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BGH - Entscheidung vom 15.02.2005

5 StR 536/04

Normen:
StPO § 261

Fundstellen:
NStZ 2005, 395
wistra 2005, 268

BGH, Urteil vom 15.02.2005 - Aktenzeichen 5 StR 536/04

DRsp Nr. 2005/3293

Mitteilung des Ergebnisses einer "Zwischenberatung" des Gerichts zur Strafhöhe

Es ist nicht grundsätzlich unzulässig, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten das Ergebnis einer Zwischenberatung über die Strafhöhe mitteilt (hier: dass es im Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze von sieben Jahren Gesamtfreiheitsstrafen nicht ohne einen entsprechenden Hinweis überschreiten werde).

Normenkette:

StPO § 261 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in drei Fällen und wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Juli 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie die Anrechnung von in Spanien erlittener Auslieferungshaft in differenziertem Maßstab angeordnet. Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft rügt die "Verletzung materiellen Rechts" und beanstandet - in die Ausführungen hierzu eingestreut - die Verfahrensweise der Strafkammer. Die Revision, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat keinen Erfolg.

I. 1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte betrog in den Jahren 1998 und 1999 gemeinschaftlich mit jeweils fünf bis sechs Mittätern unter Vorlage gefälschter Verträge und Finanzierungsbestätigungen sowie unter Vorspiegelung geplanter Bauvorhaben zwei Baufirmen um jeweils 2,9 Mio. DM. In einem weiteren Fall scheiterte ein entsprechender Betrugsversuch am Abbruch der Verhandlungen durch die getäuschte Baufirma. Mit vier Mittätern erreichte der Angeklagte im Sommer 1999 zudem unter Vorlage falscher Urkunden über angeblich bestehende Sicherheiten die Auszahlung von Kreditmitteln in Höhe von ca. 8,8 Mio. DM durch eine Bank, wovon sich der Angeklagte mit drei anderen Mittätern ca. 800.000 DM teilte. Durch diese Straftaten wollte sich der Angeklagte ein regelmäßiges Einkommen von einiger Dauer und erheblichem Umfang schaffen. Das Landgericht hat für diese vier Taten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren für die beiden Fälle des vollendeten Betruges gegenüber den Baufirmen und von einem Jahr für den Fall des versuchten Betruges sowie von zwei Jahren und sechs Monaten für den Fall des Betruges zum Nachteil der Bank verhängt.

Zwischen 1999 und 2001 erlangte der Angeklagte zudem mit verschiedenen Mittätern durch betrügerische Kreditvermittlungsunternehmen von 16.540 Geschädigten Beträge von insgesamt über 7 Mio. DM. Für diese Taten wurde er vom Landgericht Berlin am 30. Juli 2003 wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt; die nach Auflösung dieser Gesamtstrafe in die hiesige Gesamtfreiheitsstrafe einbezogenen Einzelfreiheitsstrafen betragen drei Jahre und zehn Monate, vier Jahre sowie vier Jahre und drei Monate.

2. Aus dem von der Revision mitgeteilten Protokoll der Hauptverhandlung ergibt sich folgende Verfahrensweise des Landgerichts:

Der Vorsitzende der Strafkammer hat am ersten Verhandlungstag zu Beginn der Hauptverhandlung nach Verlesung der Anklageschrift und Belehrung des Angeklagten sowie vor dessen Anhörung zur Sache folgende Erklärung abgegeben: In Vorgesprächen sei von der Strafkammer den Verteidigern des Angeklagten gegenüber zum Ausdruck gebracht worden, daß im Falle eines Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für die angeklagten Taten sowie unter Berücksichtigung der einzubeziehenden Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Juli 2003 eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren nicht überschritten werde, ohne daß dies dem Angeklagten zuvor ausdrücklich mitgeteilt werden würde. Diese Strafmaßvorstellungen seien mit allen Mitgliedern der Strafkammer erörtert worden und würden von ihnen geteilt. Nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft daraufhin erklärt hatte, diese Strafobergrenzen seien nicht Gegenstand einer Absprache mit der Staatsanwaltschaft gewesen, und die Verteidigerin darauf hingewiesen hatte, mit ihr sei keine Absprache getroffen worden, hat der Vorsitzende der Strafkammer geäußert, er habe nicht erklärt, daß mit der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigerin eine Absprache getroffen worden sei.

II. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Staatsanwaltschaft mit ihrem

- in die Begründung der Sachrüge eingestreuten - Vortrag zum Verfahrensgeschehen überhaupt eine Verfahrensrüge wirksam erhoben hat. Eine solche wäre zumindest unbegründet.

a) Allerdings kann die unter Übergehung der Staatsanwaltschaft erfolgende Zusicherung einer Strafobergrenze beim Vorliegen weiterer Umstände die Besorgnis der Befangenheit gegenüber den beteiligten Richtern begründen (vgl. BGHSt 45, 312 , 315 ff.; BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren Vereinbarung 15). Ein Befangenheitsgesuch hat die Staatsanwaltschaft indes nicht angebracht.

b) Auch unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Versagung rechtlichen Gehörs (§§ 33 , 261 StPO ; vgl. BGHSt 42, 46 ) wäre die Beanstandung erfolglos, weil eine "Absprache" zwischen Gericht und Verteidigung nicht stattgefunden hat. Das Landgericht hat lediglich als Ergebnis einer Zwischenberatung mitgeteilt, daß es im Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze von sieben Jahren Gesamtfreiheitsstrafen nicht ohne einen entsprechenden Hinweis überschreiten werde. Dies ist nicht grundsätzlich unzulässig (BGHSt 42, 46 ; 43, 195, 207; vgl. auch BGHSt 38, 102 , 104 f., zum Fall einer "Absprache").

2. Der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Überprüfung stand.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn der Tatrichter gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängten Strafen nach oben oder unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 34, 345 , 349; BGH wistra 2002, 137 ).

b) Solche durchgreifenden Rechtsfehler zeigt auch die Beschwerdeführerin nicht auf.

Zwar sind die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts im Fall des Betrugsversuchs insoweit mißverständlich, als einerseits auch für diesen Fall zutreffend der Strafrahmen des tateinheitlich verwirklichten vollendeten § 267 Abs. 4 StGB zugrunde gelegt wird (UA S. 31), während es an anderer Stelle heißt, daß der Strafrahmen aufgrund Versuchs gemäß § 23 Abs. 2 , § 49 Abs. 1 StGB gemildert werde (UA S. 33). Das Landgericht hat sich bei der Festsetzung dieser Einzelstrafe, die innerhalb des durch § 267 Abs. 4 StGB eröffneten Strafrahmens liegt, ersichtlich von der Erwägung leiten lassen, daß - anders als in den übrigen Fällen - kein Schaden eingetreten ist, zumal da die festgestellten Urkundenfälschungen in diesem Fall nicht von besonderem Gewicht waren. Danach kann der Senat - mit dem Generalbundesanwalt - ausschließen, daß das Landgericht für diese Tat bei Vermeidung der an zweiter Stelle stehenden Erwägung eine höhere Einzelstrafe festgesetzt hätte.

c) Die äußerste Milde, die der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe zugrunde liegt, begründet noch keinen Rechtsfehler.

3. Die Überprüfung des Urteils nach § 301 StPO hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 14.06.2004
Fundstellen
NStZ 2005, 395
wistra 2005, 268