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BGH - Entscheidung vom 25.10.2005

1 StR 416/05

Normen:
StPO § 302 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 25.10.2005 - Aktenzeichen 1 StR 416/05

DRsp Nr. 2006/25

Rechtsmittelverzicht bei sprachlichen Verständigungsproblemen

Sprachliche Verständigungsprobleme können die Wirksamkeit eines von dem Angeklagten abgegebenen Rechtsmittelverzichtes im Einzelfall in Frage stellen.

Normenkette:

StPO § 302 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten am 14. Juli 2005 wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Erkenntnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten sowie seine Anträge auf Wiedereinsetzung in die Revisionseinlegungsfrist und auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist bleiben ohne Erfolg.

1. Dem Urteil des Landgerichts war eine Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung mit dem Ziel einer Verfahrensbeendigung vorausgegangen. Im Anschluss an die Urteilsverkündung erklärten der Verteidiger des Angeklagten sowie der Angeklagte selbst den Verzicht auf die Einlegung von Rechtsmitteln.

Der Angeklagte hat am 28. Juli 2005 Revision gegen das Urteil eingelegt. Er behauptet, dass er die zum Rechtsmittelverzicht führenden Erörterungen nicht verstanden und sein Verteidiger die Verzichtserklärung gegen seinen Willen abgegeben habe. Mit Schriftsatz vom 12. August 2005 hat er beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist und gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages zu gewähren.

2. Die Revision ist unzulässig, weil der Angeklagte auf Rechtsmittel verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO ). Ein Rechtsmittelverzicht kann grundsätzlich nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden (BGHSt 45, 51 , 53; BGH NStZ 1999, 526 ; NJW 1984, 1974 ; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl., § 302 Rdn. 21).

Zweifel an der Wirksamkeit der Verzichtserklärung des Angeklagten bestehen nicht. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Rechtsmittelverzicht Gegenstand der Verfahrensabsprache mit der Strafkammer gewesen ist oder anderweitig auf ihn hingewirkt wurde. Der Angeklagte ist nach Verkündung des angefochtenen Urteils - entsprechend der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 3. März 2005 (NJW 2005, 1440 ) - darüber belehrt worden, dass es ihm ungeachtet der getroffenen Absprache frei stehe, Rechtsmittel einzulegen.

Sprachliche Verständigungsprobleme können die Wirksamkeit eines von dem Angeklagten abgegebenen Rechtsmittelverzichtes zwar im Einzelfall in Frage stellen (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 214 ); solche sind aber vorliegend nicht erkennbar. Ausweislich des Protokolls hat der Angeklagte den Rechtsmittelverzicht nach Rücksprache mit seinem Verteidiger erklärt; die Erklärung wurde vorgelesen und genehmigt. Dem türkischen Angeklagten stand hierbei ein Dolmetscher zur Seite. Dass eine Verständigung gleichwohl nicht möglich gewesen sei, wird durch die dienstlichen Erklärungen der Richter und des Sitzungsstaatsanwaltes sowie durch die Stellungnahmen des Instanzverteidigers und des Dolmetschers widerlegt.

3. Damit bleibt auch für die Wiedereinsetzungsanträge des Angeklagten kein Raum. Eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision scheidet aus, weil der Angeklagte nach wirksam erklärtem Rechtsmittelverzicht bewusst von einem befristeten Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht hat und deshalb nicht im Sinne von § 44 Satz 1 StPO verhindert war, eine Frist einzuhalten (BGH NStZ 2001, 160 ; BGHR StPO § 44 Anwendungsbereich 2; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl., § 44 Rdn. 5). Im Übrigen ist auch die Behauptung des Angeklagten, er sei über die Länge der Revisioneinlegungsfrist fehlerhaft belehrt worden, durch die vorerwähnten Stellungnahmen widerlegt.

Vorinstanz: LG Augsburg, vom 14.07.2005