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BGH - Entscheidung vom 23.02.2005

XII ZB 71/00

Normen:
ZPO § 517 § 114 § 233

BGH, Beschluß vom 23.02.2005 - Aktenzeichen XII ZB 71/00

DRsp Nr. 2005/4666

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung eines Rechtsmittelfrist bei Bedürftigkeit der Partei

1. Hat eine bedürftige Partei zunächst innerhalb der Rechtsmittelfrist ein Prozesskostenhilfegesuch für das durchzuführende Rechtsmittel angebracht und ist dieses abgelehnt worden, so ist ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, dass sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe genügend dargetan habe.2. Hiervon kann eine Partei auch dann ausgehen, wenn zwar in einem Parallelverfahren der Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung abgelehnt worden ist, ein vorhandenes Bausparguthaben reiche zur Bestreitung der Prozesskosten aus, sie hiergegen jedoch einwendet, dass dieses an einen Darlehensgläubiger abgetreten sei.

Normenkette:

ZPO § 517 § 114 § 233 ;

Gründe:

I. Durch Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts wurde die Ehe der Parteien geschieden, der Versorgungsausgleich geregelt und der Antragsgegner zur Zahlung von Ehegatten- und Kindesunterhalt verurteilt. Mit am 16. Juni 1999 bei dem Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz hat er beantragt, ihm Prozeßkostenhilfe zur Einlegung der Berufung gegen das ihm am 17. Mai 1999 zugestellte Urteil zu bewilligen. Durch Beschluß vom 29. Juli 1999, dem Antragsgegner zugestellt am 4. August 1999, hat das Oberlandesgericht die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe verweigert. Der Antragsgegner legte daraufhin am 16. August 1999 Berufung gegen das Verbundurteil ein (die er später rechtzeitig begründete) und beantragte zugleich, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, da sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei und die beantragte Wiedereinsetzung nicht bewilligt werden könne. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Außerdem war dem Antragsgegner wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

1. Der Antragsgegner greift mit seinem Rechtsmittel sowohl die Verwerfung der Berufung als unzulässig als auch die - in den Gründen des angefochtenen Beschlusses erfolgte - Zurückweisung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an.

2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts war dem Antragsgegner nach § 233 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung, daß die Partei die Berufungsfrist ohne ihr Verschulden nicht einhalten konnte. Das durch die Bedürftigkeit einer Partei begründete Unvermögen, einen Rechtanwalt mit der Einlegung des Rechtsmittels zu beauftragen, stellt grundsätzlich ein unverschuldetes Hindernis im Sinne dieser Vorschrift dar. Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einer Partei nach Ablehnung eines Prozeßkostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen mußte, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, daß sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe vor Ablauf der Rechtsmittelfrist genügend dargetan habe (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Februar 1996 - XII ZB 157/95 - FamRZ 1996, 933 , 934 m.N.). Davon geht auch das Berufungsgericht im Ansatz zu Recht aus. Seine Auffassung, die vorgenannten Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt, hält der rechtlichen Nachprüfung aber nicht stand.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Antragsgegner habe sich nicht mehr für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten dürfen, nachdem ihm bei gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen in dem Parallelverfahren (betreffend Trennungs- und Kindesunterhalt) mit Beschluß vom 19. Mai 1999, zugestellt am 25. Mai 1999, Prozeßkostenhilfe mangels Bedürftigkeit verweigert worden sei. Er habe nach Zugang dieses Beschlusses hinreichend Zeit gehabt, innerhalb der Berufungsfrist zu überlegen, ob er trotz dieser Einschätzung seiner Bedürftigkeit Berufung einlegen wolle.

In dem vorgenannten Beschluß war dem Antragsgegner Prozeßkostenhilfe mit der Begründung verweigert worden, das in der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angeführte Bausparguthaben reiche bei weitem aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken. In dem Parallelverfahren hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 7. Juni 1999, eingegangen am 9. Juni 1999, Gegenvorstellung gegen die Prozeßkostenhilfeverweigerung erhoben und u.a. ausgeführt, das Bausparguthaben sei an einen Darlehensgläubiger abgetreten. Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsgegner bereits in seinem Prozeßkostenhilfeantrag entsprechende Angaben gemacht. Auch wenn die Abtretung dem Berufungsgericht gegenüber nicht belegt worden ist, rechtfertigt das nicht die Annahme, der Antragsgegner habe deshalb mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe rechnen müssen. Da aufgrund des im Beschwerdeverfahren eingereichten Belegs von der Abtretung des Bausparguthabens auszugehen ist, durfte der Antragsgegner annehmen, daß dieses der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht entgegenstehen würde. Er durfte darüber hinaus der Auffassung sein, die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hinreichend dargetan zu haben. Denn die Verfügung des Oberlandesgerichts, durch die ihm im Rahmen des Prozeßkostenhilfeverfahrens die Beibringung weiterer Unterlagen aufgegeben worden war, verhielt sich nicht zu einer Bestätigung der angegebenen Abtretung. Demgemäß ist dem Antragsgegner im vorliegenden Verfahren Prozeßkostenhilfe auch nicht wegen der Einsetzbarkeit des Bausparguthabens versagt worden, sondern mit der Begründung, er sei Eigentümer eines 1998 zu einem Neupreis von rund 29.000 DM erworbenen PKW; dieses Fahrzeug stelle kein Schonvermögen im Sinne des § 88 BSHG dar, da der Antragsgegner sich für die Fahrt zur Arbeit mit einem einfacheren Fahrzeug begnügen könne, so daß ihm zuzumuten sei, den neu erworbenen PKW zu veräußern und den Erlös teilweise zur Bestreitung der Prozeßkosten zu verwenden. Mit Rücksicht auf das Bausparguthaben und der dazu abgegebenen Erklärung brauchte der Antragsgegner danach nicht mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit zu rechnen.

Das war aber ebensowenig wegen des vorhandenen Fahrzeugs der Fall. Eine Partei, der in erster Instanz Prozeßkostenhilfe bewilligt wurde, darf nämlich grundsätzlich davon ausgehen, daß bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen auch in zweiter Instanz ihre Bedürftigkeit bejaht wird (Senatsbeschluß vom 23. Februar 2000 - XII ZB 221/99 - NJW-RR 2000, 1387 ). Da der Antragsgegner den PKW auch in der dem Amtsgericht vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben hatte, ihm aber gleichwohl Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war, brauchte er insoweit ebensowenig mit einem seiner Bedürftigkeit entgegenstehenden Umstand zu rechnen.

Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 19.08.1999
Vorinstanz: AG Schwäbisch Gmünd, vom 23.04.1999