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BVerwG - Entscheidung vom 20.05.2020

5 PB 28.19

Normen:
BPersVG § 75 Abs. 1
BPersVG § 77 Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 20.05.2020 - Aktenzeichen 5 PB 28.19

DRsp Nr. 2020/10954

Streit um die Verweigerung der Zustimmung zu einer beabsichtigten Übertragung einer funktionsstufenrelevanten Tätigkeit; Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung des Personalrats bei fehlendem Bezug zu einem der gesetzlichen Verweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG ; Gleichsetzen des offensichtlichen Nichtvorliegens eines gesetzlich zugelassenen Verweigerungsgrundes mit dem Fehlen einer Begründung; Keine grundsätzliche Bedeutung einer Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall; Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz

Es ist geklärt, dass die Verweigerung der Zustimmung des Personalrats auch dann unbeachtlich ist, wenn die gegen die beabsichtigte Maßnahme angeführten Gründe offensichtlich nicht auf einen der gesetzlichen Verweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG inhaltlich bezogen sind. Die Darlegung einer Rechtsauffassung oder der Vortrag von Tatsachen seitens des Personalrats kann, wenn sich daraus ersichtlich, d.h. von vornherein und eindeutig, keiner der gesetzlich zugelassenen Verweigerungsgründe ergeben kann, deren Vorliegen also nach keiner vertretbaren Betrachtungsweise als möglich erscheint, nicht anders behandelt werden als das Fehlen einer Begründung. Demgegenüber genügt es für die Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung, wenn es das Vorbringen des Personalrats aus der Sicht eines sachkundigen Dritten als möglich erscheinen lässt, dass einer der dafür zugelassenen und in § 77 Abs. 2 BPersVG abschließend geregelten Verweigerungsgründe gegeben ist. Für die Beachtlichkeit einer auf einen Gesetzesverstoß (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG ) bezogenen Zustimmungsverweigerung genügt es demnach, wenn sich das Vorbringen des Personalrats, die mitbestimmungspflichtige Maßnahme sei rechtswidrig, nicht als offensichtlich verfehlt erweist.

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt - Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen - vom 24. September 2019 wird zurückgewiesen.

Normenkette:

BPersVG § 75 Abs. 1 ; BPersVG § 77 Abs. 2 ;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage (1.) und der Divergenz (2.) gestützte Beschwerde nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 und § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Den von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,

"Ist es möglich, einen beachtlichen Gesetzesverstoß gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG darin zu sehen, dass vor der Übertragung einer funktionsstufenrelevanten Zusatzaufgabe kein lnteressenbekundungsverfahren durchgeführt wurde?"

und

"Erscheint es möglich, dass ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG vorliegt, wenn die Übertragung einer funktionsstufenrelevanten Zusatzaufgabe an Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit durch den Dienststellenleiter im Wege des Direktionsrechts erfolgt?"

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG hat eine Rechtsfrage nur dann, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein, was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2019 - 5 PB 19.18 - juris Rn. 3).

Die von der Beschwerde formulierten Fragen beziehen sich, wie dies auch im Wortlaut der ersten Frage zum Ausdruck kommt, auf das Vorliegen eines im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG beachtlichen Grundes für die Verweigerung des Personalrats zu einer nach § 75 Abs. 1 BPersVG erforderlichen Zustimmung. Die Fragen sind weder klärungsbedürftig noch im vorliegenden Verfahren klärungsfähig.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 17. September 2019 - 5 P 6.18 - NZA-RR 2020, 156 Rn. 14 ff. m.w.N.) ist geklärt, dass die Verweigerung der Zustimmung des Personalrats - neben hier von vornherein nicht in Betracht kommenden Gesichtspunkten - auch dann unbeachtlich ist, wenn die gegen die beabsichtigte Maßnahme angeführten Gründe offensichtlich nicht auf einen der gesetzlichen Verweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG inhaltlich bezogen sind. Die Darlegung einer Rechtsauffassung oder der Vortrag von Tatsachen seitens des Personalrats kann, wenn sich daraus ersichtlich, d.h. von vornherein und eindeutig, keiner der gesetzlich zugelassenen Verweigerungsgründe ergeben kann, deren Vorliegen also nach keiner vertretbaren Betrachtungsweise als möglich erscheint, nicht anders behandelt werden als das Fehlen einer Begründung. Demgegenüber genügt es für die Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung, wenn es das Vorbringen des Personalrats aus der Sicht eines sachkundigen Dritten als möglich erscheinen lässt, dass einer der dafür zugelassenen und in § 77 Abs. 2 BPersVG abschließend geregelten Verweigerungsgründe gegeben ist. Für die Beachtlichkeit einer auf einen Gesetzesverstoß (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG ) bezogenen Zustimmungsverweigerung genügt es demnach, wenn sich das Vorbringen des Personalrats, die mitbestimmungspflichtige Maßnahme sei rechtswidrig, nicht als offensichtlich verfehlt erweist.

Hiervon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Ob es diese Grundsätze in Bezug auf die Übertragung einer funktionsstufenrelevanten Zusatzaufgabe an Beschäftigte eines Jobcenters und die von dem Antragsteller für die Verweigerung seiner Zustimmung geltend gemachten Gründe zutreffend angewandt hat, ist eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall, die den aufgeworfenen Fragen ungeachtet ihrer allgemeingehaltenen Formulierung keine grundsätzliche Bedeutung verleiht.

Im Übrigen übersieht die Beschwerde den im Rahmen der Prüfung der Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerungsgründe durch den Dienststellenleiter oder im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren durch die Gerichte zu beachtenden begrenzten Prüfungsmaßstab der Offensichtlichkeit. Ihre Argumente beziehen sich nicht auf diesen Prüfungsmaßstab, sondern zielen der Sache nach vielmehr darauf ab, dass die von dem Antragsteller geltend gemachten Gründe für die Verweigerung seiner Zustimmung im Ergebnis keinen Bestand haben könnten, weil weder ein Interessenbekundungsverfahren durchzuführen noch die Auswahl unter mehreren Beschäftigten am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG zu orientieren sei. Ob diese Auffassung zutrifft, ist nicht im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung, sondern im Mitbestimmungsverfahren und einem sich gegebenenfalls anschließenden und hierauf bezogenen personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zu klären.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zuzulassen.

Nach den gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG entsprechend anzuwendenden § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des Bundesverwaltungsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Entscheidung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, zu bezeichnen (§ 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG ). Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen abstrakten, inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Eine solche Divergenz kann auch dann anzunehmen sein, wenn beide Entscheidungen auf der Grundlage von verschiedenen, aber inhaltsgleichen Rechtsnormen ergangen sind. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2019 - 5 PB 7.18 - juris Rn. 10 m.w.N.). Gemessen daran ist eine Divergenz nicht hinreichend dargelegt.

Dies gilt zunächst für die von der Beschwerde angenommene Divergenz zu einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen. Die Beschwerde entnimmt der angefochtenen Entscheidung folgenden Rechtssatz:

"Eine Zustimmungsverweigerung, die damit begründet wird, dass die eine Funktionsstufe auslösende Aufgabenübertragung ohne Durchführung eines lnteressenbekundungsverfahrens vorgenommen wurde, lässt es möglich erscheinen, dass der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG gegeben ist."

Dem stellt sie einen dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2012 - 20 A 1333/11.PVB - juris Rn. 32, entnommenen Rechtssatz folgenden Inhalts gegenüber:

"Eine Zustimmungsverweigerung, die damit begründet wird, dass die eine Funktionsstufe auslösende Aufgabenübertragung ohne die Durchführung eines lnteressenbekundungsverfahrens vorgenommen worden sei, lässt es nicht als möglich erscheinen, dass einer der gesetzlich geregelten Verweigerungsgründe gegeben ist. Insbesondere kann diese Begründung offensichtlich weder der Nr. 1 noch der Nr. 2 des § 77 Abs. 2 BPersVG zugeordnet werden."

In diesem Zusammenhang geht die Beschwerde nicht hinreichend auf einen nachfolgenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ein, in dem es nach eingehender Argumentation ausgeführt hat, es könnte einiges dafür sprechen, dass die für die Verweigerung der Zustimmung zu einer beabsichtigten Übertragung einer funktionsstufenrelevanten Tätigkeit abgegebene Begründung eines Personalrats, wegen des Fehlens eines Auswahlverfahrens liege ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG vor, es im Allgemeinen durchaus als möglich erscheinen lassen könne, dass einer der gesetzlich geregelten Verweigerungsgründe gegeben sei, und dass eine solche Zustimmungsverweigerung den Begründungserfordernissen aus § 77 Abs. 2 BPersVG genügen könne (OVG Münster, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 20 A 1738/16.PVB - juris Rn. 41). Die Beschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht diese Frage letztlich offengelassen hat. Sie setzt sich aber nicht damit auseinander, dass dies nur darauf beruhte, weil im zu entscheidenden Fall der dauerhaften Übertragung der mit einer Funktionsstufe verbundenen Tätigkeit eine befristete Übertragung der funktionsstufenrelevanten Tätigkeit vorausgegangen war, die bereits auf einer auf der Grundlage eines Interessenbekundungsverfahrens durchgeführten Auswahl zwischen mehreren Beschäftigten beruhte (OVG Münster, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 20 A 1738/16.PVB - juris Rn. 43). Vor diesem Hintergrund hätte die Beschwerde sich näher dazu verhalten müssen, ob und inwieweit diese Ausführungen eine Distanzierung des Oberverwaltungsgerichts von seiner im Beschluss vom 23. Mai 2012 vertretenen Rechtsauffassung enthalten und welche Auswirkungen dies für den in Anspruch genommenen Zulassungsgrund der Divergenz haben kann. Insbesondere hätte sich die Beschwerde damit auseinandersetzen müssen, ob die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 17. Oktober 2017 der Annahme von Divergenz jedenfalls in Anbetracht des im Rahmen von § 77 Abs. 2 BPersVG anzuwendenden reduzierten Prüfungsmaßstabs der Offensichtlichkeit entgegenstehen.

Die Beschwerde zeigt ferner auch eine Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf. Sie entnimmt dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts den Rechtssatz:

"Die Übertragung von funktionsstufenrelevanten Tätigkeiten liegt nicht allein im Direktionsrecht des Dienststellenleiters."

Die Beschwerde behauptet die Entscheidungserheblichkeit dieses Rechtssatzes, wenn sie ausführt, das Oberverwaltungsgerichts habe hieraus geschlussfolgert, dass eine nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG durchzuführende Auswahlentscheidung vorzunehmen sei, bzw. dass das Oberverwaltungsgericht "ausgehend davon" (dem formulierten Rechtssatz) zu dem Ergebnis des Vorliegens eines beachtlichen Zustimmmungsverweigerungsgrundes gekommen sei. Diese Darstellung findet jedoch keine Stütze in den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Danach hat das Oberverwaltungsgericht aus dem besagten Rechtssatz nicht die Erforderlichkeit der Durchführung von Interessenbekundungs- und Auswahlverfahren geschlussfolgert. Vielmehr war umgekehrt die besagte Aussage ihrerseits Schlussfolgerung der Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts, das zunächst dargelegt hat, dass die Übertragung von funktionsstufenrelevanten Tätigkeiten ein Instrument der Personalauslese darstelle und ein erhebliches Bedürfnis für eine Überwachung der Übertragungsakte durch den Personalrat bestehe (BA S. 12). Hiervon ausgehend ("Angesichts dessen") hat es die Auffassung vertreten, dem Beteiligten sei nicht darin zu folgen, dass die Übertragung funktionsstufenrelevanter Tätigkeiten allein im Direktionsrecht des Dienststellenleiters liege.

Dessen ungeachtet erläutert die Beschwerde auch nicht hinreichend, dass das Oberverwaltungsgericht mit dem ihm zugeschriebenen Rechtssatz von einem im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2014 - 6 P 15.13 - (juris Rn. 23 f.), aufgestellten Rechtssatz abgewichen wäre. Denn der dem Bundesverwaltungsgericht zugeschriebene Rechtssatz ("Die Übertragung funktionsstufenwirksamer (Zusatz-)Aufgaben liegt allein im Direktionsrecht des Dienststellenleiters.") entstammt einem völlig anderen rechtlichen Zusammenhang. Zu klären war, ob bei der Übertragung funktionsstufenrelevanter Tätigkeiten an Beschäftigte einer gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II der bei dieser Einrichtung oder der bei dem Träger gebildete Personalrat mitzubestimmen hat. Ausschließlich in diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Übertragung funktionsstufenrelevanter Aufgaben keine Änderung des Arbeitsvertrages bewirke und deshalb der Dienststellenleiter im Rahmen seines Direktionsrechts zuständig sei.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.

Vorinstanz: OVG Sachsen-Anhalt, vom 27.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 6 L 2/17