank ihre seit der Zahlung des Kaufpreises für das Motorrad fälligen Ansprüche nicht, oder jedenfalls nicht sofort, durchsetzte, eine Strafbarkeit wegen (versuchten) Betruges zu prüfen sein (vgl. Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 263 Rn. 43 m.N.).

2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen sechs tatmehrheitlich zum Nachteil des Zeugen G. begangener Betrugstaten (Fälle II. 12 bis II. 17) hat ebenfalls keinen Bestand.

a) Die Feststellungen zum Abschluß der sechs Kaufverträge in der Zeit vom 17. September 2002 bis zum 7. Januar 2003 über die Lieferung von insgesamt 22 Motorrädern bzw. Motorrollern sowie Motorradersatzteilen (Fall II. 15) im Gesamtwert von 116.270 Euro durch den Zeugen G. und zur Abwicklung der Verträge (UA 19 bis 21) sind widersprüchlich und lückenhaft.

Soweit das Landgericht im Rahmen der knappen Sachverhaltsschilderung und auch der Beweiswürdigung darauf abgestellt hat, daß der Angeklagte die Verträge im eigenen Namen abgeschlossen und dabei über seine Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit getäuscht hat, steht dies in einem nicht ohne weiteres aufzulösenden Widerspruch zu den übrigen Feststellungen. Danach hat der Angeklagte seine Einzelfirma, unter der er seinen Motorradhandel zunächst betrieben hatte, bereits im Februar 2002 mit Mitteln, die aus dem Verkauf einer Immobilie seiner Ehefrau stammten, in eine GmbH umgewandelt und "dieses Geschäft" bis zu seiner Festnahme im August 2003 betrieben (UA 6), so daß unklar bleibt, ob der Angeklagte beim Abschluß der Kaufverträge über die Zahlungsbereitschaft der GmbH, zu deren Zahlungsfähigkeit sich das Urteil im übrigen nicht verhält, oder über seine eigene Zahlungsbereitschaft getäuscht haben soll.

Daß der Angeklagte über seine Zahlungsbereitschaft oder die der GmbH getäuscht und einen entsprechenden Irrtum des Zeugen G. erregt hat, ist zudem durch die bisherigen Feststellungen nicht hinreichend belegt. Zwar ist mit der Eingehung einer vertraglichen Verpflichtung in der Regel die stillschweigende Erklärung des Schuldners verbunden, daß er zur Erfüllung des Vertrages in der Lage und bereit sei (vgl. BGH wistra 1998, 177 ). Hiervon kann aber nach den bisherigen Feststellungen nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn beim Abschluß des ersten der Kaufverträge am 17. September 2002 (Fall II. 12) gewährte der Zeugen G. einen Zahlungsaufschub, nachdem der Angeklagte bei der Überreichung eines Schecks über die Kaufpreissumme von 14.650 Euro erklärt hatte, "sein Konto weise zur Zeit keine entsprechende Deckung auf, er zahle später bar" (UA 45). Zudem verkaufte der Zeuge dem Angeklagten, obwohl dieser in der Folgezeit lediglich Teilzahlungen erbrachte, bis zum Januar 2003 weiterhin Motorräder und -roller unter Vereinbarung zeitlich gestreckter Fälligkeitstermine. Werden ungeachtet offen stehender Rechnungen weitere Warenlieferungen ausgeführt, bedarf es aber im Hinblick auf die Frage, ob spätere Lieferungen auf einer Vorspiegelung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit beruhen, in der Regel näherer Feststellungen dazu, weshalb der Lieferant sich trotz Kenntnis der Zahlungssäumigkeit zu weiteren Lieferungen bereit gefunden hat (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 2; BGH NStZ 1993, 440 ; wistra 1996, 262 , 263 f.; StV 1999, 24 ). Deshalb hätte es Feststellungen zu den jeweils vereinbarten Zahlungszielen bedurft. Soweit das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung davon ausgeht, der Zeuge G. habe sich "dem Angeklagten gegenüber naiv verhalten und ihm vollständig vertraut" weil ihm der Angeklagte die Kopie eines tatsächlich nicht bestehenden Darlehensvertrages und einer angeblichen Postanweisung auf das Konto des Zeugen übersandt habe, um diesen "hinsichtlich seiner Zahlungsfähigkeit und seines Zahlungswillens in Sicherheit zu wiegen," hätte es Feststellungen zum Zeitpunkt der Übersendung dieser Unterlagen bedurft, um eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung des Zeugen zu belegen.

b) Die Beweiswürdigung, die der Annahme des Landgerichts zugrunde liegt, der Angeklagte sei weder willens noch in der Lage gewesen, den jeweiligen Kaufpreis vollständig zu bezahlen (UA 19), ist widersprüchlich, lückenhaft und damit rechtsfehlerhaft. Im Rahmen der knappen Feststellungen zu den sechs Einzelgeschäften geht das Landgericht von erbrachten Anzahlungen in Höhe von insgesamt 17.500 Euro (UA 20 f.), an anderer Stelle jedoch von Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 29.400 Euro aus (UA 19, 52). Soweit es den Differenzbetrag betrifft, läßt sich den Urteilsgründen eine zeitliche oder sachliche Zuordnung der Zahlungen, die der Zeuge G. nach seinen Bekundungen erhielt, nicht entnehmen. Zudem ist das Landgericht aufgrund der Bekundungen des Zeugen davon ausgegangen, daß die von dem Angeklagten am 20. September 2002 (Fall II. 13) gezahlten 6.500 Euro, jedenfalls zu einem Teil, auch mit der Kaufpreisforderung aus dem Vertrag vom 17. September 2002 verrechnet wurden (UA 46), so daß möglicherweise diese oder eine der anderen Kaufpreisforderungen vollständig erfüllt worden ist.

Das Landgericht hat sich im übrigen bei der Würdigung der Aussage des Zeugen G., er habe "die sichere Erinnerung, daß der Angeklagte bislang insgesamt nur 29.400 Euro gezahlt habe" (UA 52), nicht mit allen Umständen auseinandergesetzt, die gegen die Zuverlässigkeit der Erinnerung des Zeugen sprechen könnten. Da der Zeuge den Betrag "aus seinen geschäftlichen Aufzeichnungen zusammengestellt hat," in der Hauptverhandlung aber "nicht mehr im Detail" hat darlegen können, wie er den Betrag konkret ermittelt hat, hätte die Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der von dem Zeugen herangezogenen Aufzeichnungen näherer Erörterung bedurft. Dies war insbesondere auch deshalb erforderlich, weil der Zeuge nach den Feststellungen Bargeschäfte über Kraftfahrzeuge ohne Rechnung und Quittung abwickelte (UA 51, 52), dem Angeklagten einen Scheinbeleg über eine tatsächlich nicht erfolgte Anzahlung zur Vorlage beim Straßenverkehrsamt ausstellte (UA 49) und ihm eine Rechnung über die Lieferung von zehn Motorrädern zur Vorlage beim Straßenverkehrsamt überlassen hat, obwohl tatsächlich nur fünf der in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge geliefert wurden.

3. Auch die Aussprüche über die in den Fällen II. 2 und II. 4 verhängten Einzelstrafen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Soweit der Angeklagte im Fall II. 2 wegen Meineids verurteilt worden ist, hat das Landgericht bei der Bemessung der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten nicht erkennbar bedacht, daß sich der Angeklagte in einem Aussagenotstand im Sinne des § 157 StGB befunden hat. Der Angeklagte hätte in dem Zivilrechtsstreit vor dem Amtsgericht Münster, in dem er seine falsche Aussage beeidet hat, im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage offenbaren müssen, daß er sich den Motorroller seines Arbeitgebers, über dessen Bezahlung in dem Zivilrechtsstreit gestritten wurde, rechtswidrig zugeeignet hatte. Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Landgericht, hätte es dies bedacht, von dem fakultativen Strafmilderungsgrund des § 157 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht und auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

b) Im Fall II. 4 hat das Landgericht der Bemessung der Strafe einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt, denn es ist - wie im Fall II. 3 (Schadenshöhe 11.000 DM) - davon ausgegangen, daß "ein höherer Schaden verursacht worden" ist (UA 56). Das ist jedoch nach den Feststellungen nicht Fall.

Danach verkaufte der Angeklagte, dem zur Tatzeit in der Firma seines damaligen Arbeitgebers, soweit es den Handel mit Zweirädern betraf, An- und Verkauf sowie die Kundenbetreuung übertragen worden waren, im Mai 2000 im Namen dieser Firma ein Motorrad, das sein Arbeitgeber etwa ein Jahr zuvor für 17.067 DM erworben hatte, zum Preis von 14.500 DM, und nahm ein Motorrad des Käufers für 10.000 DM in Zahlung. Den von dem Käufer bar entrichteten Differenzbetrag von 4.500 DM behielt der Angeklagte für sich. Innerhalb der folgenden zwei Monate veräußerte der Angeklagte das in Zahlung genommene Motorrad und behielt auch diesen Erlös für sich.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt danach aber die Untreuehandlung im Sinne des § 266 StGB nicht darin, daß der Angeklagte das in Zahlung genommene Motorrad zunächst unter Ausnutzung seiner Vertrauensstellung auf seinen Namen anmeldete (UA 30). Vielmehr war der Angeklagte zur Anmeldung des Motorrades auf seinen Namen befugt, denn sein früherer Arbeitgeber brachte ihm "volles Vertrauen entgegen, so daß es für ihn ohne Bedeutung war, ob der Angeklagte für einen gewissen Zeitraum Halter eines der gebrauchten Motorräder war" (UA 30). Auch die anschließende Veräußerung des Motorrades erfüllt nicht den Tatbestand der Untreue, denn sie erfolgte ebenso wie die Inzahlungnahme des Fahrzeugs des Käufers ordnungsgemäß im Namen der Firma seines Arbeitgebers. Eine Veräußerung unter Wert wird dem Angeklagten nicht angelastet und liegt im übrigen im Hinblick auf den seit dem Erwerb des Fahrzeugs durch seinen früheren Arbeitgeber eingetretenen Wertverlust auch fern.

Der Angeklagte hat sich aber, wovon auch die Anklage ausgegangen ist, hinsichtlich des von ihm einbehaltenen Barbetrages in Höhe von 4.500 DM der Untreue schuldig gemacht.

Die in der späteren Veräußerung des in Zahlung genommenen Motorrades möglicherweise liegende weitere Untreuehandlung ist dagegen von dem Anklagevorwurf und damit auch vom Schuldspruch nicht erfaßt.

4. Die Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen II. 12 bis 17 und der in den Fällen II. 2 und 4 verhängten Einzelstrafen entzieht beiden Gesamtfreiheitsstrafen die Grundlage. Sie müssen daher ebenfalls neu festgesetzt werden.

Vorinstanz: LG Münster, vom 30.03.2004
Fundstellen
NStR 2005, 631
NStZ 2005, 566
NStZ-RR 2005, 311
StV 2005, 553
wistra 2005, 376