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BSG - Entscheidung vom 13.01.2021

B 3 KR 10/20 B

Normen:
SGB V § 139

BSG, Beschluss vom 13.01.2021 - Aktenzeichen B 3 KR 10/20 B

DRsp Nr. 2021/4358

Aufnahme eines Spezialhausschuhs für Diabetiker in das Hilfsmittelverzeichnis Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. November 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGB V § 139 ;

Gründe

I

Mit Urteil vom 27.11.2019 hat das LSG das Begehren der Klägerin auf Aufnahme eines Diabetiker-Hausschuhs in das Hilfsmittelverzeichnis abgelehnt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufnahme nach § 139 Abs 2 bis Abs 5 und Abs 7 SGB V in das Hilfsmittelverzeichnis, denn sie habe den Nachweis für die Funktionstauglichkeit und Sicherheit der Spezialhausschuhe nicht erbracht; außerdem fehle es an einer ausreichenden Information zur sicheren Handhabung der Spezialhausschuhe. Es sei nicht nachgewiesen, dass das Medizinprodukt der Klägerin das Konformitätsverfahren für die CE-Kennzeichnung formal rechtmäßig durchlaufen habe, und eine entsprechende klinische Bewertung zum Nachweis des medizinischen Nutzens fehle. Die Beweiserleichterung des § 139 Abs 5 SGB V könne die Klägerin nicht für sich beanspruchen, weil die vorliegenden verschiedenen Konformitätserklärungen begründeten Anlass zu Zweifeln gebe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG im vorgenannten Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt und beruft sich auf den Zulassungsgrund einer Rechtsprechungsabweichung (Divergenz, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und einer grundsätzlichen Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 27.11.2019 ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG ).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache "richtig" entschieden hat, erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

1. Den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrunds der Divergenz genügt eine Beschwerde nur, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt habe. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin zeigt weder hinreichend einen Rechtssatz des LSG auf noch, dass das LSG einem Rechtssatz des BSG im Grundsätzlichen widersprochen hätte. Ihr Vortrag beschränkt sich vielmehr darauf, das mit der Beschwerde angefochtene Urteil dahingehend zu kritisieren, dass es mit dem Verlangen nach klinischen Studien für den Nachweis des medizinischen Nutzens von der genannten Entscheidung abweiche. Eine Abweichung von der Entscheidung des BSG im Urteil vom 28.3.2019 ( B 3 KR 13/17 R - SozR 4-2500 § 139 Nr 10) zeigt die Klägerin hiermit aber bereits deswegen nicht hinreichend auf, weil das BSG die von der Klägerin genannten Kriterien in seiner Entscheidung nicht aufgestellt hat. Die Entscheidung des BSG hat weder grundlegende Rechtssätze zu den Voraussetzungen zum Nachweis des medizinischen Nutzens noch den Anforderungen an die klinische Bewertung für die Konformitätserklärung zum Inhalt. Das Vorbringen der Klägerin geht daher nicht über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge hinaus (vgl BSG Beschluss vom 19.3.2015 - B 12 KR 16/14 B - juris RdNr 12 ).

2. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG Beschluss vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § Nr 8).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet die Klägerin die Frage, "ob der Nachweis einer klinischen Bewertung erbracht werden muss, obwohl die Qualitätsanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses es für ausreichend erachten, dass der medizinische Nutzen lediglich durch Fallserien/Anwendungsbeobachtungen nachgewiesen wird?"

Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Frage fehlt es neben der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Rüge im Hinblick auf die weiteren tragenden Entscheidungsgründe des Urteils an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der bereits ergangenen Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil des BSG vom 23.6.2016 - B 3 KR 20/15 R - BSGE 121, 230 = SozR 4-2500 § 139 Nr 8 mwN und BSG Urteil vom 28.9.2006 - B 3 KR 28/05 R - BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2). Neue rechtliche Aspekte oder Stimmen aus der Literatur, die der Rechtsprechung des BSG erheblich widersprechen oder die Anlass zu erneuter Klärung der Rechtsprechung des BSG geben, sind nicht vorgetragen worden. Eine Rechtsfrage ist nämlich bereits dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - juris RdNr 4). Dahingehende Ausführungen fehlen in der Beschwerdebegründung vollständig.

3. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO . Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels 154 Abs 2 VwGO ).

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 , § 52 Abs 2 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht angegriffenen Festsetzung des LSG in Höhe des Regelstreitwerts.

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 27.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 9 KR 504/16
Vorinstanz: SG Berlin, vom 28.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 211 KR 827/13