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BVerfG - Entscheidung vom 09.03.2022

2 BvR 1668/17, 2 BvR 2671/17, 2 BvR 1866/18, 2 BvR 2133/18, 2 BvR 2144/18, 2 BvR 2473/18, 2 BvR 2493/18, 2 BvR 1052/19, 2 BvR 1201/19, 2 BvR 1288/19, 2 BvR 39/20, 2 BvR 205/20, 2 BvR 713/21

Normen:
BVerfGG § 22 Abs. 1 S. 1
BVerfGG § 22 Abs. 1 S. 4
BVerfGG § 93d Abs. 1 S. 3
BVerfGG § 22 Abs. 1 S. 1 und S. 4
BVerfGG § 93d Abs. 1 S. 3
BVerfGG § 22 Abs. 1 S. 1 und S. 4
BVerfGG § 93d Abs. 1 S. 3
StrRehaG § 1 Abs. 5
StrRehaG § 7 Abs. 4 S. 1-2

BVerfG, Beschluss vom 09.03.2022 - Aktenzeichen 2 BvR 1668/17, 2 BvR 2671/17, 2 BvR 1866/18, 2 BvR 2133/18, 2 BvR 2144/18, 2 BvR 2473/18, 2 BvR 2493/18, 2 BvR 1052/19, 2 BvR 1201/19, 2 BvR 1288/19, 2 BvR 39/20, 2 BvR 205/20, 2 BvR 713/21

DRsp Nr. 2022/4944

Rehabilitierungsanträge nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ( StrRehaG ) hinsichtlich der Rehabilitierung von Vorfahren wegen deren Enteignung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)

Tenor

Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Anträge auf Zulassung von Herrn Dr. G. als Beistand mit Ausnahme des - gegenstandslosen - Antrags in dem Verfahren 2 BvR 713/21 werden abgelehnt.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Normenkette:

BVerfGG § 22 Abs. 1 S. 1 und S. 4; BVerfGG § 93d Abs. 1 S. 3; StrRehaG § 1 Abs. 5 ; StrRehaG § 7 Abs. 4 S. 1-2;

[Gründe]

I.

1. Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Ablehnung von Rehabilitierungsanträgen der Beschwerdeführer nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ( StrRehaG ) hinsichtlich der Rehabilitierung ihrer Vorfahren (nachfolgend: Betroffene) wegen deren Enteignung in der Sowjetischen Besatzungszone (nachfolgend: SBZ). Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, bei diesen Enteignungen habe es sich um strafrechtliche Maßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 5 StrRehaG gehandelt. Die Fachgerichte haben dies im Kern durchgängig mit der Begründung abgelehnt, die Betroffenen seien damals allein aufgrund der Größe ihres Grundbesitzes enteignet worden; ein individueller strafrechtlicher Schuldvorwurf im Sinne einer strafrechtlichen Maßnahme nach § 1 Abs. 5 StrRehaG sei damit nicht einhergegangen.

So liegt auch die Entscheidung des Landgerichts Neubrandenburg in dem Verfahren 2 BvR 713/21. In dem darauffolgenden Beschwerdeverfahren verwarf das Oberlandesgericht Rostock die Beschwerde als unzulässig. Der Unterzeichner der Beschwerdeschrift zähle nicht zu dem gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 StrRehaG vertretungsberechtigten Kreis, da er seine Anwaltszulassung zurückgegeben habe. Eine Zustimmung des Gerichts gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 StrRehaG zur Wahl des Unterzeichners als Bevollmächtigten liege nicht vor und komme auch nicht im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen in Betracht. Aus der dem Senat vorliegenden Vollmacht ergebe sich, dass der Beschwerdeführer eine Vertretung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt beanspruchen könne. Bevollmächtigt sei danach die "Anwaltskanzlei Ga., Dr. G. & von X.", wobei Herr Dr. G. und Frau X. keine Rechtsanwälte seien.

2. Sämtliche Verfassungsbeschwerden sind ausschließlich ebenfalls durch denselben Unterzeichner unterzeichnet. Die vorgelegten Vollmachten wurden sämtlich "der Anwaltskanzlei Ga., Dr. G. und X. (...) zur Durchführung eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens" gegen die jeweils angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen erteilt. In den Jahren 1983 bis 2013 war und seit Februar 2021 ist der Unterzeichner zur Rechtsanwaltschaft zugelassen; bei Erhebung der Verfassungsbeschwerden mit Ausnahme des Verfahrens 2 BvR 713/21 verfügte er nicht über eine Anwaltszulassung.

II.

1. a) Die Anträge auf Zulassung als Beistand sind mit Ausnahme des Antrags in dem Verfahren 2 BvR 713/21 abzulehnen.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht eine Person als Beistand eines Beteiligten zulassen. Die Zulassung als Beistand ist in das pflichtgemäße Ermessen des Bundesverfassungsgerichts gestellt. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn sie objektiv sachdienlich und subjektiv notwendig ist (vgl. BVerfGE 8, 92 <94>; 68, 360 <361>; 154, 372 <379 Rn. 26>; BVerfGK 13, 171 <180 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Juli 2015 - 2 BvR 1245/15 -, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2017 - 2 BvR 512/17 -, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2017 - 2 BvR 800/17 -, Rn. 1). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn es dem Beschwerdeführer unzumutbar wäre, sich durch einen Bevollmächtigten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vertreten zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. April 2018 - 2 BvR 492/18 -, Rn. 1).

Zwar trägt der Unterzeichner vor, seine Zulassung als Beistand sei aufgrund seiner besonderen, durch eine Dissertation ausgewiesenen rechtshistorischen Expertise im Zusammenhang mit Vermögensentziehungen in der SBZ sachdienlich. Damit ist sie aber noch nicht für die Beschwerdeführer subjektiv notwendig. Sie haben mit Rechtsanwältin Ga. eine gemäß § 22 Abs. 1 BVerfGG zur Prozessvertretung zugelassene Person bevollmächtigt. Es ist nicht erkennbar, weshalb unter diesen Umständen eine Vertretung durch sie unzumutbar gewesen sein sollte.

b) In dem Verfahren 2 BvR 713/21 ist der Zulassungsantrag, der mit verfahrenseinleitendem Schriftsatz im Oktober 2020 gestellt wurde, gegenstandslos. Der Unterzeichner ist noch im Rahmen der Beschwerdefrist (erneut) zur Rechtsanwaltschaft zugelassen geworden und hat sich - bei gebotener rechtsschutzintensiver Auslegung - seinen Vortag aus dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz zu Eigen gemacht.

2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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