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BGH - Entscheidung vom 06.10.2005

3 StR 319/05

Normen:
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 2 Nr. 2

Fundstellen:
NStZ-RR 2006, 12

BGH, Urteil vom 06.10.2005 - Aktenzeichen 3 StR 319/05

DRsp Nr. 2005/18353

Messer als Waffe oder als gefährliches Werkzeug

Ein Messer ist je nach seiner Beschaffenheit entweder eine Waffe nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG oder ein gefährliches Werkzeug.

Normenkette:

StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 a , Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung - bei B. und G. in zwei Fällen und bei K. in einem Fall - schuldig gesprochen. Es hat deswegen gegen B. unter Einbeziehung weiterer Urteile eine Einheitsjugendstrafe von vier Jahren, gegen K. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, und gegen G. unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die Staatsanwaltschaft hat - beschränkt auf den Fall II. 2 der Urteilsgründe - Revision eingelegt und erstrebt insoweit eine Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Sie hat Erfolg.

1. Nach den Feststellungen der Jugendkammer zu Fall II. 2 der Urteilsgründe hatten sich die Angeklagten entschlossen, den Wohnungsnachbarn des Angeklagten K., den Zeugen V., zu erpressen. Sie lockten ihn in die Wohnung von K., versetzten ihm einen Faustschlag und forderten einen Geldbetrag von 270 EUR. Als V. ihnen klargemacht hatte, dass er einen solchen Betrag nicht bei sich habe, schlugen und traten sie nach einem ersten Fluchtversuch weiter auf ihn ein. Um zu entkommen, schlug V. ihnen vor, zur Bank zu gehen und Geld zu holen, wobei er dort auf Hilfe hoffte. Der Angeklagte B. öffnete daraufhin ein - ohne Kenntnis seiner Mittäter mitgeführtes - Klappmesser, hielt es ihm vor und drohte, ein Ohr abzuschneiden, um einen erneuten Fluchtversuch zu verhindern. Die Angeklagten vereinbarten, dass B., der das Messer zwischenzeitlich wieder eingesteckt hatte, V. zur Bank begleiten sollte. Beim Verlassen des Hauses bat dieser Passanten um Hilfe, die ihm geleistet wurde.

Die Jugendkammer hat die Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Verwendung eines Messers abgelehnt, weil die Drohung nicht auf die erstrebte Vermögensverfügung, sondern lediglich auf die Verhinderung eines weiteren Fluchtversuches gerichtet gewesen sei. Im Übrigen hätte nicht festgestellt werden können, dass die Angeklagten K. und G. Kenntnis von dem mitgeführten Messer gehabt und dessen Einsatz gebilligt hätten.

2. Diese Bewertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand:

a) Die Jugendkammer hat lediglich geprüft, ob eine versuchte besonders schwere räuberische Erpressung nach §§ 253 , 255 , 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gegeben ist und - mit unzureichender Begründung (siehe unten) - verneint. Dabei hat sie übersehen, dass nach ihren Feststellungen unabhängig von der Frage einer finalen Verknüpfung des Messereinsatzes mit dem Erpressungsvorhaben jedenfalls die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB erfüllt gewesen wären, weil der Angeklagte B. ein Messer bei sich geführt hatte. Dieses ist je nach seiner Beschaffenheit entweder eine Waffe nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG oder ein gefährliches Werkzeug (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 244 Rdn. 7 a m. w. N.).

b) Weiterhin hat das Landgericht nicht bedacht, dass die Verhinderung eines weiteren Fluchtversuchs nach Sachlage die Bemächtigungslage aufrechterhalten und die erfolgreiche Durchführung der Erpressung durch Abholung des Geldbetrages bei der Bank sicherstellen sollte. Darüber hinaus hätte die Jugendkammer die ausgesprochen nahe liegende Möglichkeit erörtern müssen, dass die Drohung mit dem Messer auch dazu dienen sollte, den Geschädigten nachdrücklich aufzufordern, sein Versprechen einzuhalten, zur Bank zu gehen, Geld abzuheben und ihnen auszuhändigen.

c) Schließlich fehlt auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Angeklagten K. und G. durch ihr späteres Verhalten den Messereinsatz ihres Mittäters billigten. Sie haben in Kenntnis der Bedrohung mit diesem vereinbart, das Angebot des Geschädigten anzunehmen und damit das Erpressungsvorhaben fortzusetzen. Sie haben ferner mit dem Angeklagten B. denjenigen unter ihnen, der das Messer eingesetzt und immer noch bei sich hatte, mit der Begleitung und der Sicherstellung des erfolgreichen Abschlusses der Straftat beauftragt. Es liegt mehr als nahe, dass damit die Angeklagten K. und G. ihr Einverständnis mit dem Vorgehen von B. zum Ausdruck gebracht und sich die durch den Messereinsatz geschaffene massive Einschüchterung des Geschädigten zunutze gemacht haben (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 9 ).

3. Für die neue Hauptverhandlung gibt der Senat folgende Hinweise:

a) Der Generalbundesanwalt hat zu Recht ausgeführt, dass das Vorliegen eines vollendeten erpresserischen Menschenraubs nach § 239 a Abs. 1 StGB zu prüfen sein wird (vgl. BGH NStZ 2003, 604 ).

b) Bei der Bildung einer Einheitsjugendstrafe für den zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten B. hat die Jugendkammer nur das Urteil des Amtsgerichts Elmshorn vom 10. August 2004 einbezogen, in das jedoch bereits zwei weitere Urteile einbezogen waren. Bei dieser Sachlage müssen nach § 31 Abs. 2 JGG sämtliche Entscheidungen erneut einbezogen und im Urteilstenor entsprechend gekennzeichnet werden. Darüber hinaus ist für die jetzt und früher abgeurteilten Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung eine neue, selbständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung erforderlich (st. Rspr., vgl. BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7).

Dagegen richtet sich die Gesamtstrafe für den erwachsenen Angeklagten G. nach den §§ 55 , 53 StGB . Danach ist nicht das frühere Urteil, sondern es sind nur die darin ausgesprochenen Strafen einzubeziehen (Tröndle/Fischer aaO. § 55 Rdn. 38).

c) Bei der Fassung der Urteilsformel ist die Angabe mittäterschaftlicher Begehung ("gemeinschaftlich") entbehrlich und sollte aus Gründen der Übersichtlichkeit unterbleiben (Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 260 Rdn. 24).

Vorinstanz: LG Itzehoe, vom 19.04.2005
Fundstellen
NStZ-RR 2006, 12