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BAG - Entscheidung vom 14.06.2006

5 AZN 73/06

Normen:
BGB § 611

Fundstellen:
ZUM-RD 2007, 506

BAG, Beschluß vom 14.06.2006 - Aktenzeichen 5 AZN 73/06

DRsp Nr. 2008/11785

Arbeitnehmereigenschaft eines Mitarbeiters der Pressestelle einer ARD-Anstalt

Normenkette:

BGB § 611 ;

Gründe:

I. Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und einen Weiterbeschäftigungsanspruch. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Mit seiner Beschwerde begehrt der Beklagte die nachträgliche Zulassung der Revision durch das Bundesarbeitsgericht.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG ) liegen nicht vor. Die vom Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage, ob Programmpresseredakteure in den Schutzbereich des Grundrechts der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ) einzubeziehen sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Umfang des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährten Schutzes der Rundfunkanstalten bei der Bestimmung über das Rundfunkpersonal ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts geklärt. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Rundfunkmitarbeiter Rechnung zu tragen, die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendungen einbringen, wie es etwa bei Regisseuren, Moderatoren, Kommentatoren, Wissenschaftlern und Künstlern der Fall ist. Dagegen umfasst der verfassungsrechtliche Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht Personalentscheidungen der Rundfunkanstalten, bei denen dieser Zusammenhang fehlt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die Entscheidungen auf Mitarbeiter beziehen, die nicht unmittelbar den Inhalt der Sendungen mitgestalten. Hierzu zählen nicht nur das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal, sondern ebenso solche Mitarbeiter, deren Tätigkeit sich, wenn auch im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Programms stehend, in dessen technischer Realisation erschöpft und ohne inhaltlichen Einfluss auf dieses bleibt (BVerfG 13. Januar 1982 - 1 BvR 1047/77 - BVerfGE 59, 231 , zu C II 1 b der Gründe). Diese Rechtssätze sind nach wie vor maßgebend (vgl. BVerfG 22. August 2000 - 1 BvR 2121/94 - NZA 2000, 1097 ). Das Bundesarbeitsgericht hat sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen (vgl. Senat 20. Dezember 2000 - 5 AZR 61/99 - AP BGB § 611 Rundfunk Nr. 37 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84). Die vom Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ist damit nicht klärungsbedürftig.

2. Der weiteren vom Beklagten aufgeworfenen Rechtsfrage, ob und inwieweit auf Grund der Existenz von Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Selbständige, die nicht programmgestaltend tätig sind, einzelne für ein Arbeitsverhältnis sprechende Indizien auf Grund der umfassenden praktischen Konsequenzen aus den Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Selbständige abgeschwächt werden, kommt gleichfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu. Auch diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat in dem von der Beschwerde angezogenen Urteil vom 20. Dezember 2000 (- 5 AZR 61/99 - AP BGB § 611 Rundfunk Nr. 37 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84) entschieden, Bestandsschutztarifverträge seien im Rahmen der Gesamtwürdigung bei der Feststellung des Arbeitnehmerstatus zu berücksichtigen.

3. Eine entscheidungserhebliche Divergenz (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG ) besteht nicht.

a) Das Landesarbeitsgericht hat auf S. 7 der Entscheidungsgründe unter I 2 a keine abstrakten Rechtssätze formuliert, sondern einzelfallbezogen geprüft, ob der Kläger seine Tätigkeiten im Wesentlichen frei von Weisungen gestalten konnte.

b) Das Landesarbeitsgericht weicht nicht von einer Entscheidung eines anderen Landesarbeitsgerichts ab. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in dem von der Beschwerde angezogenen Urteil (LAG Rheinland-Pfalz 15. Juni 1993 - 9 Sa 370/93 -) den Rechtssatz aufgestellt, ein Weiterbeschäftigungsanspruch komme nach einem Erfolg in einem noch nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteil in einem Bestandsschutzverfahren nicht in Betracht, wenn zwischen den Parteien streitig sei, ob ein Vertragsverhältnis überhaupt begründet worden sei. Vorliegend geht es nicht um den Weiterbeschäftigungsanspruch nach einem erstinstanzlichen, sondern nach einem zweitinstanzlichen Urteil, gegen das das Rechtsmittel der Revision nicht zugelassen wurde. Eine Divergenz zwischen beiden Entscheidungen besteht deshalb nicht.

4. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG ). Die Rüge des Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe sich über entscheidungserheblichen Vortrag des Beklagten ohne Begründung hinweggesetzt und streitigen Sachvortrag als unstreitig der Entscheidung zugrunde gelegt und damit wesentlichen Tatsachenvortrag des Beklagten übergangen, ist unzutreffend. Allein der Umstand, dass sich die Gründe einer Entscheidung mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt nicht die Annahme, das Landesarbeitsgericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Hierzu bedarf es vielmehr besonderer Anhaltspunkte (BAG 22. März 2005 - 1 ABN 1/05 - AP ArbGG 1979 § 72a Rechtliches Gehör Nr. 3 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 101, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BVerfG 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 , 145).

Der auf S. 13 der Beschwerdebegründung wiedergegebene Vortrag des Beklagten zur fehlenden Weisungsgebundenheit geht nicht auf die vom Kläger erledigten Sonderaufgaben ein und steht deshalb nicht in Widerspruch zu den konkreten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auf S. 8 des Berufungsurteils (I 2 c der Gründe). Der Beklagte hat damit einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht dargelegt. Soweit der Beklagte auf S. 14 der Beschwerdebegründung ausführt, der Kläger habe sich bei Ausübung seiner Tätigkeit nicht in den Räumen des Beklagten aufhalten müssen, hat das Landesarbeitsgericht diesen Gesichtspunkt auf S. 8 unter I 2 b gewürdigt und aus der täglichen Anwesenheit des Klägers in den Geschäftsräumen geschlossen, dass diese vom Beklagten erwartet war. Es hat deshalb den entgegenstehenden Vortrag des Beklagten als widersprüchlich gewürdigt. Ob dies zutrifft, könnte nur in einem zulässigen Revisionsverfahren überprüft werden. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe Sonderaufgaben als Redaktionsaufgaben der Pressestelle angesehen und dem Kläger und seinen Kollegen zugewiesen, steht nicht in Widerspruch zu dem auf Bl. 15 der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Prozessvortrag des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 27. Dezember 2004. Daraus ergibt sich lediglich, dass der Kläger bei der Erledigung der Projekte eine größere zeitliche und räumliche Gestaltungsfreiheit als bei den sonstigen Aufgaben hatte. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass es sich bei diesen Aufgaben um Redaktionsaufgaben der Pressestelle handelte. Dass das Landesarbeitsgericht dem Vortrag des Beklagten nicht die aus seiner Sicht richtige Bedeutung beigemessen hat, führt nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs iSv. Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfG 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01 - NVwZ 2005, 81 zu III 2 b der Gründe).

5. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG abgesehen.

III. Der Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Beschwerde zu tragen.

IV. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG .

Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, vom 02.08.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 14 Sa 24/05
Fundstellen
ZUM-RD 2007, 506