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BVerwG - Entscheidung vom 13.06.2022

5 B 30.21

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3
GG Art. 104a

BVerwG, Beschluss vom 13.06.2022 - Aktenzeichen 5 B 30.21

DRsp Nr. 2022/11159

Zulässigkeit einer Zuwendungsfinanzierung i.R. der Kindertagesbetreuung; Einbeziehung Privater in den staatlichen Aufgabenvollzug

Im Hinblick auf Art. 104a Abs. 1 GG kommt es für die Frage, ob mit der Subventionierung privater Dritter in den Aufgabenbereich einer anderen Gebietskörperschaft übergegriffen wird, darauf an, ob die Tätigkeit des (mit-)finanzierten Privaten als Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe der anderen Gebietskörperschaft anzusehen ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 14. Juli 2021 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3; GG Art. 104a ;

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

a) Die Beschwerde hält zunächst folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"Folgt aus dem Rechtsanspruch der Leistungsberechtigten auf Betreuung gem. § 24 SGB VIII und dem Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten aus § 5 SGB VIII eine Beschränkung der Finanzierungsform der Kindertagesbetreuung und ein Ausschluss [...] der Zuwendungsfinanzierung, da die Zulassung neuer Anbieter verhindert wird?"

Sie begründet dies damit, dass eine entgeltfinanzierte Förderung der freien Träger unter Berücksichtigung der Gewährleistungspflicht, die aus § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII folge, zwingend geboten sei. Die in § 74 SGB VIII geregelten Voraussetzungen seien mit der Erfüllung von Rechtsansprüchen oder von objektiv-rechtlichen Verpflichtungen des § 24 SGB VIII nicht vereinbar. Die Beschwerde genügt insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO , weil nicht aufgezeigt wird, dass dieses Vorbringen auf eine ungeklärte Frage des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ) gerichtet ist.

Die Beschwerde legt bereits nicht dar, unter welchen normativen Gesichtspunkten den §§ 5 und 24 SGB VIII ein Ausschluss der Zuwendungsfinanzierung zugunsten einer von ihr für zutreffend erachteten Entgeltfinanzierung zu entnehmen sein soll. Demgemäß erläutert sie auch nicht näher, weshalb die in § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII , der von § 18 Abs. 2 BremKTG in Bezug genommen wird, ausdrücklich vorgesehene Erbringung einer angemessenen Eigenleistung durch den freien Jugendhilfeträger mit der Gewährleistungsverpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers bzw. dem Anspruch der Leistungsberechtigten unvereinbar sein soll. Sie begründet überdies die mit der Grundsatzfrage aufgestellte Behauptung nicht, dass anderenfalls eine Zulassung neuer Anbieter im Bereich der Kindertagespflege verhindert werde. Insoweit verdeutlicht die Beschwerde auch die Entscheidungserheblichkeit der Frage nicht, was deshalb erforderlich gewesen wäre, weil die Klägerin kein "neuer Anbieter" ist. Soweit sie im Übrigen § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII wegen der Gewährleistungsverpflichtung in Bezug nimmt, ist dies unverständlich, weil sich dieser Norm keine derartige Pflicht entnehmen lässt; eine solche folgt vielmehr aus § 79 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 5 C 19.16 - BVerwGE 160, 212 Rn. 30). Schließlich wird die Beschwerde den Darlegungsanforderungen deshalb nicht gerecht, weil sie sich mit den ausführlichen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit einer Zuwendungsfinanzierung nicht in der erforderlichen Weise näher auseinandersetzt. Hierfür genügt es auch nicht, dass sie zum Beleg der vermeintlichen Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage eine Kommentarstelle (Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII , 5. Aufl. 2015, § 74a Rn. 4) wiedergibt, die ihrerseits in erster Linie Erwägungen rechtspolitischer Art enthält und ein Verbot der Zuwendungsfinanzierung jedenfalls nicht begründet.

b) Die Beschwerde hält außerdem folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"Ist die Verpflichtung freier Träger, welche Leistungen im Bereich der staatlichen Pflichtaufgaben erfüllen, zur Aufwendung erheblicher Eigenmittel vereinbar mit den Grundsätzen der Finanzverfassung gemäß Art. 104a GG ?"

Die Beschwerde will damit geklärt wissen, ob dem Art. 104a Abs. 1 GG ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen ist, nach dem privaten Anbietern, die eine staatliche Pflichtaufgabe ausführen, ihr finanzieller Aufwand vollständig durch den öffentlichen Aufgabenträger zu erstatten ist. Sie erfüllt aber auch insoweit nicht die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO , weil sie sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend auseinandersetzt und auch sonst keinen entsprechenden Klärungsbedarf aufzeigt.

Nach Art. 104a Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschrift verbietet, dass der Bund die Erfüllung von Aufgaben eines Landes mitfinanziert und dass umgekehrt die Länder die Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes mitfinanzieren. Dieses Verbot einer Kostenbeteiligung einer Gebietskörperschaft außerhalb ihrer Aufgabenzuständigkeit an einer Aufgabe, die von einer anderen Gebietskörperschaft in alleiniger Verwaltungszuständigkeit wahrzunehmen ist, soll die Gestaltungsbefugnis der zuständigen Gebietskörperschaft schützen und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der parlamentarischen Kontrolle erhalten. Sie dient damit der Sicherung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung. Mit Rücksicht darauf kommt es auch für die Frage, ob mit der Subventionierung privater Dritter in den Aufgabenbereich einer anderen Gebietskörperschaft übergegriffen wird, darauf an, ob die Tätigkeit des (mit-)finanzierten Privaten als Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe der anderen Gebietskörperschaft anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2016 - 10 C 7.15 - BVerwGE 155, 230 Rn. 19 ff. m. w. N.; Tappe, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Stand Dezember 2021, Art. 104a Rn. 131).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zeigt die Beschwerde auch einen weiteren Klärungsbedarf nicht substantiiert auf. Sie führt insbesondere nicht anhand der allgemeinen Auslegungskriterien aus, warum der Regelung des Art. 104a Abs. 1 GG auch mit Blick auf die Einbeziehung Privater in den staatlichen Aufgabenvollzug nicht allein eine kompetenzwahrende Aussage in Bezug auf das bundesstaatliche Verhältnis, sondern ein Gebot einer vollständigen Refinanzierung der daran beteiligten privaten Dritten zu entnehmen sein soll, das diesen letztlich einen verfassungsrechtlich begründeten Individualanspruch auf staatliche Leistungen in einer bestimmten Höhe ("Entgelt") vermitteln würde. Allein der Verweis in der Beschwerdebegründung darauf, dass der Wortlaut eine solche Auslegung nicht ausschließe, genügt zur Erfüllung der Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

c) Die Beschwerde formuliert schließlich als Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung:

"Genügt die Regelung des § 18 Abs. 3 Satz 1 BremKTG dem Bestimmtheitsgrundsatz i. S. d. Art. 20 III GG und gebietet dieser eine Bestimmung der Höhe der Eigenleistung?"

Sie wird auch damit nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gerecht, weil nicht aufgezeigt wird, dass die von ihr formulierte Frage und das zu ihrer Begründung unterbreitete Vorbringen auf eine ungeklärte Frage des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ) gerichtet sind.

§ 18 Abs. 3 Satz 1 BremKTG gehört dem gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisiblen Landesrecht an. Das Bundesverwaltungsgericht hat somit nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO von ihrer Auslegung durch die Vorinstanz auszugehen und ist im Übrigen auf die Prüfung beschränkt, ob der festgestellte Bedeutungsgehalt des Landesrechts mit Bundesrecht, insbesondere mit Bundesverfassungsrecht, vereinbar ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 23. Januar 2017 - 6 B 43.16 - juris Rn. 22 und vom 28. Mai 2020 - 5 BN 2.19 - juris Rn. 7). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundes(verfassungs)recht bei der Auslegung von Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundes(verfassungs)rechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung aufwirft, nicht dagegen, wenn der dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Inhalt des Landesrechts mit Blick auf seine Übereinstimmung mit Bundes(verfassungs)recht angezweifelt wird. Die Begründung der Beschwerde muss auch in diesem Fall nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die konkrete bundes(verfassungs)rechtliche Norm benennen, mit welcher die Vorschrift des Landesrechts angeblich nicht vereinbar ist und die daraus angeblich abzuleitenden bundesrechtlichen Anforderungen, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren aufzeigen. Es ist substantiiert darzutun, dass die bundes(verfassungs)rechtliche Norm in ihrer Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder noch nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um ihre Funktion als Maßstabsnorm für niederrangiges Recht erfüllen zu können (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2020 - 5 B 6.20 - juris Rn. 10 und vom 28. Mai 2020 - 5 BN 2.19 - juris Rn. 9 m. w. N.). Das ist hier nicht ansatzweise geschehen. Vielmehr bemängelt die Beschwerde der Sache nach lediglich, dass das Oberverwaltungsgericht einen vermeintlichen Verstoß des § 18 Abs. 3 Satz 1 BremKTG gegen Art. 20 Abs. 3 GG nicht erkannt, also das Bundesverfassungsrecht falsch angewandt habe.

2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Die Entscheidung über die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO , weil es sich um ein Verfahren in einer Angelegenheit der Jugendhilfe im Sinne dieser Vorschrift handelt. Die Ausnahmeregelung des § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO greift nicht ein. Denn es handelt sich hier nicht um einen Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern, weil die Klägerin als freie Trägerin nicht zu diesen gehört.

Vorinstanz: OVG Bremen, vom 14.07.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 2 LC 112/20