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BGH - Entscheidung vom 25.07.2005

II ZR 377/03

Normen:
BGB § 280 § 241 Abs. 2 § 311 Abs. 2 (n.F.)
KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 § 32 Abs. 1 S. 1

BGH, Urteil vom 25.07.2005 - Aktenzeichen II ZR 377/03

DRsp Nr. 2005/12211

Rückgewähr der Einlage eines stillen Gesellschafters bei Fehlerhaftigkeit des Gesellschaftsbeitritts; Umfang der Aufklärungspflicht über Nachteile und Risiken einer Kapitalanlage

a) Auf eine stille Gesellschaft sind die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anwendbar. Diese Grundsätze stehen einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage aber nicht entgegen, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters verpflichtet ist, diesen im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage nicht geleistet (Bestätigung von BGH, Urt. v. 19. Juli und 29. November 2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706 und II ZR 6/03, ZIP 2005, 254 ).b) Über die Nachteile und Risiken eines angebotenen Kapitalanlagemodells muß der Anlageinteressent zutreffend und vollständig aufgeklärt werden. Dazu gehört auch, daß ihm rechtliche Bedenken gegen die Durchführbarkeit des Modells mitgeteilt werden, die durch eine Gesetzesänderung entstanden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Rechtslage insoweit tatsächlich geändert hat. Entscheidend ist, ob mit entsprechenden Prozeßrisiken gerechnet werden muß.

Normenkette:

BGB § 280 § 241 Abs. 2 § 311 Abs. 2 (n.F.) ; KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 § 32 Abs. 1 S. 1 ;

Tatbestand:

Die beklagte Aktiengesellschaft beschäftigt sich u.a. mit dem Erwerb, der Verwaltung und der Verwertung von Immobilien und anderen Anlageobjekten. Die Klägerin beteiligte sich mit Erklärung vom 29. Dezember 1998 als stille Gesellschafterin an dem Unternehmenssegment VII der Beklagten. Ihre Einlage hatte sie in Höhe von 10.500,00 DM sofort und in Höhe weiterer 63.000,00 DM in monatlichen Raten zu je 210,00 DM über 25 Jahre zu zahlen. Am Ende der Laufzeit sollte das Auseinandersetzungsguthaben über einen Zeitraum von 15 Jahren in monatlichen Raten ausgezahlt werden.

Im Oktober 1999 untersagte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen der Beklagten, die Auseinandersetzungsguthaben ihrer stillen Gesellschafter in Raten auszuzahlen, weil das nach der Auffassung des Amtes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG verstößt. In dem daraufhin geführten verwaltungsgerichtlichen Prozeß verpflichtete sich die Beklagte vergleichsweise, die Auseinandersetzungsguthaben in jeweils einer Summe auszuzahlen.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2002 kündigte die Klägerin den Gesellschaftsvertrag wegen des Wegfalls der ratierlichen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens und verlangte von der Beklagten die Rückzahlung ihrer geleisteten Einlage in Höhe von 7.569,67 EUR.

Mit der Klage verlangt sie die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung dieses Betrages, hilfsweise zur Erteilung einer Auskunft über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens zum 31. Dezember 2000 und Zahlung des sich daraus ergebenden Betrages. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist überwiegend begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit die Klage in Höhe von 6.895,02 EUR nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

I. Das Berufungsgericht hat gemeint, nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft könne die Klägerin selbst dann nicht die Rückzahlung ihrer Einlage verlangen, wenn die in dem Gesellschaftsvertrag vereinbarte ratierliche Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens tatsächlich gegen § 32 KWG verstoße, und dieser Umstand sei auch kein Grund für eine Kündigung des Gesellschaftsvertrages, weil es der Klägerin zumutbar sei, das Auseinandersetzungsguthaben statt in Raten in einer Summe ausgezahlt zu bekommen.

II. Dem kann nicht gefolgt werden. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. März 2005 ( II ZR 149/03, ZIP 2005, 763 ) im einzelnen ausgeführt hat, besteht unabhängig von den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft ein Schadensersatzanspruch des stillen Gesellschafters gegen die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsschluß, wenn der Gesellschaftsvertrag nach Inkrafttreten der 6. KWG -Novelle am 1. Januar 1998 geschlossen worden ist und die Beklagte den Anleger nicht darauf hingewiesen hat, daß die bankrechtliche Zulässigkeit einer ratenweisen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens aufgrund der Änderung des Kreditwesengesetzes durch die 6. KWG -Novelle zweifelhaft geworden ist.

Diese Voraussetzungen sind nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien erfüllt. Der Gesellschaftsvertrag ist aufgrund der Erklärung der Klägerin vom 29. Dezember 1998 geschlossen worden, also nach dem Inkrafttreten der 6. KWG -Novelle. Daß die Beklagte die Klägerin über die rechtlichen Risiken der Ratenzahlungsvereinbarung aufgeklärt hätte, was nach dem Vortrag der Parteien fernliegend erscheint, ist von dem Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft worden.

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Aufklärung, ist die Beklagte verpflichtet, die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie den Vertrag nicht geschlossen hätte. Sie hätte dann keine Einlage an die Beklagte gezahlt. Die Einlage ist daher ggf. an sie zurückzuzahlen. Daß der Klägerin trotz der Rückabwicklung Steuervorteile verbleiben könnten, die im Wege des Vorteilsausgleichs auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen wären, ist von der Beklagten nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat auf die Einlage insgesamt 14.805,00 DM = 7.569,68 EUR gezahlt. Sie muß sich allerdings ihre Entnahmen anrechnen lassen, da sie im Ergebnis nicht besser stehen darf, als sie ohne den Vertragsschluß stehen würde. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten hat die Klägerin Entnahmen in Höhe von 674,66 EUR erhalten. Damit beläuft sich ihr ersatzfähiger Schaden auf 6.895,02 EUR.

III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen - ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien - getroffen werden können.

Vorinstanz: OLG Braunschweig, vom 19.11.2003