Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 14.02.2005

II ZR 361/02

Normen:
AktG § 302

Fundstellen:
AG 2005, 397
BB 2005, 1104
BGHReport 2005, 916
DB 2005, 937
DStR 2005, 707
DStR 2005, 750
GmbHR 2004, 628
NZG 2005, 481
WM 2005, 745
ZIP 2005, 854

BGH, Urteil vom 14.02.2005 - Aktenzeichen II ZR 361/02

DRsp Nr. 2005/5692

Höhe des vom herrschenden Unternehmen geschuldeten Ausgleichs

»Die Höhe des vom herrschenden Unternehmen geschuldeten Ausgleichs nach § 302 AktG wird - unabhängig von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Bilanzfeststellung - durch den sich bei objektiv ordnungsgemäßer Bilanzierung zum Bilanzstichtag ergebenden (fiktiven) Jahresfehlbetrag bestimmt (Bestätigung von BGHZ 142, 382).«

Normenkette:

AktG § 302 ;

Tatbestand:

Die Klägerin macht - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - aus abgetretenem Recht der F. Industrie- und Handelsbeteiligungsgesellschaft mbH (nachfolgend: F.) Ansprüche auf Verlustausgleich in Höhe von 8.920.000,00 DM für das Geschäftsjahr 1995 aufgrund eines am 23. Dezember 1992 geschlossenen Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrags geltend. Organträgerin war die seinerzeit als Kommanditgesellschaft geführte Beklagte zu 1, deren Komplementärin damals die Beklagte zu 2 war. Der Unternehmensvertrag wurde zum 31. Dezember 1995 beendet. Über das Vermögen der F. wurde am 8. Dezember 1997 das Konkursverfahren eröffnet; der Konkursverwalter hat der Klägerin sämtliche Ansprüche abgetreten.

Nach der von den Gesellschaftern der F. im August 1996 festgestellten Jahresbilanz zum 31. Dezember 1995 ergab sich - im Gegensatz zu den Jahresabschlüssen des Vorjahres und des Folgejahres, die jeweils Fehlbeträge von mehreren Millionen DM aufwiesen - ein Jahresüberschuß von 1,107 Mio. DM; der Abschlußprüfer hatte jedoch der Bilanz im Hinblick darauf, daß die Werthaltigkeit der - durch die F. von der Klägerin im Jahre 1991 erworbenen - Alleinbeteiligung an der P. GmbH (nachfolgend: P.) sowie einer weiteren Unternehmensbeteiligung nicht abschließend beurteilt werden konnte, nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Die daraufhin vom Konkursverwalter veranlaßte Nachprüfung der R. Treuhand GmbH vom 7. Mai 1999 ergab eine Korrektur auf einen Jahresfehlbetrag von 16.841.523,04 DM, ein weiterer Nachprüfungsbericht derselben Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 10. Mai 2000 gelangte aufgrund weiterer für erforderlich gehaltener Korrekturen zu einem Fehlbetrag von 31.837.172,04 DM. Einen wesentlichen Korrekturpunkt sah die Prüfungsgesellschaft u.a. darin, daß F. gemäß § 5 Nr. 2 des Anteilserwerbsvertrages aus dem Jahre 1991 hinsichtlich der P. verpflichtet war, über die Verwendung der bei dem Beteiligungsunternehmen gebildeten Altlastenrückstellung von 24 Mio. DM per 31. Dezember 1995 abzurechnen und 75 % der nicht verwendeten Rückstellungen bis spätestens 30. Juni 1996 an die Klägerin als Verkäuferin zu zahlen; im Hinblick darauf hielt die R. Treuhand GmbH eine zusätzliche Passivierung von 17.949.000,00 DM als Rückstellung gemäß § 249 Abs. 1 HGB bei der F. schon zum 31. Dezember 1995 für erforderlich, zumal ein erst am 22. Dezember 1995 mit einer 90 %-igen Tochtergesellschaft der F. abgeschlossener langfristiger Sanierungsvertrag hinsichtlich der Altlasten mit einem Vergütungsvolumen von 22,5 Mio. DM wegen sich schon zuvor abzeichnender Insolvenz der P. im Jahre 1996 und einer bilanziellen Überschuldung des vorgesehenen Sanierungsunternehmens von ca. 4,3 Mio. DM in dem betreffenden Zeitraum nicht zur Durchführung gelangte. Als korrekturbedürftig sah der zweite Prüfungsbericht die festgestellte Bilanz auch hinsichtlich der Aktivierung des Geschäftsanteils der F. an der P. mit 8.928.000,00 DM an: unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips habe diese Beteiligung der F. im Hinblick auf die bereits im Jahre 1995 bestehende desolate bilanzielle und wirtschaftliche Situation der P. schon zum 31. Dezember 1995 und nicht erst - wie geschehen - zum Schluß des Folgejahres auf den Erinnerungswert von 1,00 DM abgeschrieben werden müssen.

Die Klägerin hat sich den Inhalt der beiden Prüfungsberichte zu eigen gemacht und unter Beweisantritt - Sachverständigengutachten sowie sachverständiges Zeugnis des Wirtschaftsprüfers K. - mit der Klage die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Verlustausgleichs von 20.354.166,47 DM begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin nur noch einen Teilanspruch in Höhe von 8.920.000,00 DM weiter, den sie im wesentlichen darauf stützt, daß der in der festgestellten Bilanz mit 8.928.000,00 DM aktivierte Geschäftsanteil der F. an der P. auf 1,00 DM zu berichtigen sei.

Während des Berufungsverfahrens haben die Gesellschafter der Beklagten zu 1 am 29. Mai 2002 beschlossen, daß deren alleinige Komplementärin mit Ablauf des 30. Juni 2002 entschädigungslos aus der Gesellschaft ausscheidet, das Vermögen der KG der Beklagten zu 2 als deren alleiniger Kommanditistin anwächst und diese in alle Gesellschaftsverbindlichkeiten eintritt, und daß ferner die Gesellschaft ohne vorherige Liquidation voll beendigt sein soll.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt im zugelassenen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Klägerin stehe - aus abgetretenem Recht der F. - kein Verlustausgleichsanspruch aus dem Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag gegen die Beklagte zu 1 als frühere Organträgerin zu. Eine Nichtigkeit der von den Gesellschaftern der F. auf den 31. Dezember 1995 festgestellten Bilanz, die Voraussetzung für diesen Anspruch sei, könne selbst auf der Grundlage der Nachtragsprüfungsberichte der R. Treuhand GmbH vom 7. Mai 1999 und vom 10. Mai 2000 - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 142, 382) - nicht festgestellt werden. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Feststellung der Bilanz im August 1996 sei weder die Bildung von Rückstellungen wegen einer ungewissen Altlastenverbindlichkeit noch die Wertberichtigung der Beteiligung der F. an der P. auf 1,00 DM veranlaßt gewesen; auf die nachträgliche Sicht des Nachtragsprüfers komme es insoweit nicht an. Ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Höhe eines möglichen Verlustausgleichsanspruchs sei nicht einzuholen gewesen, da - was das Berufungsgericht aus eigener Sachkunde entscheiden könne - keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses vorgetragen seien.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II. Das Berufungsgericht hat - in Abweichung von der Senatsrechtsprechung (BGHZ 142, 382) - die Voraussetzungen für die Feststellung des von der Klägerin aus abgetretenem Recht geltend gemachten Anspruchs der F. gegen die Beklagte zu 1 auf Verlustausgleich gemäß § 302 AktG verkannt und infolgedessen auch die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin überspannt sowie deren taugliche Beweisantritte übergangen (§ 286 ZPO ).

1. Nach der Rechtsprechung des Senats entsteht der sich aus einem Unternehmensvertrag ergebende Anspruch auf Ausgleich eines Jahresfehlbetrages - unabhängig von der etwaigen Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Bilanzfeststellung - am Stichtag der Jahresbilanz der beherrschten Gesellschaft und wird mit seiner Entstehung fällig. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs wird nicht durch den festgestellten Jahresabschluß rechtsverbindlich festgelegt, sondern durch den zum Bilanzstichtag zutreffend ausgewiesenen Fehlbetrag bestimmt (BGHZ 142, 382).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts oblag danach der Klägerin für eine erfolgreiche Geltendmachung des Verlustausgleichsanspruchs gemäß § 302 AktG nicht der Nachweis der Nichtigkeit der noch von der F. auf den 31. Dezember 1995 festgestellten Bilanz. Vielmehr war von ihr (lediglich) der bei objektiv ordnungsgemäßer Bilanzierung sich ergebende Fehlbetrag für den Jahresabschluß 1995 zum Stichtag des 31. Dezember 1995 darzulegen und zu beweisen. Die Klägerin hat dementsprechend - entgegen der auf der unrichtigen Prämisse beruhenden Ansicht des Berufungsgerichts - ihrer Darlegungs- und Beweisantrittslast dadurch genügt, daß sie jedenfalls in der Berufungsschrift und im Schriftsatz vom 26. Februar 2002 sich nicht nur den Inhalt der Nachtragsprüfungsberichte der R. Treuhand GmbH zu den von der Bilanzfeststellung der F. abweichenden Bilanzansätzen zu eigen gemacht, sondern deren wesentlichen Inhalt auch detailliert dargestellt und durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie - ergänzend - durch sachverständiges Zeugnis des Berichtsverfassers K. unter Beweis gestellt hat.

Dies gilt hinsichtlich der Annahme des Nachtragsprüfers, nach dem Vorsichtsprinzip sei bereits für das Geschäftsjahr 1995 der Wert der Beteiligung der F. an der P. von ca. 8,92 Mio. DM auf einen Erinnerungswert von 1,00 DM zu berichtigen, aber auch für die von diesem für notwendig erachtete Passivierung von Rückstellungen bezüglich des drohenden Anspruchs der Klägerin auf Zahlung von 75 % der nicht verwendeten Sanierungsrückstellungen gemäß § 5 Nr. 2 des Anteilsveräußerungsvertrages.

Die auf der Verkennung des Umfangs der Darlegungslast beruhende Ablehnung der Erhebung des beantragten Sachverständigenbeweises für den hinreichend substantiiert vorgetragenen Fehlbetrag i.S. von § 302 AktG und die darauf gestützte Beweislastentscheidung zum Nachteil der Klägerin waren danach unzulässig (§ 286 ZPO ); sie stellten zugleich eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar.

III. Das die Klageabweisung bestätigende Berufungsurteil erweist sich auch nicht etwa in bezug auf die Beklagte zu 1 im Ergebnis als richtig, weil - wie von Beklagtenseite im Revisionsverfahren geltend gemacht wird - diese aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 29. Mai 2002 "inzwischen aufgelöst und das Vermögen auf die Beklagte zu 2 übergegangen ist". Das beschlossene Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der Beklagten zu 1 als zweigliedriger Personengesellschaft in Verbindung mit der zugleich vereinbarten Anwachsung des Gesellschaftsvermögens an die Beklagte zu 2 als Kommanditistin und deren Eintritt in alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft führte zwar zur liquidationslosen Vollbeendigung der Beklagten zu 1 unter gleichzeitiger Gesamtrechtsnachfolge der Beklagten zu 2 als einzig verbliebener Kommanditistin (vgl. dazu Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047 , 1048 m.w.Nachw.). Prozessual folgt daraus jedoch nicht die Klageabweisung gegenüber der Beklagten zu 1; vielmehr sind auf den Rechtsübergang während des Rechtsstreits die §§ 239 , 246 ZPO sinngemäß anzuwenden. Da die Beklagte zu 1 zur Zeit des Rechtsübergangs durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war und ein Aussetzungsantrag gemäß § 246 ZPO nicht gestellt worden ist, konnte der Rechtsstreit unter der bisherigen Parteibezeichnung mit Wirkung für die Beklagte zu 2 als Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu 1 fortgesetzt werden, wobei lediglich das Rubrum des Rechtsstreits entsprechend zu berichtigen ist (Senat aaO., S. 1048).

IV. Aufgrund der unter Nr. II aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung und Zurückverweisung, damit in der wiedereröffneten Berufungsinstanz nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 ZPO n.F.).

Vorinstanz: KG, vom 19.11.2002
Vorinstanz: LG Berlin, vom 15.02.2001
Fundstellen
AG 2005, 397
BB 2005, 1104
BGHReport 2005, 916
DB 2005, 937
DStR 2005, 707
DStR 2005, 750
GmbHR 2004, 628
NZG 2005, 481
WM 2005, 745
ZIP 2005, 854