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BVerwG - Entscheidung vom 08.12.2020

1 WNB 2.20

Normen:
WBO § 22a Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 4

BVerwG, Beschluss vom 08.12.2020 - Aktenzeichen 1 WNB 2.20

DRsp Nr. 2021/2972

Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung bei einem Antrag eines Soldaten auf Entfernung sämtlicher religiöser Symbole in der Kaserne ohne konkrete Benennung

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 7. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

WBO § 22a Abs. 2 Nr. 1 ; GG Art. 4 ;

Gründe

1. Die von der Beschwerde hier allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 22 a Abs. 2 Nr. 1 WBO kommt der Sache nicht zu.

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. für das Revisionsrecht der VwGO BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - Buchholz 310 § 132 Nr. 18 S. 21 f. sowie für das Rechtsbeschwerderecht der WBO BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5, jeweils m.w.N.). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - juris Rn. 16). Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich auch ohne Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und der vorliegenden Literatur ohne Weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2014 - 1 WNB 1. 14 - juris Rn. 4 m.w.N.). Nicht im Rechtsbeschwerdeverfahren klärungsfähig sind Rechtsfragen, die sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten lassen, weil es maßgeblich auf konkrete Umstände des Einzelfalles ankommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 5 und vom 3. Mai 2019 - 1 WNB 3.18 - Rn. 11 und 13).

Die Rechtsfrage,

"Kann bei einem Antrag, wonach sämtliche religiösen Symbole zu entfernen sind, ohne diese konkret zu benennen, die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung bestehen?"

rechtfertigt die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht. Die Frage, ob ein konkrete Gegenstände nicht bezeichnender Entfernungsantrag sich auf solche Gegenstände richtet, hinsichtlich derer subjektiv-öffentliche Rechte des Antragstellers betroffen sein können, hängt von in die Auslegung des Antrages einfließenden, konkreten Umständen des Einzelfalles ab und ist daher einer verallgemeinerungsfähigen, über den Einzelfall hinausgehenden Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zugänglich. Sie würde sich in einem Rechtsbeschwerdeverfahren zudem nicht stellen. Der Antragsteller macht geltend, die Bestandskraft des Bescheides vom 14. Februar 2017, der den auf die Entfernung religiöser Symbole aus der ...-Kaserne gerichteten Antrag vom 18. Januar 2017 ablehnte, könne seinem Antrag vom 15. Juni 2018 nur entgegengehalten werden, wenn er gegen die Ablehnung seines ersten Antrages auf Entfernung religiöser Symbole einen zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hätte stellen können. Dies wäre ihm aber mangels Antragsbefugnis nicht möglich gewesen, da sein ursprünglicher Antrag sich nicht auf die Entfernung konkreter religiöser Symbole gerichtet habe, mit denen er selbst in Berührung komme. Das Truppendienstgericht legt seiner Entscheidung allerdings die Rechtsauffassung zugrunde, mit dem Bescheid vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Bescheides über die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 14. November 2017 sei für einen objektiven Dritten hinreichend erkennbar auch über die Entfernung des in der Kaserne befindlichen Eichenkreuzes und des Glockenturms entschieden und der Beschwerdebescheid vom 14. November 2017 setze sich auch mit der Konfrontation des Antragstellers mit religiösen Symbolen in der Kaserne auseinander. Hiernach geht die Vorinstanz nicht davon aus, dass der Bescheid vom 14. Februar 2017 einen Inhalt hat, der subjektiv-öffentliche Rechte des Antragstellers nicht berühren kann, ohne dass es hierfür auf die konkrete Formulierung seines Antrages vom 18. Januar 2017 ankommt.

Aus denselben Gründen rechtfertigt auch die Rechtsfrage,

"Erfüllt ein Antrag, wonach sämtliche religiösen Symbole zu entfernen sind, ohne diese konkret zu benennen, die Erfordernisse einer hinreichenden Bestimmtheit und kann der auf diesen Antrag hin folgende Bescheid in materielle Bestandskraft erwachsen?"

die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht. Die Bestimmtheit eines konkrete Gegenstände nicht benennenden Entfernungsantrages, hängt von für die Auslegung des Antrages relevanten Umständen des Einzelfalles, insbesondere der konkreten Formulierung des Antrages und seiner Begründung ab. Gleiches gilt für die Frage nach der Reichweite der Bestandskraft eines den entsprechenden Antrag ablehnenden Bescheides. Zudem legt die Vorinstanz den hier in Rede stehenden Bescheid vom 14. Februar 2017 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 14. November 2017 so aus, dass er Kreuz und Glockenturm erfasst, mithin insoweit nicht unbestimmt ist. Damit würde sich die vom Antragsteller formulierte Frage im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stellen.

Die Rechtsfrage,

"Kann bei fortdauernden Eingriffen in die (negative) Religionsfreiheit des Art. 4 GG - hier die fortdauernde Existenz des Kreuzes und des Glockenturms - dem Betroffenen die materielle Bestandskraft einer behördlichen Entscheidung entgegengehalten werden, insbesondere dauerhaft entgegengehalten werden?"

verlangt die Zulassung der Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht. Die Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage ist weder dargelegt noch ersichtlich. Die Vorinstanz setzt sich im angegriffenen Beschluss mit den Voraussetzungen einer Durchbrechung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 14. Februar 2017 auseinander und prüft verschiedene Ansprüche auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, die sich mit oder auch ohne Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben können. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Es ist daher nicht ersichtlich, dass es zum Schutz der Religionsfreiheit weiterer als der vom Truppendienstgericht für den konkreten Fall verneinten Ansprüche auf Durchbrechung der Bestandskraft bedarf oder dass das Verfahren klärungsbedürftige Fragen zur Reichweite der Ansprüche auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens aufwerfen würde.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO .