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BGH - Entscheidung vom 01.06.2005

1 StR 100/05

Normen:
GVG § 24 Abs. 2 § 74 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 01.06.2005 - Aktenzeichen 1 StR 100/05

DRsp Nr. 2005/9586

Erstinstanzliche Verhandlung eines Berufungsgerichts; Überschreitung des Strafrahmens

1. Die Verhandlung eines Berufungsgerichts kann - bei Einhaltung der entsprechenden Vorschriften - als erstinstanzliche Verhandlung beurteilt werden.2. Dabei kommt es auf den Willen der Kammer, als Berufungskammer oder als erstinstanzliche Strafkammer tätig zu werden, nicht an.

Normenkette:

GVG § 24 Abs. 2 § 74 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO ).

Allerdings hat das Landgericht als Große Jugendkammer zwar eine Berufungshauptverhandlung durchführen wollen und deshalb den Urteilsspruch äußerlich wie in einem Berufungsurteil abgefaßt, jedoch dabei verkannt (vgl. UA S. 31), daß in diesem Fall der Großen Jugendkammer nur eine Strafgewalt von bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe zugestanden hätte (§ 24 Abs. 2 GVG ).

Das Verfahren und das Urteil des Landgerichts sind jedoch hier als erstinstanzlich zu beurteilen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen (vgl. BGHSt 21, 229 ; 23, 283; 31, 63; BGH NStZ-RR 1997, 229 ).

Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Auf den Willen der Kammer, als Berufungskammer oder als erstinstanzliche Strafkammer tätig zu werden, kommt es nicht an (BGH, Beschluss vom 23. April 1996 - 4 StR 142/96 = NStZ-RR 1997, 22 ). Das Verfahren entsprach den Anforderungen auch einer erstinstanzlichen Verhandlung. Die Große Jugendkammer hat in der Besetzung verhandelt, in der sie auch als erstinstanzliches Gericht hätte verhandeln können. Ein entsprechender Beschluss, wonach die Jugendkammer in der Hauptverhandlung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen besetzt sein sollte, wurde am 12. Mai 2004 gefasst (Bl. 254 d.A.).

Auch ansonsten sind die für das Verfahren erster Instanz geltenden Vorschriften in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht eingehalten worden. Zwar wurden in Anwendung des § 325 StPO Aussagen von in der Hauptverhandlung nicht erschienenen und zu dieser nicht geladenen Zeugen durch Verlesung eingeführt. Jedoch erfolgten diese Verlesungen jeweils in allseitigem Einverständnis. Damit wären sie auch nach dem für das Beweisverfahren erster Instanz geltenden § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO zulässig gewesen (vgl. BGHSt 31, 63 , 65). Das Urteil des Landgerichts Kempten vom 20. September 2004 ist mithin als erstinstanzliches Urteil anzusehen, eine Überschreitung des Strafrahmens liegt daher nicht vor."

Dem schließt sich der Senat an.

Vorinstanz: LG Kempten, vom 20.09.2004