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BGH - Entscheidung vom 08.09.2005

2 BJs 57/04 - 8

Normen:
StGB § 129 Abs. 1 Abs. 5

BGH, Beschluß vom 08.09.2005 - Aktenzeichen 2 BJs 57/04 - 8 - Aktenzeichen AK 9/05

DRsp Nr. 2005/16678

Unterstützung durch eine bloße Zusage

Der Senat lässt offen, ob bereits die Zusage einer Beschaffung von Waffen sich positiv auf das Bestehen und die Aktionsmöglichkeiten einer terroristischen Vereinigung auswirken und damit zu deren Unterstützung führen können, auch wenn das Vorhaben später fehlgeschlagen ist.

Normenkette:

StGB § 129 Abs. 1 Abs. 5 ;

Gründe:

Der Beschuldigte wurde am 23. Januar 2005 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 24. Januar 2005 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs von diesem Tag (2 BGs 46/2005), ergänzt durch die Beschlüsse vom 25. Mai 2005 (2 BGs 195/2005 und 197/2005) ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, in elf Fällen gemeinschaftlich mit den Mitbeschuldigten K. und I. A. in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregte oder unterhielt, sowie in weiteren 23 Fällen eine solche Tat versucht zu haben (§ 263 Abs. 1 , § 25 Abs. 2 , §§ 22 , 23 StGB ).

a) Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand besteht der dringende Verdacht, dass der Beschuldigte in Deutschland spätestens im Sommer 2004 mit dem Mitbeschuldigten K. übereinkam, durch die Begehung von Betrugstaten zum Nachteil von Lebensversicherungsgesellschaften hohe Geldsummen dadurch zu erlangen. Zu diesem Zweck sollte alsbald nach dem Abschluss von Verträgen ein tödlicher Verkehrsunfall des Beschuldigten in Ägypten vorgetäuscht werden. Alsdann sollten von den Mitbeschuldigten K. und I. A., dem Begünstigten der Verträge, die Versicherungssummen geltend gemacht werden; von dem Erlös sollte der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaeda ein Fünftel bis ein Drittel zukommen; in Verfolgung dieses Plans gelang den Beschuldigten der Abschluss von elf Lebensversicherungsverträgen mit einer Gesamtversicherungssumme von über 1,3 Millionen Euro. Mit Eingehung des Vertrages waren die Versicherungsgesellschaften geschädigt, weil sie dem Risiko ausgesetzt waren, innerhalb kurzer Zeit hohe Versicherungsleistungen auszahlen zu müssen, ohne dass dem eine adäquate Gegenleistung gegenüberstand (vgl. BGH StV 1985, 368 ). In 23 weiteren Fällen stellten die Beschuldigten Anträge auf Lebensversicherungen mit einer Gesamtversicherungssumme von mehr als 3 Millionen Euro, ohne dass es zu Vertragsabschlüssen kam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatvorwurfs wird im Übrigen auf die Gründe des Haftbefehls vom 24. Januar 2005 und der Beschlüsse vom 25. Mai 2005, wegen der Einzelheiten der Versicherungsverträge auf die Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts im Haftprüfungsverfahren vom 20. Juli 2005 Bezug genommen.

b) Der dringende Verdacht ergibt sich aus den Ergebnissen der durchgeführten Telekommunikations- und Wohnraumüberwachungen sowie aus den Bekundungen von Vertretern der Versicherungen und der Auswertung der Vertragsunterlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 24. Januar 2005 sowie auf die Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts im Haftprüfungsverfahren vom 20. Juli 2005 Bezug genommen. Die Angaben des Beschuldigten vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs und gegenüber dem Senat im Haftprüfungsverfahren sind nicht geeignet, den dringenden Tatverdacht zu beseitigen. Die Einlassung, der Beschuldigte habe selbst zusammen mit dem Mitbeschuldigten I. A. den Abschluss von Versicherungsverträgen geplant, um u. a. Geld für die Operation einer Tante und die Absicherung seiner Familie für den Fall seines in naher Zukunft erwarteten Todes zu beschaffen, der Mitbeschuldigte K. habe darüber nie Bescheid gewusst, ist in Ansehung der Gespräche zwischen den Beschuldigten und der Gesamtzahl erstrebter und abgeschlossener Versicherungsverträge nicht glaubhaft.

c) Die Ergebnisse der Überwachungsmaßnahmen sind auch insoweit verwertbar, als diese aufgrund des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes Rheinland-Pfalz ( POG RhPf) durchgeführt worden sind. Die Erkenntnisse dürfen hier nach § 100 d Abs. 6 Nr. 3 StPO100 f Abs. 2 StPO aF) zu Beweiszwecken im Strafverfahren verwendet werden, solange sie der Aufklärung einer Katalogtat nach § 100 c Abs. 2 StPO dienen.

Der Erlangung der Erkenntnisse nach § 29 Abs. 1 POG RhPf stehen durchgreifende Bedenken nicht entgegen. Die Vorschrift erlaubt die Datenerhebung nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und nicht zur "Vorsorge für die Verfolgung" (vgl. insoweit BVerfG, Urt. vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - zu § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SOG Nds). Die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die gesetzliche Ermächtigung zur Überwachung von Wohnraum zum Zweck der Strafverfolgung aufgestellt hat (BVerfG NJW 2004, 999 = NStZ 2004, 270 ), führen - übertragen auf die landesgesetzliche Regelung zur präventiven Wohnraumüberwachung - nicht zur Unverwertbarkeit der Erkenntnisse. Das Bundesverfassungsgericht hat §§ 100 c ff. StPO aF zwar als teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30. Juni 2005 einen verfassungsgemäßen Rechtszustand herzustellen, jedoch die weitere Anwendung der beanstandeten Normen unter Berücksichtigung des Schutzes der Menschenwürde und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bis zu diesem Zeitpunkt erlaubt (BVerfG NStZ 2004, 270 , 273). Es ist nicht ersichtlich, dass die hier durchgeführten Überwachungsmaßnahmen gegen diese einschränkenden Voraussetzungen verstoßen hätten.

Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob die genannten Anordnungsbeschlüsse durch die landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage in jeder Beziehung gedeckt waren, denn sie waren jedenfalls vertretbar (vgl. BGHSt 47, 362 ; BGHR POG -RhPf § 25 b Lausch-Eingriff 1). Insbesondere ist nicht zu besorgen, dass die Polizeibehörden in einer Situation, in der Tatsachen den Verdacht einer Straftat nach § 129 b StGB begründet haben, und in der Ziel der Maßnahmen die weitere Aufklärung des Sachverhalts zum Zweck der Strafverfolgung war, die polizeirechtlichen Anordnungen herbeigeführt haben, um so die engeren Voraussetzungen zu unterlaufen, die die Strafprozessordnung an die Durchführung repressiver Maßnahmen stellt.

Soweit Bedenken gegen den Beschluss des Landgerichts daraus abgeleitet werden könnten, dass dieser Beschluss entgegen § 29 Abs. 4 Satz 2 POG RhPf nicht befristet war, ist diese Frist jedenfalls dadurch eingehalten worden, dass rechtzeitig vor ihrem Ablauf der erforderliche gerichtliche Verlängerungsbeschluss erwirkt worden ist.

2. Es besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO . Der Beschuldigte hat auch für die Taten, für die der Senat derzeit den dringenden Tatverdacht bejaht, eine empfindliche Freiheitsstrafe zu erwarten, die Fluchtanreiz bietet. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO ).

3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor. Im Hinblick auf den besonderen Umfang und die besonderen Schwierigkeiten der Ermittlungen ist das Verfahren noch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die Ermittlungen zu den Versicherungsverträgen konnten erst im Juni 2005 zum Abschluss gebracht werden. Die umfangreichen Erkenntnisse aus der Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung mussten übersetzt und ausgewertet werden. Diese Umstände haben den Abschluss der Ermittlungen, der jetzt aber zeitnah zu erwarten ist, noch nicht zugelassen und rechtfertigen noch die Fortdauer der Untersuchungshaft.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zur Bedeutung der Sache und der für den Beschuldigten im Falle seiner Verurteilung zu erwartenden Strafe noch nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).

5. Der Senat kann, da die Untersuchungshaft des Beschuldigten bereits durch den dringenden Tatverdacht des Betrugs und versuchten Betrugs gerechtfertigt ist, offen lassen, ob gegen den Beschuldigten auch ein Tatverdacht auf Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129 b Abs. 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 , Abs. 5 StGB ) besteht.

Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ist allerdings davon auszugehen, dass es sich bei Al Qaeda um eine ausländische terroristische Vereinigung handelt, die ihr Ziel, im Wege des gewaltsamen Jihad (Heiliger Krieg) einen islamischen Gottesstaat zu errichten, durch die Begehung von Terrorakten - darunter auch Bombenanschläge - verfolgt, die von Mitgliedern der Al Qaeda selbst begangen werden, oder deren Täter dabei von diesen Mitgliedern unterstützt werden. Es besteht auch ein dringender Verdacht, dass der Mitbeschuldigte K. ein Mitglied dieser Vereinigung ist, und die Betrugstaten dazu dienten, Geld zu beschaffen, welches zumindest teilweise der Al Qaeda zufließen sollte.

Gegen Annahme vollendeter Unterstützung auf der Basis der bisherigen Ermittlungen könnten indes Bedenken bestehen, weil es noch nicht zu einer Auszahlung von Geld gekommen ist und sich eine unterstützende Tätigkeit des Beschuldigten für die Vereinigung auf die Zusage beschränkte, von der erwarteten Beute einen Teil an die Vereinigung weiterzugeben.

Allerdings hat der Senat in einer früheren Entscheidung (BGHR StGB § 129 a Abs. 3 Unterstützen 4) für eine vergleichbare Konstellation die Auffassung vertreten, bereits die Zusage einer Beschaffung von Waffen könne sich positiv auf das Bestehen und die Aktionsmöglichkeiten einer terroristischen Vereinigung auswirken und damit zu deren Unterstützung führen, auch wenn das Vorhaben später fehlgeschlagen ist. Diese Entscheidung könnte indes nach vorläufiger erneuter Beurteilung der Rechtsfrage - auch mit Blick darauf, dass der Versuch einer Tat nach § 129 a Abs. 5 StGB nicht strafbar ist - den Bereich der Vollendung des Delikts zu weit nach vorne verlagert haben (vgl. Rudolphi in SK- StGB § 129 Rdn. 17).

Der Senat sieht Anlass zu dem Hinweis, dass sich das Handeln des Beschuldigten möglicherweise als mitgliedschaftliche Betätigung darstellen könnte. Dies setzt - ausgehend von der Aufgabenstellung des Mitbeschuldigten K., in Deutschland Mitglieder für Al Qaeda zu werben - eine Neubewertung des Beweismaterials voraus, die dem Senat im Haftprüfungsverfahren schwer möglich und im Hinblick darauf, dass die Untersuchungshaft zur Zeit noch durch den übrigen Tatvorwurf gerechtfertigt ist, auch nicht geboten war.