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BGH - Entscheidung vom 14.07.2005

IX ZB 224/04

Normen:
ZPO § 116

Fundstellen:
BGHReport 2005, 1478
DZWIR 2005, 521
MDR 2006, 113
NJW-RR 2005, 1640
NZI 2005, 560
WM 2005, 1857
ZIP 2005, 1519
ZInsO 2005, 877

BGH, Beschluß vom 14.07.2005 - Aktenzeichen IX ZB 224/04

DRsp Nr. 2005/12436

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter über das Vermögen einer juristischen Person

»Wenn für eine juristische Person deren Insolvenzverwalter Prozeßkostenhilfe beantragt, ist nicht § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO , sondern Nr. 1 anzuwenden, unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter den Betrieb der juristischen Person liquidiert oder - vorerst - fortführt.«

Normenkette:

ZPO § 116 ;

Gründe:

I. Der Antragsteller ist Verwalter in dem am 1. Februar 2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH, deren Betrieb er vorläufig fortführte. Unter dem 1. und 4. September 2003 stellte er Warenlieferungen an die Antragsgegnerin zu 1 in Höhe von insgesamt 55.376,78 EUR in Rechnung. Eine Zahlung erfolgte nicht. Wenig später zeigte der Antragsteller bei dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an.

Für die von ihm beabsichtigte Kaufpreisklage hat der Antragsteller um die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nachgesucht. Das Landgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen (veröffentlicht in ZIP 2004, 2149 ). Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, das Insolvenzverfahren könne zwar auch dem Erhalt des Schuldner-Unternehmens dienen; dadurch dürfe das unternehmerische Risiko, auch berechtigte Forderungen nur mit Hilfe der staatlichen Gerichte durchsetzen zu können, jedoch nicht auf die Allgemeinheit, welche die Mittel für die Prozeßkostenhilfe zur Verfügung stelle, verlagert werden. Wenn ein Insolvenzverwalter ein Unternehmen weiterführe und somit wie ein normaler Kaufmann agiere, müsse er auch die üblichen kaufmännischen Maßnahmen ergreifen, insbesondere die bei gerichtlicher Inanspruchnahme notwendigen Mittel vorhalten. Die Vorschrift des § 1 InsO diene nicht dazu, den Insolvenzverwalter gegenüber anderen Mitbewerbern zu privilegieren.

2. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht haltbar.

a) Zwar hat eine juristische Person - etwa eine GmbH - nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung, wenn sie ihre Ziele, auch die prozessualen, aus eigener Kraft verfolgen kann (Amtl. Begründung, BT-Drucks. 8/3068, S. 26; BVerfGE 35, 348 , 356; Zöller/Philippi, ZPO 25. Aufl. § 116 Rn. 14). Auf das allgemeine Interesse an der Rechtsverfolgung (§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO ) kommt es jedoch nur solange an, als der "bestimmungsgemäße Betrieb" der juristischen Person andauert. Nach Insolvenzeröffnung ist dies grundsätzlich nicht mehr der Fall, so daß, wenn für die juristische Person deren Insolvenzverwalter Prozeßkostenhilfe beantragt, nicht § 116 Satz 1 Nr. 2 InsO , sondern Nr. 1 anzuwenden ist (Zöller/Philippi, aaO.; vgl. ferner BGH, Beschl. v. 27. September 1990 - IX ZR 250/89, NJW 1991, 40 , 41).

b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist es hierfür unerheblich, ob der Insolvenzverwalter den Betrieb liquidiert oder - vorerst - fortführt. Auch in dem zuletzt genannten Fall wird er nicht wie ein "normaler" Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr tätig. Die Betriebsfortführung dient vielmehr vorrangig dem Hauptziel des Insolvenzverfahrens, der bestmöglichen und gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger (MünchKomm-InsO/Ganter, § 1 Rn. 45, 85; HK-InsO/Kirchhof, InsO 3. Aufl. § 1 Rn. 3, 5). Die "reine Privatnützigkeit" der juristischen Person ist entfallen (vgl. BGH, Beschl. v. 27. September 1990 aaO.). Damit fehlt es an der vom Beschwerdegericht angesprochenen Privilegierung des Insolvenzverwalters gegenüber anderen Mitbewerbern.

III. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif. Sie muß vielmehr zurückverwiesen werden.

1. Da der Antragsteller Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, dürfte es zwar den Insolvenzgläubigern nicht zumutbar sein, die Verfahrenskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ). Denn die vorweg zu befriedigenden Masseforderungen sind höher als der Betrag, den der Antragsteller in dem beabsichtigten Prozeß erstreiten will. Für die Insolvenzgläubiger ist eine Verbesserung ihrer Quote somit nicht zu erwarten. Indes ist nicht auszuschließen, daß es für diejenigen Massegläubiger, die vom Ausgang des beabsichtigten Klageverfahrens profitieren können, zumutbar ist, die Prozeßkosten aufzubringen. Der Antragsteller, der mit seinem Vergütungsanspruch selbst der rangbeste Massegläubiger ist, hat dabei allerdings außer Betracht zu bleiben, weil er nicht als "wirtschaftlich Beteiligter" im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO angesehen werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 460/02, NZI 2004, 26 , 27). Zu den anderen Massegläubigern hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Dazu ist er auch nicht aufgefordert worden. Die Zurückverweisung gibt Gelegenheit, dies nachzuholen.

2. In der Beschwerdeinstanz ist der Frage, ob die beabsichtigte Klage Erfolgsaussicht hat und nicht mutwillig erscheint (§ 114 Satz 1 ZPO ), nicht nachgegangen worden. Dazu bestand für das Beschwerdegericht wegen seines abweichenden rechtlichen Ansatzes bisher auch keine Veranlassung. Auch insofern besteht Aufklärungsbedarf.

Hinweise:

Anmerkung Ulf Gundlach und Volkhard Frenzel DZWIR 2005, 521

Vorinstanz: OLG Celle, vom 24.08.2004
Vorinstanz: LG Hannover,
Fundstellen
BGHReport 2005, 1478
DZWIR 2005, 521
MDR 2006, 113
NJW-RR 2005, 1640
NZI 2005, 560
WM 2005, 1857
ZIP 2005, 1519
ZInsO 2005, 877