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BGH - Entscheidung vom 13.03.2014

IX ZB 47/13

Normen:
ZPO § 130 Nr. 6
ZPO § 520 Abs. 5

BGH, Beschluss vom 13.03.2014 - Aktenzeichen IX ZB 47/13

DRsp Nr. 2014/5693

Erforderlichkeit einer unterschriebenen Berufungsschrift bei Beifügung einer unterschriebenen Anwaltsvollmacht

Dass dem Unterschriftserfordernis gemäß § 520 Abs. 5 , § 130 Nr. 6 ZPO auch dann genügt ist, wenn einer nicht unterschriebenen Rechtsmittelbegründung ein von einem zugelassenen Anwalt unterschriebener Schriftsatz beigefügt ist, gilt nur, soweit in diesem Schriftsatz ausdrücklich auf die Rechtsmittelbegründung Bezug genommen wird.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 22. Mai 2013 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Wert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 1.733,92 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 130 Nr. 6 ; ZPO § 520 Abs. 5 ;

Gründe

I.

Der Kläger, der den Beklagten in einer familienrechtlichen Angelegenheit anwaltlich vertreten hat, verlangt restliches Anwaltshonorar. Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 635,06 € nebst Zinsen zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage anzuweisen. Widerklagend hat er beantragt, den Kläger zur Zahlung von 1.022,66 € nebst Zinsen zu verurteilen sowie festzustellen, dass der Kläger verpflichtet sei, ihm die notwendigen Aufwendungen zu ersetzen, die erforderlich seien, um das bisherige Umgangsrecht mit seiner Tochter in vollstreckungsfähiger Form zu manifestieren. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 611,26 € nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit Beschluss vom 22. Mai 2013 als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht unterzeichnet worden sei. Zugleich hat es den mit einem Büroversehen seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten begründeten Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten mit der Begründung abgelehnt, der Beklagte müsse sich das Verschulden seines Anwalts zurechnen lassen. Er habe nicht dargelegt, dass in dessen Büro eine allgemeine Anweisung hinsichtlich der Unterschriftenkontrolle bestanden habe; eine solche ergebe sich auch nicht aus der beigefügten eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin des Anwalts. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Beklagte die Aufhebung dieses Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erreichen.

II.

Die nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO ; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2003 - XII ZB 191/02, BGHZ 155, 21, 22).

1. Das Berufungsgericht ist nicht tragend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen, nach welcher dem Unterschriftserfordernis gemäß § 520 Abs. 5 , § 130 Nr. 6 ZPO auch dann genügt ist, wenn einer nicht unterschriebenen Rechtsmittelbegründung ein von einem zugelassenen Anwalt unterschriebener Schriftsatz beigefügt ist, in welchem ausdrücklich auf die Rechtsmittelbegründung Bezug genommen wird; denn das Fehlen der Unterschrift ist ausnahmsweise unschädlich, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, den nicht unterschriebenen Schriftsatz in den Rechtsverkehr zu bringen (BGH, Beschluss vom 10. März 2009 - VIII ZB 55/06, NJW-RR 2009, 933 Rn. 8 f). Hier war dem nicht unterschriebenen Schriftsatz die Ablichtung einer Vollmacht mit unterzeichnetem Beglaubigungsvermerk beigefügt. Diese Vollmacht nahm jedoch nicht auf die Berufungsbegründung Bezug. Sie konnte dem nicht unterschriebenen Schriftsatz ohne Wissen des Anwalts von einer anderen Person, etwa der Büroangestellten, beigefügt worden sein und ließ daher nicht den sicheren Schluss darauf zu, dass der Anwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen und ihn dem Gericht übersenden wollte.

2. Der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) wurde nicht verletzt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei fristgerechter Einreichung einer nicht unterzeichneten Rechtsmittelbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO ) gewährt werden, wenn der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehende Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 5. März 2003 - VIII ZB 134/02, NJW-RR 2003, 1366 ; vom 7. Juli 2011 - IX ZR 190/09, nv, Rn. 1; vom 17. Oktober 2011 LwZB 2/11, NJW 2012, 856 Rn. 12). Weder die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags im Schriftsatz vom 14. Mai 2013 noch die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten vom gleichen Tag enthalten Hinweise auf allgemeine Anweisungen des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten bezüglich der Unterschriftenkontrolle. Ein auf derartigen Anweisungen beruhender üblicher Geschäftsgang in der Kanzlei wird nicht dargestellt, so dass auch nicht überprüft werden kann, ob den Anforderungen an eine Ausgangskontrolle grundsätzlich genügt wird. Das Stichwort "Büroversehen" und der Hinweis auf eine stets zuverlässig arbeitende Angestellte reichen allein nicht aus.

b) Wegen des Fehlens jeglichen konkreten Vortrags hatte das Berufungsgericht keine Veranlassung, auf eine Ergänzung des Vorbringens des Beklagten hinzuwirken. Die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen müssen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO grundsätzlich bereits im Wiedereinsetzungsantrag enthalten sein; jedenfalls sind sie innerhalb der für die Wiedereinsetzung geltenden Frist nach § 234 Abs. 1 ZPO vorzubringen. Zulässig ist nur die Ergänzung von fristgerecht gemachten, aber erkennbar unklaren oder unvollständigen Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - IX ZB 73/10, NJW 2011, 458 Rn. 17; vom 12. September 2013 - III ZB 7/13, NJW 2014, 225 Rn. 9). Daran fehlte es hier. Im Übrigen lässt das im (unstatthaften) Antrag nach § 321a ZPO nachgeschobene Vorbringen des Beklagten dazu, die Mitarbeiter seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigen seien selbstverständlich ordnungsgemäß geschult gewesen und hätten nur unterschriebene Schriftsätze absenden dürfen, nicht erkennen, dass in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen gegen Fehler der vorliegenden Art getroffen worden sind.

Vorinstanz: AG Friedberg, vom 18.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 2 C 1189/12
Vorinstanz: LG Gießen, vom 22.05.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 46/13