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BVerfG - Entscheidung vom 21.07.2022

1 BvR 1147/22

Normen:
GG Art. 94 Abs. 2 S. 2
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2
BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1
BVerfGG § 92
GG Art. 94 Abs. 2 S. 2
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2
BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1
BVerfGG § 92
GG Art. 94 Abs. 2 S. 2
BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2
BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1
BVerfGG § 92

BVerfG, Beschluss vom 21.07.2022 - Aktenzeichen 1 BvR 1147/22

DRsp Nr. 2022/11908

Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegenüber fachgerichtlichem Rechtsschutz in der Hauptsache bei der Rüge fachgerichtlicher Eilentscheidungen

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Normenkette:

GG Art. 94 Abs. 2 S. 2; BVerfGG § 23 Abs. 1 S. 2; BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1; BVerfGG § 92 ;

[Gründe]

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, denn es ist nicht dargelegt, dass der in Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG angelegte Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 BVerfGG ) gewahrt worden ist.

1. Richten sich Verfassungsbeschwerden wie hier gegen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, gebietet der Grundsatz der materiellen Subsidiarität regelmäßig die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache, wenn Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 77, 381 <401>; 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>; stRspr).

2. Verzichtbar ist dies nur, wenn eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, die das Fachgericht gerade durch die Art und Weise der Bearbeitung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verursacht hat. Das kann der Fall sein, wenn die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beziehungsweise Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorläufige Rechtsschutzgewährung verkannt worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. September 2014 - 1 BvR 23/14 -, Rn. 23) oder der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wurde (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. März 2019 - 1 BvR 2721/16 -, Rn. 16 f.). Hier rügt der Beschwerdeführer zwar eine Verletzung rechtlichen Gehörs. Doch fehlen Anhaltspunkte dafür, dass ein fachgerichtliches Anhörungsrügeverfahren durchgeführt worden ist. Im Übrigen wird auch eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr rügt die Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen eine auf die Hauptsache bezogene Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG durch die Auslegung von § 1a Abs. 3 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz ( AsylbLG ) in Verbindung mit § 1a Abs. 1 AsylbLG durch das Landessozialgericht. Das aber ist Gegenstand der Hauptsache.

3. Der Beschwerdeführer hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache unzumutbar wäre (vgl. dazu BVerfGE 77, 381 <401 f.>; 78, 290 <301 f.>; 79, 275 <278 f.>; 104, 65 <70 f.>). Ein Rechtsbehelf in der Hauptsache erscheint nicht von vornherein aussichtslos. Denn das Landessozialgericht hat höhere Leistungen nicht von vornherein ausgeschlossen; das Sozialgericht hat dem Beschwerdeführer in einem anderen sozialgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren mitgeteilt, dass es sich dieser Auffassung anschließen wolle.

4. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers liegen auch die Voraussetzungen, unter denen nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 77, 381 <401 f.>; 78, 290 <301 f.>; 79, 275 <278 f.>; 104, 65 <70 f.>), nicht auf der Hand. Auch hier ist das Bundesverfassungsgericht auf die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die sachnäheren Fachgerichte angewiesen (vgl. BVerfGE 79, 1 <20>; 86, 382 <386 f.>; 114, 258 <279>; dazu auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Juli 2020 - 1 BvR 1630/20 -, Rn. 14). Zudem sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür mitgeteilt, dass durch eine spätere Entscheidung dem Beschwerdeführenden nicht mehr korrigierbare, irreparable Schäden drohen (vgl. für den Fall von Grundleistungen der sozialen Sicherung BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2017 - 1 BvR 1719/17 -, Rn. 8).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

II.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf einstweilige Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 13.05.2022 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 AY 331/22 ER-B