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BGH - Entscheidung vom 24.10.2005

II ZR 339/03

Normen:
ZPO § 263

Fundstellen:
BGHReport 2006, 256
NJW-RR 2006, 253
NZG 2006, 231
ZIP 2006, 778

BGH, Urteil vom 24.10.2005 - Aktenzeichen II ZR 339/03

DRsp Nr. 2005/21506

Begriff des Streitgegenstandes bei einer Schadensersatzklage; Berücksichtigung neuen Vorbringens zur haftungsausfüllenden Kausalität in der Berufungsinstanz

»Neuer Sachvortrag zur haftungsausfüllenden Kausalität ändert den Klagegrund jedenfalls solange nicht, wie er einzelne Posten des gleichen Schadens betrifft; innerhalb des identischen Schadens stellen die verschiedenen Berechnungsgrundlagen vielmehr lediglich unselbständige Faktoren eines einheitlichen Schadens und Ersatzanspruchs dar, die im Rahmen des geltend gemachten Gesamtbetrags austauschbar sind.«

Normenkette:

ZPO § 263 ;

Tatbestand:

Der Kläger war mit einer Beteiligungsquote von 25,2 % Gründungsgesellschafter der im Jahre 1993 gegründeten R. GmbH (im Folgenden: R. GmbH) und dort als Werkstatt- und Produktionsleiter beschäftigt. Der Beklagte zu 1 war bei der Gesellschaft als technischer Leiter tätig; seine Ehefrau, die frühere Beklagte zu 2 - hinsichtlich derer das Verfahren erstinstanzlich abgetrennt und an die Kammer für Handelssachen verwiesen wurde -, war mit einer Beteiligungsquote von 74,8 % Mehrheitsgesellschafterin und zugleich Geschäftsführerin der R. GmbH. Der frühere Beklagte zu 3 war anwaltlich für den Beklagten zu 1 und die ehemalige Beklagte zu 2 tätig.

Wegen zunehmender, schließlich unüberbrückbar gewordener Streitigkeiten unter den Gesellschaftern fasste die frühere Beklagte zu 2 nach längerfristiger Planung den Entschluss, in kollusivem Zusammenwirken mit dem Beklagten zu 1 die R. GmbH unter Umgehung des Klägers "auf kaltem Wege" zu liquidieren und dabei hinter dessen Rücken den Geschäftsbetrieb faktisch auf ein in Konkurrenz zu der Gesellschaft von ihrem Ehemann einzelkaufmännisch betriebenes Dreherei-Unternehmen zu verlagern. In Umsetzung dieses Planes wurden ab Ende Juli 1997 bis Anfang November 1997 der Gesellschaft - ohne die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Zustimmung einer 3/4-Mehrheit der Gesellschafterversammlung - nach und nach die notwendigen Betriebsmittel im Wege der Veräußerung durch die frühere Beklagte zu 2 entzogen und dabei zum überwiegenden Teil sowohl unmittelbar als auch mittelbar der vom Beklagten zu 1 betriebenen Dreherei zugeführt. Infolge dieser planmäßigen faktischen Aufgabe des Geschäftsbetriebs wurde die R. GmbH insolvent, so dass schließlich auf Antrag der früheren Beklagten zu 2 am 19. Dezember 1997 das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Mit der Klage hat der Kläger die Beklagten zu 1 und 2 u.a. wegen gemeinschaftlich begangener sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung und daneben den früheren Beklagten zu 3 als Gehilfen gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz in Höhe von 96.781,93 EUR in Anspruch genommen, ferner die Feststellung ihrer gesamtschuldnerischen Einstandspflicht für künftige Schäden begehrt und außerdem von den Beklagten zu 1 und 2 die Erteilung bestimmter Auskünfte verlangt; dabei hat der Kläger das Schadensersatzbegehren auf einen Gewinnanspruch für das Jahr 1995 in Höhe von 8.385,00 DM, vorläufigen entgangenen Gewinn für die weiteren Geschäftsjahre von 1996 bis 1999 in Höhe von 139.264,00 DM und die durch die unlauteren Machenschaften bewirkte vollständige Entwertung seines - im Sommer 1997 noch mit 41.640,00 DM werthaltigen und auch in dieser Höhe realisierbaren - Geschäftsanteils gestützt.

Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 als unsubstantiiert abgewiesen. Mit seiner Berufung - die er gegenüber dem Beklagten zu 3 zurückgenommen hat - hat der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1 zunächst im Wege der Teilklage die Zahlung von 3.000,00 EUR - darunter Teilbeträge von je 1.000,00 EUR hinsichtlich des ausstehenden Gewinnanspruchs 1995, des vorläufig entgangenen Gewinns für die folgenden vier Jahre (anteilig je 250,00 EUR) sowie bezüglich des verloren gegangenen Beteiligungswertes - geltend gemacht und hierfür sowie für die weitergehenden früheren Anträge Prozesskostenhilfe begehrt. Das Berufungsgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch abgelehnt und durch Versäumnisurteil die Berufung in Bezug auf die im Umfang von 3.000,00 EUR unbedingt gestellten Berufungsanträge zurückgewiesen. Gegen das Versäumnisurteil hat der Kläger Einspruch, gegen die Verweigerung der Prozesskostenhilfe - erfolglos - Gegenvorstellung erhoben. In Anlehnung an die vom Berufungsgericht im Prozesskostenhilfeverfahren geäußerte Rechtsauffassung hat er nunmehr im Einspruchsverfahren - unter Einschluss seines bisherigen auf Zahlung von 3.000,00 EUR beschränkten Berufungsantrags - die Verurteilung des Beklagten zu 1 zur Leistung von Schadensersatz in Höhe von 25.000,00 EUR begehrt; seine Schadensberechnung hat der Kläger nunmehr auch darauf gestützt, dass die frühere Beklagte zu 2 im kollusiven Zusammenwirken mit ihrem Ehemann die beabsichtigte "kalte Liquidation" der Gesellschaft bereits im Jahre 1996 - etwa durch die sachlich nicht gerechtfertigte Erhöhung des Personalaufwands um mehr als 100 % - hinter seinem Rücken begonnen und so eine Realisierung seines Abfindungsanspruchs im Werte von - damals - mindestens 125.351,00 DM auf dem Wege eines Austritts aus der Gesellschaft schon zum Ende des Jahres 1996 vereitelt habe.

Das Berufungsgericht hat unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils die Berufung auch im Übrigen zurückgewiesen. Mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt gestellten Berufungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist überwiegend begründet und führt in diesem Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Zurückweisung der Berufung Folgendes ausgeführt:

Die ehemalige Beklagte zu 2 habe zwar in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit ihrem Ehemann, dem Beklagten zu 1, auf sittenwidrige Art und Weise ab Ende Juli 1997 die R. GmbH systematisch durch Verlagerung sämtlicher Betriebsmittel auf das Konkurrenzunternehmen ihres Mannes ohne die erforderliche Zustimmung des Klägers hinter dessen Rücken faktisch liquidiert und dadurch in die Insolvenz getrieben. Indessen habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass ihm aus diesen Vermögensverlagerungen ein Schaden entstanden sei. Die Vereitelung eines Gewinnanspruchs für das Jahr 1995 sei schon deshalb nicht erkennbar, weil ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über eine Gewinnausschüttung nicht vorgelegen habe. Die Geltendmachung eines entgangenen Gewinns für die Jahre 1996 bis 1999 auf der Basis der Durchschnittsumsätze der Geschäftsjahre 1994 und 1995 scheitere schon daran, dass die Gesellschaft wegen der unüberbrückbaren Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern selbst bei Unterlassung der eigenmächtigen "kalten Liquidation" nicht mit Erfolg habe weitergeführt werden können und zudem bereits im Geschäftsjahr 1996 ein Fehlbetrag erwirtschaftet worden sei. Ein isolierter Anspruch auf Ersatz eines "good will" bestehe nicht; ein solcher sei allenfalls Berechnungsposten im Rahmen einer am Unternehmenswert orientierten anteiligen Abfindung für den Wert des Geschäftsanteils. Soweit der Kläger nunmehr in der Berufungsinstanz im Anschluss an entsprechende Hinweise des Gerichts seine Schadensberechnung darauf stütze, dass ihm durch früheres sittenwidriges Verhalten des Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau schon zum Jahresende 1996 die Möglichkeit eines rechtzeitigen Austritts aus der Gesellschaft und damit die Realisierung seines Abfindungsanspruches schuldhaft zunichte gemacht worden sei, handele es sich um eine in der Berufungsinstanz unzulässige Klageänderung, die zumindest im Hinblick auf die nunmehr erforderlichen umfangreichen Beweiserhebungen zur Schadensermittlung nicht sachdienlich sei.

II. Diese Beurteilung hält nur hinsichtlich der Abweisung der in der Berufungsinstanz verfolgten Teilklagen in Höhe von je 1.000,00 EUR bezüglich des Gewinnanspruchs für 1995 und des behaupteten entgangenen Gewinns für die vier Folgejahre (1.), nicht jedoch hinsichtlich des Verlustes eines - im Falle des rechtzeitigen Austritts realisierbaren - Abfindungsanspruchs (2.) revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. a) Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings einen aus der gemeinschaftlich von den Beklagten zu 1 und 2 begangenen sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§§ 826 , 830 BGB ) resultierenden Schaden in Form der vom Kläger geltend gemachten Nichtrealisierbarkeit eines Gewinnanspruchs für das Jahr 1995 verneint. Der Kläger hat insoweit bereits nicht schlüssig dargelegt, auf welcher Grundlage ein solcher isolierter Gewinnanspruch bestanden haben sollte. Ein Beschluss über eine entsprechende Gewinnverwendung für 1995, dessen Umsetzung etwa durch die - nach seinem Vortrag - im Jahr 1996 begonnene und - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - im Jahre 1997 vollendete systematische "kalte" Liquidation der R. GmbH verhindert worden wäre, wurde unstreitig nicht gefasst.

b) Ebenso zutreffend hat das Oberlandesgericht konkrete Ansprüche auf entgangenen Gewinn für die vier folgenden Geschäftsjahre in Höhe eines Teilklagebetrags von jeweils 250,00 EUR - wie er in der Berufungsinstanz noch geltend gemacht worden ist - verneint. Für das Geschäftsjahr 1996 fehlt es angesichts des unstreitig erwirtschafteten Fehlbetrages bereits an der Darlegung eines hinreichend wahrscheinlichen Gewinns. Für die weiteren Zeiträume waren etwaige isoliert verfolgbare Gewinnansprüche schon deshalb nicht realisierbar, weil angesichts der vom Oberlandesgericht festgestellten unüberbrückbaren Differenzen zwischen den Gesellschaftern die R. GmbH auch ohne das sittenwidrige Verhalten des Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau jedenfalls in der bestehenden Form nicht erfolgreich hätte weitergeführt werden können.

2. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht zu Unrecht die - den eigenen Vorgaben im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens entsprechende - umgestaltete Schadensberechnung des Klägers, die nunmehr an die Verhinderung der Realisierung eines werthaltigen Abfindungsanspruchs durch Austritt aus der Gesellschaft bereits zum 31. Dezember 1996 aufgrund des - nach seiner vom Berufungsgericht nicht geprüften, für die revisionsrechtliche Beurteilung als richtig zu unterstellenden Behauptung - schon im Jahre 1996 begonnenen schädigenden Verhaltens des Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau anknüpft, in Bezug auf den weiterhin geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 23.000,00 EUR als eine in der Berufungsinstanz unzulässige Klageänderung angesehen.

Eine Änderung des Streitgegenstandes (§§ 263 , 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ), die sich wegen des lediglich reduzierten, im Übrigen aber gleich gebliebenen Leistungsantrags allenfalls auf den Klagegrund zur Schadensberechnung beziehen könnte, liegt hier nicht vor.

a) Eine i. S. von § 263 ZPO relevante Veränderung des Lebenssachverhalts, aus dem der Klageanspruch hinsichtlich des begehrten Schadensersatzes hergeleitet wird, liegt im vorliegenden Fall nicht darin, dass der Kläger in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nicht nur auf die Vorgänge des Jahres 1997, sondern nunmehr auch auf weitere Vorfälle gestützt hat, die bereits im Jahre 1996 stattgefunden haben sollen. Denn ersichtlich handelt es sich dabei insgesamt um den einheitlichen Lebenssachverhalt einer die mitgliedschaftlichen Interessen des Klägers verletzenden, systematischen Aushöhlung des Geschäftsbetriebs der R. GmbH, die von den Beklagten zu 1 und 2 aufgrund längerfristiger Planung nach Art eines Dauerdelikts im Jahre 1996 mit der sachlich nicht gerechtfertigten Erhöhung der Personalkosten begonnen und mit der anschließenden Veräußerung des notwendigen Betriebsvermögens im Jahre 1997 bis hin zur Konkursantragstellung vollendet wurde.

b) Ein neuer Klagegrund liegt aber - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch nicht in der aus dem erweiterten Lebenssachverhalt abgeleiteten zweitinstanzlichen Schadensberechnung des Klägers zum Verlust des Wertes seiner Beteiligung an der R. GmbH.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 22. November 1990 - IX ZR 73/90, WM 1991, 609 , 610 m.w.Nachw.) ändert neuer Sachvortrag zur haftungsausfüllenden Kausalität den Klagegrund jedenfalls solange nicht, wie er einzelne Posten des gleichen Schadens betrifft; innerhalb des identischen Schadens stellen die verschiedenen Berechnungsgrundlagen vielmehr lediglich unselbständige Faktoren eines einheitlichen Schadens und Ersatzanspruchs dar, die im Rahmen des geltend gemachten Gesamtbetrags austauschbar sind. Daran ändert es nichts, wenn die sachlichen Voraussetzungen teilweise unterschiedlich sind; ergänzt die Partei selbst ihre tatsächlichen Behauptungen in dieser Hinsicht, begründet das sogar dann keinen neuen Streitgegenstand, wenn die Klage möglicherweise erst dadurch gerechtfertigt erscheinen kann.

So liegt es auch hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger bereits erstinstanzlich einen "verloren gegangenen Beteiligungswert" in Höhe von 41.640,00 DM geltend gemacht, den er in der Berufungsinstanz zunächst im Wege der Teilklage in Höhe von 1.000,00 EUR unbedingt weiterverfolgt hat und den er im Anschluss an die Hinweise des Berufungsgerichts im Prozesskostenhilfeverfahren sodann im erweiterten Umfang von insgesamt 23.000,00 EUR beansprucht. Wenn der Kläger diesen zunächst als "verloren gegangenen Beteiligungswert" bezeichneten Schaden nunmehr in Form des infolge der sittenwidrigen Schädigung eingetretenen Verlustes seines - bei rechtzeitigem Austritt aus wichtigem Grund realisierbaren - (fiktiven) Abfindungsanspruchs geltend macht und in diesem Zusammenhang lediglich die Schadensentstehung im Rahmen des behaupteten "Dauerdelikts" bereits für einen früheren Zeitpunkt als bisher vorträgt, so verlangt er damit nicht den Ersatz eines anderen Schadens; denn der jetzt geltend gemachte Wert der Beteiligung im Falle des Ausscheidens durch Kündigung unterscheidet sich von dem ursprünglich begehrten verlorenen Beteiligungswert allenfalls quantitativ und in bestimmtem Umfang qualitativ im Hinblick auf die anzuwendende konkrete Bewertungsmethode. Hiervon ist im Übrigen das Berufungsgericht an anderer Stelle seines Urteils selbst ausgegangen, wenn es - insoweit zutreffend - ausgeführt hat, der ursprünglich begehrte Ersatz eines "good will" sei - je nach gewählter Berechnungsmethode - ein bloßer Rechnungsposten im Rahmen einer am Unternehmenswert orientierten (anteiligen) Abfindung für den Wert des Geschäftsanteils.

III. Im Hinblick auf den vorstehend aufgezeigten Rechtsfehler ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO ), damit es die noch erforderlichen Feststellungen zur Entstehung und Bemessung des vom Kläger behaupteten Schadens im Rahmen des § 826 BGB treffen kann.

Vorinstanz: OLG Celle, vom 01.10.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 173/02
Vorinstanz: LG Hannover, vom 02.08.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 5346/00
Fundstellen
BGHReport 2006, 256
NJW-RR 2006, 253
NZG 2006, 231
ZIP 2006, 778