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BGH - Entscheidung vom 21.12.2005

VIII ZR 88/05

Normen:
HGB § 75h Abs. 1

Fundstellen:
BB 2006, 405
BGHReport 2006, 584
DB 2006, 613
MDR 2006, 821
NJW-RR 2006, 1106
VersR 2006, 1137
WM 2006, 1107

BGH, Urteil vom 21.12.2005 - Aktenzeichen VIII ZR 88/05

DRsp Nr. 2006/1949

Ablehnung eines von dem Handlungsgehilfen abgeschlossenen Geschäfts durch den Geschäftsherrn; Umfang der Unterrichtung; Unverzüglichkeit der Ablehnung

»a) § 75h Abs. 1 HGB ist auch auf einen im Außendienst tätigen Handlungsgehilfen anwendbar, der nicht ausschließlich mit Geschäften außerhalb des Betriebes des Prinzipals betraut ist.b) Zum wesentlichen Inhalt des von dem Handlungsgehilfen abgeschlossenen Geschäfts gehört alles, was nach Lage des Falles für die Entschließung des Unternehmers, ob er das Geschäft ablehnen oder gegen sich gelten lassen will, bedeutsam ist.c) Unverzüglich i.S.d. § 75 h Abs. 1 HGB ist eine Ablehnung, wenn sie innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist - im Regelfall zwei Wochen - dem Dritten zugeht.«

Normenkette:

HGB § 75h Abs. 1 ;

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises für 20 Chemieschutzanzüge und acht Lungenautomaten. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Am 23. Juli 2003 kam es auf dem Betriebsgelände der Streithelferin der Beklagten in W. zu einem Unfall, bei dem eine größere Menge Flusssäure austrat. Zur Beseitigung der Säure wurden verschiedene Feuerwehren der Verwaltungsgemeinschaft W. eingesetzt; die Arbeiten zogen sich bis zum 24. Juli 2003 hin. Am Nachmittag dieses Tages wandte sich die Streithelferin mit der Bitte um Beratung an die Beklagte, die im Chemiepark B. ein Entsorgungszentrum betreibt. Daraufhin nahm deren damaliger Mitarbeiter G., dem bei der Beklagten die Erstellung von Angeboten, die Akquirierung von Aufträgen und die Betreuung von Kunden - auch im Außendienst - oblag, an einer Einsatzbesprechung auf dem Betriebsgelände der Streithelferin teil. Anschließend fand eine weitere Besprechung statt, bei der außer G. auch die Betriebsleiterin des Betriebsteils der Beklagten im Chemiepark B., W., der Schichtleiter der Streithelferin und der zuständige Abschnittsleiter der Freiwilligen Feuerwehren W. anwesend waren und bei der die Art und Weise des weiteren Vorgehens sowie die Mitwirkung der Beklagten bei der Beseitigung der Unfallfolgen erörtert wurden. Auf Grund dieser Besprechung erteilte G. dem Kläger, der in B. einen Handel mit Gegenständen des Industrie- und Baubedarfs betreibt, namens der Beklagten telefonisch von der Unfallstelle aus den Auftrag zur Lieferung von 20 Chemieschutzanzügen und acht Lungenautomaten. Die Lieferung wurde vom Kläger noch am Nachmittag des 24. Juli 2003 ausgeführt. Den Lieferschein, auf dem die Beklagte als Auftraggeber genannt ist, unterzeichnete G. einige Tage später.

Unter dem 29. Juli 2003 stellte der Kläger der Beklagten eine Rechnung über insgesamt 68.058,36 EUR; davon entfielen auf die Schutzanzüge jeweils 2.880,- EUR, auf sechs Lungenautomaten je 125,10 EUR und auf zwei Lungenautomaten je 160,20 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer. Mit Schreiben vom 29. August 2003 sandte die Beklagte die Rechnung an den Kläger mit dem Hinweis zurück, nach Rücksprache mit dem Katastrophenamt und der Feuerwehr habe es Unstimmigkeiten über die vom Kläger erbrachte Leistung gegeben. Mit weiterem Schreiben vom 3. September 2003 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Rechnung an die Feuerwehr als Leistungsempfänger zu stellen. Daraufhin hat der Kläger gegen die Beklagte Klage auf Zahlung des genannten Betrages erhoben. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Kaufpreises für die Schutzanzüge (66.816,- EUR einschließlich Mehrwertsteuer) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung des Klägers die Beklagte zur Zahlung weiterer 1.242,36 EUR - des Kaufpreises für die Lungenautomaten - verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter. Die Streithelferin der Beklagten hat sich lediglich in den Tatsacheninstanzen am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

Nach der Beweiswürdigung des Landgerichts, gegen die keine Bedenken bestünden, sei davon auszugehen, dass der Zeuge G. namens der Beklagten den Kaufvertrag über die Schutzanzüge und Lungenautomaten mit dem Kläger abgeschlossen habe. Zwar sei der Zeuge nur mit der Vermittlung von Rechtsgeschäften betraut gewesen; Abschlussvollmacht habe er nicht gehabt. Die Beklagte habe das zunächst unwirksame Geschäft aber gemäß § 75 h HGB stillschweigend genehmigt. Dessen Voraussetzungen habe das Landgericht nicht verkannt; der Aufgabenbereich des Zeugen - die Akquisition von Neukunden und die Betreuung von Stammkunden - habe die Vorbereitung und Ermöglichung des Abschlusses von Geschäften, mithin deren Vermittlung umfasst. G. sei auch mit der Vermittlung solcher Geschäfte betraut gewesen, wie er sie am 24. Juli 2003 im Namen der Beklagten abgeschlossen habe. Die Bestellung von Schutzkleidung sei Teil des Entsorgungsauftrages gewesen, den die Streithelferin der Beklagten erteilt habe. Der Zeuge sei, wie nach der durchgeführten Beweisaufnahme feststehe, auch außerhalb des Betriebes der Beklagten tätig gewesen. Es sei nicht erforderlich, dass sich die Vermittlungstätigkeit des Handlungsgehilfen ausschließlich außerhalb des Betriebes abspiele; das Wort "nur" in § 75 h Abs. 1 HGB diene lediglich der Abgrenzung der Befugnis des Handlungsgehilfen zur Vermittlung von derjenigen zum Abschluss eines Geschäfts. Schließlich sei die Beklagte spätestens durch die Rechnung des Klägers über den wesentlichen Inhalt des Geschäfts - Lieferumfang, Ort und Zeit der Lieferung, Lieferschein und Preis - informiert worden. Das Geschäft gelte als genehmigt, da die Beklagte es nicht unverzüglich nach der Benachrichtigung abgelehnt habe. Dabei sei dem Unternehmer eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, deren Dauer sich nach den Umständen des Einzelfalles bestimme und deren Obergrenze bei zwei Wochen anzusetzen sei. Diese Frist habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 29. August 2003, mit dem sie die Bezahlung verweigert habe, nicht eingehalten.

Soweit das Landgericht auf Grund seiner Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Kläger die bestellten 20 Schutzanzüge und acht Lungenautomaten geliefert und absprachegemäß direkt an die Feuerwehrleute übergeben habe, sei dies nicht zu beanstanden. Etwaige Mängel habe die Beklagte nicht rechtzeitig gerügt (§ 377 HGB ). Den Preis für die Schutzanzüge, der vor der Lieferung nur mit "ca. 3.000,- EUR pro Stück" vereinbart worden sei, habe der Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 315 , 316 BGB auf 2.880,- EUR netto festsetzen können. Gleiches gelte für die acht Lungenautomaten, für die dem Kläger entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Kaufpreis von insgesamt 1.242,36 EUR brutto zustehe.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung in vollem Umfang stand. Die Vorinstanzen haben zu Recht und mit zutreffender Begründung angenommen, dass die Beklagte zur Bezahlung des geltend gemachten Kaufpreises verpflichtet ist, weil die Voraussetzungen des § 75 h Abs. 1 HGB erfüllt sind und dem Anspruch des Klägers auch im Übrigen keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen.

Dass der Zeuge G. den Auftrag an den Kläger im Namen der Beklagten vergeben hat, wird von der Revision ausdrücklich hingenommen. Der Zeuge G. hat den Kaufvertrag zwar geschlossen, ohne von der Beklagten hierzu bevollmächtigt zu sein. Der Vertrag ist aber wirksam geworden (§§ 182 , 184 BGB ).

Nach § 75 h Abs. 1 HGB gilt ein Geschäft, das ein Handlungsgehilfe, der nur mit der Vermittlung von Geschäften außerhalb des Betriebes des Prinzipals betraut ist, im Namen des Prinzipals abgeschlossen hat, als vom Prinzipal genehmigt, wenn dieser dem Dritten gegenüber nicht unverzüglich das Geschäft ablehnt, nachdem er von dem Handlungsgehilfen oder dem Dritten über den Abschluss und wesentlichen Inhalt des Geschäfts benachrichtigt worden ist; Voraussetzung für die Annahme der stillschweigenden Genehmigung ist weiter, dass dem Dritten der Mangel der Vertretungsmacht nicht bekannt war.

1. Nach Auffassung der Revision ist die Anwendung des § 75 h Abs. 1 HGB im vorliegenden Fall schon deshalb ausgeschlossen, weil die Vorschrift nur solche Handlungsgehilfen mit Vermittlungsauftrag betreffe, die ausschließlich im Außendienst tätig seien. Dies trifft nicht zu. Die Bestimmung gilt auch für Handlungsgehilfen, die nur teilweise im Außendienst tätig werden, daneben aber - wie der Zeuge G. - auch im Innendienst eingesetzt sind. Die Frage ist allerdings im Schrifttum weitgehend ungeklärt und - vom vorliegenden Berufungsurteil abgesehen - bislang obergerichtlich oder höchstrichterlich nicht beantwortet.

In der Literatur wird nur vereinzelt (Etzel in GK- HGB , 6. Aufl., § 75 h Rdnr. 5) ausdrücklich die Ansicht vertreten, § 75 h Abs. 1 HGB gelte lediglich für solche Handlungsgehilfen, die ausschließlich im Außendienst tätig seien. Im Übrigen wird ohne nähere Differenzierung nach dem Aufgabenbereich des Handlungsgehilfen im Innen- oder Außendienst - wörtlich oder sinngemäß - darauf hingewiesen, dass die Vorschrift auf Handlungsgehilfen anzuwenden sei, die (nur) mit der Vermittlung von Geschäften im Außendienst betraut seien (so z.B. Baumbach/Hopt, HGB , 31. Aufl., § 75 h Rdnr. 1; Brüggemann/Würdinger, HGB , 3. Aufl., § 75 h Anm. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken, HGB , § 75 h Rdnr. 3 und § 75 g Rdnr. 5; Heymann/Henssler, HGB , 2. Aufl., § 75 h Rdnr. 3; HK-HGB/Ruß, 6. Aufl., § 75 h Rdnr. 1; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 75 h Rdnr. 3; Röhricht/Graf von Westphalen/Wagner, HGB , 2. Aufl., § 75 h Rdnr. 1; Staub/Konzen/Weber, HGB , 4. Aufl., § 75 h Rdnr. 3). Der Senat legt § 75 h Abs. 1 HGB dahin aus, dass er auch auf einen Handlungsgehilfen anzuwenden ist, der nicht ausschließlich mit Geschäften außerhalb des Betriebes des Prinzipals betraut ist, soweit er im Rahmen seiner Außendiensttätigkeit gehandelt hat.

a) Der Wortlaut des § 75 h Abs. 1 HGB ist insoweit, anders als die Revision meint, nicht eindeutig. Er lässt beide Auslegungen zu, ohne dass eine der beiden Möglichkeiten näher liegt als die andere. Sowohl bei dem weiteren als auch bei dem engeren Verständnis der Vorschrift ergibt sie sprachlich und sachlich einen Sinn.

b) Für die Auslegung, dass sich das Wort "nur" allein auf die unmittelbar anschließende Wendung "mit der Vermittlung" bezieht, die Bestimmung mithin auch Handlungsgehilfen betrifft, die sowohl im Innen- als auch im Außendienst beschäftigt sind, sprechen jedoch zum einen die systematische Stellung der Norm und insbesondere ihr Sinn und Zweck.

§ 75 h Abs. 1 HGB grenzt den Fall einer Kompetenzüberschreitung des Vermittlungsgehilfen von derjenigen eines Abschlussgehilfen (Abs. 2) ab; da die Vermittlungsbefugnis ein Weniger gegenüber der - wenn auch eingeschränkten - Abschlussvollmacht darstellt, lag es für den Gesetzgeber nahe, dieses Weniger durch das Wort "nur" zu betonen. Das erklärt entgegen der Ansicht der Revision auch, weshalb in Abs. 2 eine ähnliche Einschränkung fehlt. Überdies findet sich die Formulierung "nur mit der Vermittlung von Geschäften betraut" ebenso in der Bestimmung des § 91 a Abs. 1 HGB , der eine mit § 75 h Abs. 1 HGB nahezu identische Regelung für den Handelsvertreter ohne Abschlussvollmacht enthält; dass dort die Worte "außerhalb des Betriebes des Prinzipals" fehlen, beruht auf dem Umstand, dass der Handelsvertreter nach der Legaldefinition des § 84 Abs. 1 HGB ohnehin als selbständiger Gewerbetreibender nur außerhalb des Betriebes des von ihm vertretenen Unternehmers tätig ist.

Sinn und Zweck des § 75 h Abs. 1 HGB erlauben es entgegen der Ansicht der Revision nicht, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf den ausschließlich im Außendienst tätigen Handlungsgehilfen zu beschränken. Die Bestimmung begründet in Abweichung von dem Grundsatz des § 177 BGB , wonach die Wirksamkeit eines von einem vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Geschäfts von der Genehmigung des Vertretenen abhängt, einen besonderen handelsrechtlichen Vertrauenstatbestand. Aus dem Gesichtspunkt des Verkehrsschutzes soll der Dritte, der mit dem Handlungsgehilfen ohne Vertretungsmacht einen Vertrag abgeschlossen hat, darauf vertrauen dürfen, dass der Vertrag als genehmigt gilt, wenn der Prinzipal nach Benachrichtigung über den Vertragsschluss das Geschäft nicht unverzüglich ablehnt (MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, aaO. Rdnr. 2; ähnlich Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken, aaO. Rdnr. 1). Bei derartigen, außerhalb des Betriebes des Prinzipals des Handlungsgehilfen zustande gekommenen Vertragsabschlüssen besteht für den Dritten ein gesteigertes Schutzbedürfnis, weil die Fiktion der Vollmacht des Angestellten im Innendienst (§ 56 HGB ) hier nicht eingreift und überdies der Dritte keine wirksame Möglichkeit zur Überprüfung der Befugnisse des Handlungsgehilfen hat. Träfe die Auffassung der Revision zu, so würde der vom Gesetz gewollte Vertrauensschutz in all den Fällen leer laufen, in denen der Handlungsgehilfe nicht ausschließlich im Außendienst, sondern daneben oder sogar in erster Linie im Innendienst eingesetzt ist. Ob das eine oder das andere der Fall ist, kann der Dritte ohne Kenntnis des Aufgabenbereiches des Handlungsgehilfen nicht erkennen.

Durch die Genehmigungsfiktion des § 75 h Abs. 1 HGB auch bei Geschäftsabschlüssen von nicht ausschließlich im Außendienst tätigen Handlungsgehilfen werden die Rechte des Prinzipals nicht unangemessen beeinträchtigt. Wie er den Aufgabenbereich seiner Angestellten organisiert, bleibt ihm überlassen. Überträgt er einem Angestellten neben einer Tätigkeit im Innendienst auch eine Vermittlungstätigkeit im Außendienst, so besteht kein Anlass, ihn bei den Folgen einer Kompetenzüberschreitung des Angestellten, der im Außendienst tätig wird, besser zu stellen als dann, wenn er einen Mitarbeiter ausschließlich mit einer Außendiensttätigkeit betraut hat.

2. Ohne Erfolg rügt die Revision überdies, der Anwendung des § 75 h Abs. 1 HGB stehe im vorliegenden Fall die Art des Geschäftes entgegen, das der Zeuge G. im Namen der Beklagten mit dem Kläger abgeschlossen hat. Zwar gilt der hier zu erörternde besondere handelsrechtliche Vertrauensschutz nur für solche von dem Handlungsgehilfen oder Handelsvertreter abgeschlossenen Geschäfte, die der Betrieb des Gewerbes seines Prinzipals gewöhnlich mit sich bringt; insofern sind die Regelungen der §§ 54 Abs. 1 , 55 Abs. 1 und 91 Abs. 1 HGB Ausdruck eines allgemeinen, das Handelsrecht beherrschenden Grundsatzes, der sich auch auf die Genehmigungsfiktion der §§ 75 h Abs. 1 , 91 a Abs. 1 HGB erstreckt (vgl. z.B. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene aaO., § 91 a Rdnr. 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch aaO., § 91 a Rdnr. 5). Demzufolge umfasst dieser Vertrauensschutz nicht solche Geschäfte, die nach Art, Umfang oder Risiko für den betreffenden Betrieb außergewöhnlich sind (MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene aaO.). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden.

Die Beklagte betreibt im Chemiepark B. ein Entsorgungszentrum. Schon deshalb liegt es nahe, dass sie nicht nur routinemäßige Entsorgungsmaßnahmen für die ortsansässige Chemieindustrie durchführt, sondern auch bei Unfällen mit chemischen Substanzen tätig wird. Dass die Mitwirkung ihres Angestellten G. bei dem Schadensereignis vom 23./24. Juli 2003 für ihren Betriebsteil im Chemiepark B. eine außergewöhnliche Maßnahme darstellte, hat sie nicht geltend gemacht. Soweit die Revision darauf verweist, die Beklagte verfüge selbst nicht über Schutzanzüge und verleihe diese auch nicht an ihre Kunden, spricht dieser Umstand gerade dafür, dass sie für die Durchführung schwieriger Entsorgungsmaßnahmen im Bedarfsfall solche Schutzanzüge bei einem Dritten erwerben muss. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Zeuge G. bereits früher für die Beklagte solche Schutzanzüge, wenn auch in geringerer Stückzahl, gekauft. Im Übrigen ergeben sich aus den tatrichterlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte für die Annahme der Revision, der vom Zeugen G. mit dem Kläger abgeschlossene Kaufvertrag sei nach seinem Umfang für den Betriebsteil B. der Beklagten außergewöhnlich gewesen.

3. Vergeblich rügt die Revision des Weiteren, für eine Anwendung des § 75 h Abs. 1 HGB fehle es an der Voraussetzung, dass die Beklagte über den Abschluss und den wesentlichen Inhalt des Vertrages informiert worden sei.

Wesentlicher Inhalt des Vertrages ist alles, was nach Lage des Falles für die Entschließung des Unternehmers, ob er das Geschäft ablehnen oder gegen sich gelten lassen will, bedeutsam sein kann. Dazu gehören namentlich eine hinreichend deutliche Beschreibung von Leistung und Gegenleistung, im Regelfall darüber hinaus bei Kaufverträgen auch Zeitpunkt und Ort der Lieferung sowie etwaige besondere Abreden über Gewährleistung und Qualitätsanforderungen; einer besonderen Form bedarf die Benachrichtigung nicht (vgl. MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene aaO. § 75 h Rdnr. 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken aaO., § 75 h Rdnr. 8; Baumbach/Hopt aaO., § 91 a Rdnr. 6). Diese Informationen hat der Kläger der Beklagten durch die Übersendung seiner Rechnung vom 29. Juli 2003 vermittelt. Durch die einleitenden Worte "Wir danken Ihnen für Ihren Auftrag", die Bezugnahme auf den Lieferschein vom 24. Juli 2003 und den Hinweis auf den "Havarieeinsatz Q." war für die Beklagte, die sich insoweit das Wissen ihrer Betriebsleiterin W. zurechnen lassen muss, klar, dass der der Rechnung zugrunde liegende Kaufvertrag am 24. Juli 2003 durch ihren Mitarbeiter G. im Zusammenhang mit dem Schadensfall vom 23./24. Juli 2003 abgeschlossen worden war. Anzahl und Art der Schutzanzüge, des Zubehörs und der Lungenautomaten waren im Einzelnen angegeben; außerdem enthielt die Rechnung den jeweiligen Einzelpreis und den Gesamtpreis der Artikel sowie die Zahlungsbedingungen.

4. Die Beklagte hat sich nicht unverzüglich gegen die Inanspruchnahme aus dem Kaufvertrag durch den Kläger gewandt.

Nach § 75 h Abs. 1 HGB gilt das von dem vollmachtlosen Vermittlungsgehilfen abgeschlossene Geschäft als von dem Prinzipal genehmigt, wenn dieser dem Dritten gegenüber nicht unverzüglich nach der Benachrichtigung das Geschäft ablehnt. "Unverzüglich" (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ) erfolgt die Ablehnung des Unternehmers, wenn sie eine angemessene Überlegungsfrist wahrt; dabei wird - in Anlehnung an die Bestimmung des § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB - im Regelfall eine Frist von zwei Wochen als ausreichend anzusehen sein. Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalles (Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken aaO. Rdnr. 11; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene aaO. Rdnr. 8; Baumbach/Hopt aaO. § 91 a Rdnr. 8; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer aaO., § 91 a Rdnr. 10). Die Überlegungsfrist beginnt mit dem Zugang der Benachrichtigung zu laufen. Da die Ablehnungserklärung des Prinzipals ebenfalls empfangsbedürftig ist, kommt es auch für die Frage, ob die Frist gewahrt ist, auf den Zugang dieser Erklärung bei dem Dritten an. Nach diesen Maßstäben gilt das von dem Zeugen G. namens der Beklagten mit dem Kläger abgeschlossene Geschäft mangels rechtzeitiger Ablehnung als von der Beklagten genehmigt.

Die Rechnung des Klägers vom 29. Juli 2003 ist bei der Beklagten am 4. August 2003 eingegangen. Das Schreiben der Beklagten vom 29. August 2003, das die Vorinstanzen als Ablehnung gewertet haben, ist beim Kläger genau vier Wochen später, am 1. September 2003, eingegangen. Dies war verspätet. Zwar macht die Revision geltend, der Beklagten müsse eine Verlängerung der Überlegungsfrist zugebilligt werden, weil sich die Betriebsleiterin des Entsorgungszentrums, die Zeugin W., nach der Behauptung der Beklagten vom 11. bis 15. August 2003 in Urlaub befunden habe. Ob eine solche vorübergehende Abwesenheit eines Mitarbeiters des Unternehmers überhaupt eine Verlängerung der Überlegungsfrist zu rechtfertigen vermag, erscheint fraglich, kann aber letztlich dahinstehen; denn selbst bei Berücksichtigung dieses Umstandes würde sich die Frist allenfalls bis zum 25. August 2003 verlängern, so dass die erst eine Woche später - am 1. September 2003 - beim Kläger eingegangene Ablehnungserklärung auch dann nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 75 h Abs. 1 HGB erfolgt wäre.

Sonstige Gesichtspunkte, die ausnahmsweise eine Ausdehnung der Überlegungsfrist begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Alle etwaigen Fragen konnte die Beklagte durch einfache Rücksprache mit ihrem Handlungsgehilfen G. in kurzer Zeit klären; das gilt namentlich für den von der Revision in diesem Zusammenhang erwähnten Hinweis auf der Rechnung des Klägers, dass das Material an die Einsatzleitung geliefert worden sei. Auch Art und Umfang des Geschäfts erforderten keinen zusätzlichen Zeitaufwand für die Entscheidung der Beklagten, ob sie das Geschäft ablehnen oder gegen sich gelten lassen wolle.

III. Nach alledem erweist sich die Revision als unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen.

Vorinstanz: OLG Naumburg, vom 16.03.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 173/04
Vorinstanz: LG Dessau, vom 13.08.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 149/03
Fundstellen
BB 2006, 405
BGHReport 2006, 584
DB 2006, 613
MDR 2006, 821
NJW-RR 2006, 1106
VersR 2006, 1137
WM 2006, 1107