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BVerwG - Entscheidung vom 16.09.2022

6 B 31.22

Normen:
RBStV § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 und Nr. 9 und Nr. 10 Alt. 1
BayLPflGG Art. 2 Abs. 4 S. 4

BVerwG, Beschluss vom 16.09.2022 - Aktenzeichen 6 B 31.22

DRsp Nr. 2022/15209

Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen des Bezugs von Pflegegeld; Prüfen der wirtschaftlichen Bedürftigkeit durch eine Sozialbehörde

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Normenkette:

RBStV § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 und Nr. 9 und Nr. 10 Alt. 1; BayLPflGG Art. 2 Abs. 4 S. 4;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, weil ihr Ehemann Pflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz bezieht. Ihren entsprechenden Antrag lehnte der Beklagte ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin ist ebenso wie die anschließend erhobene Klage in beiden Instanzen erfolglos geblieben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nicht zustehe. Der Bezug von Pflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG) erfülle nicht den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV. Diese Norm erfasse zwar ihrem Wortlaut nach "Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften". Auf die Bezeichnung der Rechtsgrundlage komme es jedoch nicht an. Nach Sinn und Zweck der Norm sowie der Normsystematik sei eine Befreiung wegen des Bezugs von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften nur gerechtfertigt, wenn vor der Gewährung der Sozialleistung eine Bedürftigkeitsprüfung durchgeführt worden sei. Der Katalog von Befreiungstatbeständen in § 4 Abs. 1 RBStV setze voraus, dass der Beitragsschuldner eine dort genannte Sozialleistung beziehe oder von dem in § 4 Abs. 1 Nr. 9 und Nr. 10 Alt. 1 RBStV bezeichneten Personenkreis erfasst werde. Dem liege das System der sog. bescheidgebundenen Befreiung zugrunde. Nur derjenige habe einen Befreiungsanspruch, dessen wirtschaftliche Bedürftigkeit durch eine Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt worden sei oder dem vom Staat bestätigt werde, dass er die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung erfülle. Dies gelte auch für § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV. Der Gesetzgeber habe mit dem Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV die bisher in § 6 Abs. 1 RGebStV normierten einkommensabhängigen Befreiungstatbestände erhalten wollen. Auch die beiden weiteren in § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV geregelten Sozialleistungen hingen von der Bedürftigkeit des Anspruchsberechtigten ab. Da das bayerische Landespflegegeld nach seiner gesetzlichen Zweckbestimmung nicht als Sozialleistung ausgestaltet sei und allen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 in Bayern unabhängig von ihrem Einkommen und Vermögen gewährt werde, falle es nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV. Dies habe der Landesgesetzgeber in Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayLPflGG klargestellt. Wenn Rundfunkanstalten in anderen Bundesländern wegen des Bezugs von Landespflegegeld eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV erteilten, könne die Klägerin hieraus keinen Befreiungsanspruch im Wege der Gleichbehandlung herleiten. Andere Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände seien nicht gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Divergenz geltend macht.

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt erfolglos. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ist eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet, kommt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nur in Betracht, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 24. August 2017 - 6 B 55.17 - juris Rn. 4 m. w. N.). Anhand dieses Maßstabes kommt die Zulassung der Revision wegen der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen, auf deren Prüfung der Senat nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO beschränkt ist, nicht in Betracht.

a) Die Klägerin erachtet zum einen die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,

- "ob Voraussetzung für die Gewährung einer Beitragsbefreiung in den Fällen von § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 und Nr. 10 Alt. 2 RBStV jeweils ist, dass die Sozialbehörden (auch) eine wirtschaftliche Bedürftigkeit festgestellt und hierauf in Form von Sozialleistungen reagiert haben",

- "ob dieses Normverständnis auch für die Regelung zum Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV gilt",

- "ob eine Befreiung von den Rundfunkgebühren nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV wirtschaftliche Bedürftigkeit voraussetzt" und

- "ob es sich bei einer landesgesetzlichen Regelung, nach der derjenige eine zusätzliche finanzielle Zuwendung erhält, der nachweist, dass er an mindestens einem Tag des Pflegegeldjahres in einem Umfang von mindestens Pflegegrad 2 pflegebedürftig war, um ein Pflegegeld im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV handelt".

Die erste Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision bereits deshalb nicht, weil sie sich in dem Revisionsverfahren in der Allgemeinheit nicht stellen würde. Entscheidungserheblich ist allein, ob eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV voraussetzt, dass die Gewährung von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften die Prüfung einer wirtschaftlichen Bedürftigkeit bedingt. Diese Frage lässt sich indes auf der Grundlage der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung beantworten, sodass auch die beiden weiteren Fragen nicht zur Revisionszulassung führen. Danach kommen die in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführten Befreiungstatbestände, soweit sie an den Bezug von Sozialleistungen anknüpfen, nur denjenigen Personen zugute, die nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen außerstande sind, Rundfunkbeiträge zu bezahlen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2018 - 6 C 48.16 - BVerwGE 161, 224 Rn. 39; Beschluss vom 14. Juli 2022 - 6 B 13.22 - juris Rn. 9). Hiermit ist geklärt, dass der Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV - wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend in seinem Urteil ausgeführt hat - die Prüfung der wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Empfängers durch die das Pflegegeld bewilligenden Stelle voraussetzt. Hieraus folgt zugleich, dass die vierte Frage nicht klärungsfähig ist, da der Nachweis des Pflegegrads 2 nicht allein für das Vorliegen des Befreiungstatbestandes ausreicht.

Die Klägerin zeigt mit ihrer Beschwerde keinen weitergehenden Klärungsbedarf auf, sondern verweist stattdessen auf höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Zwecken von anderweitigen Pflegegeldleistungen, für deren Bewilligung die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Pflegegeldempfängers keine Bedeutung entfaltet, ohne sich mit der Rechtsprechung des Senats zum hier maßgebenden Befreiungstatbestand auseinanderzusetzen. Sie bezweifelt damit die mit der Senatsrechtsprechung übereinstimmende Rechtsprechung des Berufungsgerichts zu § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV. Solche Zweifel stellen aber keinen Revisionsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2022 - 6 B 15.21 - NVwZ 2022, 990 Rn. 10).

b) Auch die Fragen,

- "ob § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 [RBStV] den Landesgesetzgeber - sofern er ein Landespflegegeldgesetz erlässt - daran hindert, darin die Möglichkeit einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht auszuschließen" und

- "ob eine Vertragspartei eines multilateralen, föderalen Staatsvertrages, der an eine genau bezeichnete gesetzliche Norm des Rechtes der jeweiligen Parteien eine konkrete Rechtsfolge knüpft, die Möglichkeit hat, in ihrem jeweiligen Recht den Eintritt dieser Rechtsfolge auszuschließen",

rechtfertigen die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht. Diese Fragen würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, da die Gewährung von Pflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV nicht erfüllt. Demzufolge erweist sich die Frage eines expliziten landesgesetzlichen Ausschlusses der staatsvertraglich vereinbarten Befreiungsmöglichkeit als nicht entscheidungserheblich. Insoweit hätte der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO die Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde zu legen, dass die Gewährung des bayerischen Landespflegegeldes nicht von einer wirtschaftlichen Bedürftigkeitsprüfung abhängt.

2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 14 und vom 18. Juli 2019 - 6 B 18.19 - juris Rn. 8).

Gemessen hieran genügt die Divergenzrüge der Klägerin schon nicht den Darlegungsanforderungen. Die Klägerin zitiert bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den Folgen der vollständigen oder teilweisen Beseitigung eines (nichtigen) parlamentarischen Zustimmungsbeschlusses zu einem Gliedstaatsvertrag (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1976 - 7 A 1.76 - BVerwGE 50, 137 <144>) sowie zur Auslegung von Staatsverträgen (BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2017 - 6 B 43.16 - KirchE 69, 53 Rn. 25), ohne einen Rechtssatz zu bezeichnen, von dem das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise abgewichen sein soll. Stattdessen rügt sie im Stile einer Revisionsbegründung die fehlerhafte Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Staatsverträgen und deren Folgen, eine fehlerhafte Auslegung des rundfunkbeitragsrechtlichen Befreiungstatbestandes sowie eine Verletzung des Grundsatzes der Bundestreue mit Blick auf das den Senat bindende berufungsgerichtliche Verständnis von Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayLPflGG. Hierbei verkennt sie, dass der Verwaltungsgerichtshof in entscheidungserheblicher Weise ebenfalls von der Bindung des Beklagten an den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ausgegangen ist und die Gewährung von Pflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz als von § 4 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 3 RBStV nicht erfasst angesehen hat, weil es sich bei der zum 1. Januar 2019 durch Art. 10a des Gesetzes vom 24. Mai 2017 (GVBl. BY S. 266) eingeführten (klarstellenden) Ausschlussregelung des Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayLPflGG nicht um kollidierendes Landesrecht handelt (vgl. dazu auch VGH München, Urteil vom 22. Februar 2022 - 7 BV 21.2209 - juris Rn. 26 ff.).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2022 - 6 B 13.22 - juris Rn. 13 m. w. N.).

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 24.06.2022 - Vorinstanzaktenzeichen 7 BV 20.604