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BVerwG - Entscheidung vom 04.01.2022

5 B 4.21

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 137 Abs. 1
WAG NRW § 3 Nr. 1

BVerwG, Beschluss vom 04.01.2022 - Aktenzeichen 5 B 4.21

DRsp Nr. 2022/4257

Bestimmung des Begriffs des Wohnens im Sinne des Wohnungsaufsichtsgesetzes (WAG); Dauerhaftigkeit der Nutzung im Sinne des § 3 Nr. 1 WAG

Eine vermeintliche Verletzung von Bundes(verfassungs-)recht bei der Auslegung oder Anwendung von Landesrecht kann die Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundes(verfassungs-)rechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, nicht dagegen, wenn der dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Inhalt des Landesrechts mit Blick auf seine Übereinstimmung mit Bundes(verfassungs-)recht angezweifelt wird.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. November 2020 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; VwGO § 137 Abs. 1 ; WAG NRW § 3 Nr. 1;

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

Die Beschwerde hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"Ist zur Bestimmung des Begriffs des Wohnens im Sinne des Wohnungsaufsichtsgesetzes , insbesondere der Dauerhaftigkeit der Nutzung im Sinne des § 3 Nr. 1 WAG alleine darauf abzustellen, dass die Wohnsitznahme zu einem Zweck erfolgt, der von seinem Wesen her zeitlich bis zur Erreichung eines bestimmten Ziels begrenzt ist, ohne dass es auf eine Abgrenzung von längerer und kürzerer, unbefristeter oder befristeter Nutzungsdauer ankommt?"

"Bestimmt alleine die Absicht, nach unbestimmter oder bestimmter Frist aufgrund der Erreichung eines Ziels die angemietete Wohnung wieder aufzugeben, darüber, ob eine dauerhafte Nutzung bzw. Zweckentfremdung im Sinne des Zweckentfremdungsrechtes vorliegt oder ist vielmehr die tatsächliche Nutzung der vermieteten Wohnung im Sinne der Begründung des Lebensmittelpunktes und der Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken, insbesondere der Begründung eines Haushalts, entscheidend?"

"Stellt Abstellen darauf, dass die Anmietung einer Wohnung zum Zwecke der Durchführung einer medizinischen Behandlung die beabsichtigte Beendigung des Mietverhältnisses und den Wegzug zwingend erwarten lässt und damit eine Zweckentfremdung begründet, die Diskriminierung Schwerbehinderter im Sinne des Art. 3 Abs. 1 und 3 GG und § 1 AGG i.V.m. § 2 Abs. 1 Ziffer 8 AGG dar, da anders als in anderen Fällen der zweckbedingten Anmietung von Wohnraum, alleine aus der Durchführung der medizinischen Heilbehandlung auf eine zweckentfremdende Nutzung des Wohnraums geschlossen wird und begründet die pauschale Annahme, eine Zweckentfremdung liege vor, da die Wohnsitznahme nach Abschluss der medizinischen Behandlung aufgegeben werde und das hieraus resultierende Verbot des Klägers, an solche Personen eine Wohnung zu vermieten die Pflicht des Klägers zur Diskriminierung dieser Person?"

Mit diesen Fragen und dem zu ihrer Begründung jeweils unterbreiteten Vorbringen hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht dargetan.

a) Hinsichtlich der ersten Frage, die sich auf den Begriff des Wohnens im Sinne des nordrhein-westfälischen Wohnungsaufsichtsgesetzes - WAG NRW - vom 10. April 2014 (GV. NRW. S. 269), insbesondere auf den Begriff der "dauernden Wohnnutzung" im Sinne des § 3 Nr. 1 WAG NRW bezieht, kann dahin stehen, ob es schon an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit fehlt, weil es sich bei dieser Vorschrift um ausgelaufenes Recht handelt und die Beschwerde nicht - wie es in einem solchen Fall erforderlich ist - aufgezeigt hat, dass sich die streitige Frage bei der gesetzlichen Bestimmung des § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung des Wohnungswesens in Nordrhein-Westfalen - Wohnraumstärkungsgesetz (WohnStG) - vom 23. Juni 2021 (GV. NRW. S. 765), die der außer Kraft getretenen Vorschrift zum 1. Juli 2021 nachgefolgt ist, in gleicher Weise stellt und ihre Klärung von allgemeiner Bedeutung ist (s. zum Darlegungserfordernis bei ausgelaufenem Recht etwa BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2011 - 5 B 54.10 - juris Rn. 6 ff. m.w.N.). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage ist jedenfalls deshalb nicht rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig, weil die Auslegung und Anwendung des § 3 Nr. 1 WAG NRW nicht revisibles Landesrecht betrifft. Diese Vorschrift beruht auf der im Zuge der Föderalismusreform 2006 auf die Länder übergegangenen ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für das Zweckentfremdungsrecht im Wohnungswesen (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 13).

Fragen des Landesrechts können die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen, weil sie in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden können. Nach § 137 Abs. 1 VwGO kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil Bundesrecht (Nr. 1) oder eine Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes verletzt, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt (Nr. 2). Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Auslegung und Anwendung des Landesrechts durch die Vorinstanz gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO ). Es ist darauf beschränkt nachzuprüfen, ob der festgestellte Bedeutungsgehalt des Landesrechts mit Bundesrecht, insbesondere mit Bundesverfassungsrecht, vereinbar ist (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2017 - 6 B 43.16 - juris Rn. 22 m.w.N.). Das gilt auch für die Regelungen des nordrhein-westfälischen Zweckentfremdungsrechts im Wohnungswesen.

b) Aus dem gleichen Grund zeigt die Beschwerde auch mit der zweiten Frage keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Die Frage knüpft ausweislich der zu ihrer Begründung gemachten Ausführungen an die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs der dauernden Wohnnutzung im Sinne des § 3 Nr. 1 WAG NRW an. Sie zielt im Kern gegen das vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Verständnis der gegensätzlichen Begriffe "Wohnzweck" und "Entziehung des Wohnzwecks" bzw. "Zweckentfremdung" im Sinne des Zweckentfremdungsrechts. Mit diesen Begriffen sind erneut Fragen des Landesrechts angesprochen.

Auch mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde zur zweiten Frage lässt sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht darlegen. Die Beschwerde rügt, dass das Ergebnis der vom Oberverwaltungsgericht vorgenommenen Subsumtion ("gemessen an diesen Maßstäben"), eine Vermietung an Personen, die aus dem arabischen Raum nach Deutschland kämen, um sich selbst medizinisch behandeln zu lassen oder weil sich ein Familienangehöriger einer medizinischen Behandlung unterziehe, sei keine Vermietung zu Wohnzwecken, insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Wohnungsmietrecht sowie zum Wohnungseigentumsrecht nicht vereinbar sei. Damit setzt die Beschwerde lediglich der ihrer Ansicht nach fehlerhaften Rechtsauffassung und -anwendung des Oberverwaltungsgerichts ihre eigene, zu einem anderen Ergebnis führende Rechtsmeinung und Subsumtion entgegen, was in der Regel und so auch hier die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu begründen vermag.

c) Soweit die Beschwerde mit der dritten Frage der Sache nach die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesverfassungsrecht bzw. Bundesrecht erhebt, genügt ihr Vorbringen ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO .

Eine vermeintliche Verletzung von Bundes(verfassungs-)recht bei der Auslegung oder Anwendung von Landesrecht kann die Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundes(verfassungs-)rechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, nicht dagegen, wenn der dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte Inhalt des Landesrechts mit Blick auf seine Übereinstimmung mit Bundes(verfassungs-)recht angezweifelt wird. Die Begründung der Beschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO muss dementsprechend darlegen, dass die Auslegung einer gegenüber dem angewendeten Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten bundes(verfassungs-)rechtlichen Vorschrift als solche eine ungeklärte Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die Beschwerde muss also die konkrete bundes(verfassungs-)rechtliche Norm benennen, mit welcher die Vorschrift des Landesrechts angeblich nicht vereinbar ist, und die daraus angeblich abzuleitenden bundesrechtlichen Anforderungen, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren aufzeigen. Es ist substantiiert darzutun, dass die Bundes(verfassungs-)norm in ihrer Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder noch nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um ihre Funktion als Maßstabsnorm für niederrangiges Recht erfüllen zu können (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 22. Oktober 2020 - 5 BN 3.20 - juris Rn. 9 und vom 26. November 2020 - 5 B 20.20 - juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde formuliert keine konkrete Rechtsfrage bezüglich der von ihr genannten Maßstabsnormen des Bundes(verfassungs-)rechts. Hierzu genügt es nicht, dass sie in der von ihr formulierten Frage Art. 3 Abs. 1 und 3 GG sowie § 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 8 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG - vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897 ), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610 ) ausdrücklich benennt und darüber hinaus im Rahmen ihrer weiteren Begründung auf das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht Bezug nimmt. Gleiches gilt für die bloße Behauptung, das Oberverwaltungsgericht verlange vom Kläger ein diskriminierendes Verhalten, soweit es alleine aus der Durchführung der medizinischen Heilbehandlung auf eine Zweckentfremdung schließe und demzufolge die Aufforderung der Beklagten an den Kläger, die Vermietung an sogenannte "Medizintouristen" zu beenden, für rechtmäßig ansehe. Die Beschwerde zeigt nicht ansatzweise - was erforderlich gewesen wäre - auf, dass und inwieweit die genannten Artikel des Grundgesetzes oder des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ihrerseits entscheidungserhebliche ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen. Eine derartige Frage im Hinblick auf die Auslegung der als verletzt gerügten §§ 1 und 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG ist insbesondere auch nicht den Ausführungen der Beschwerde zu entnehmen, der Begriff der Behinderung im Sinne des § 1 AGG sei unabhängig vom nationalrechtlichen Begriff der Schwerbehinderung im Sinne des Sozialgesetzbuches als autonomer europarechtlicher Begriff zu bestimmen und erfasse die Abweichung des gesundheitlichen Zustandes von Menschen gleichen Alters. Auch damit beanstandet die Beschwerde im Kern lediglich, dass die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der im konkreten Fall anzuwendenden zweckentfremdungsrechtlichen Vorschriften mit den vorgenannten bundes(verfassungs-)rechtlichen Regelungen nicht im Einklang stehe. Ein bundesrechtlicher Klärungsbedarf hinsichtlich der vorgenannten Maßstabsnormen ist damit nicht dargelegt.

2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO .

4. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 , § 52 Abs. 2 VwGO .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 19.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 14 A 4304/19