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BVerwG - Entscheidung vom 13.05.2020

7 A 2.19

Normen:
VwVfG § 75 Abs. 1 S. 2

BVerwG, Gerichtsbescheid vom 13.05.2020 - Aktenzeichen 7 A 2.19

DRsp Nr. 2020/10158

Änderung des Planfeststellungsbeschlusses zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe zur Vermeidung erhöhter Sturmflutrisiken; Unzulässige Klage gegen einen bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss; Kein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Planfeststellungsverfahren

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Normenkette:

VwVfG § 75 Abs. 1 S. 2;

Gründe

I

Der Kläger begehrt von der Beklagten, darüber zu entscheiden, ob zur Vermeidung erhöhter Sturmflutrisiken ihr Planfeststellungsbeschluss zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe geändert wird. Der Kläger ist Nießbrauchsberechtigter eines Einfamilienhausgrundstücks in Cuxhaven-Döse.

Der Planfeststellungsbeschluss betrifft die sogenannte Bundesstrecke von Tinsdal (km 638,9) bis zur Elbmündung (km 755,3); Vorhabenträgerin für diesen Streckenabschnitt ist die Bundesrepublik Deutschland. Mit dem Ausbauvorhaben soll der Zugang zum Hamburger Hafen so verbessert werden, dass Containerschiffe mit einem Tiefgang von 13,5 m in Salzwasser die Elbe zukünftig tideunabhängig befahren können. Für 14,5 m tiefgehende Containerschiffe soll das Zeitfenster für den tideabhängigen Verkehr vergrößert werden. Die Pläne für die Bundesstrecke wurden mit Beschluss vom 23. April 2012 unter Anordnung verschiedener Auflagen festgestellt und bekanntgemacht.

Der Kläger hat am 4. Februar 2019 bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Klage erhoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger vor: Die Beklagte sei verpflichtet, über seinen im Erörterungstermin vom 4. bis 6. Mai 2009 gestellten Beweisantrag, ob die vorgesehenen Umlagerungen von Baggergut sich auf Strömungen, Sturmflutwasserstände und andere deichgefährdende Umstände im Bereich Cuxhaven-Döse auswirkten, zu entscheiden und sein weiteres Begehren über Schutzvorkehrungen gegebenenfalls zu bescheiden. Allerdings richte sich sein Antrag noch nicht auf nachträgliche, außerhalb des Planfeststellungsverfahrens erfolgende Schutzauflagen oder Anordnungen im Sinne von § 75 Abs. 2 VwVfG . Seinen Begehren sei die Beklagte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens und auch später nicht nachgekommen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte zu verpflichten, nach Wiedereintritt in das Erörterungsverfahren und Beweiserhebung über zu erwartende erhöhte Sturmflutrisiken darüber zu entscheiden, ob der Planfeststellungsbeschluss "für die Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe für 14,5 m tiefgehende Containerschiffe" der WSD Nord vom 23. April 2012 (Az. P-143.3/46) zur Vermeidung dieser Risiken und Nachteile zu ändern ist, insbesondere dadurch, dass von der Zulassung der geplanten Ausbaggerung des Elbfahrwassers vor Cuxhaven und seewärts und der Ablagerungen im Neuen Luechtergrund abgesehen wird,

hilfsweise,

dass hier nur reduzierte Vertiefungen bzw. Ablagerungen zugelassen werden,

ganz hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, den bezeichneten Planfeststellungsbeschluss im Wege der Planergänzung um den Vorbehalt der Anordnung solcher Auflagen und einer nach ihrer Maßgabe abschließenden Entscheidung zu ergänzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben des (damaligen) Berichterstatters vom 19. Juni 2019 sind die Beteiligten von der Absicht des Gerichts informiert worden, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und haben eine Äußerungsmöglichkeit binnen drei Wochen erhalten.

II

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die vorliegende erstinstanzliche Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO ).

Die Klage ist unzulässig.

Der Planfeststellungsbeschluss vom 23. April 2012 ist in Bestandskraft erwachsen und nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten zu Fragen der Zustellung und der Klagefrist hat der Kläger nicht in Zweifel gezogen.

Der Kläger will erreichen, dass sein während des Erörterungstermins gestellter Beweisantrag beschieden wird. Diesem Anliegen steht die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses entgegen. Mit dem Planfeststellungsbeschluss ist die Planfeststellungsbehörde gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gehalten, über jegliche vorgebrachten Einwendungen zu entscheiden, über die bei der Erörterung vor der Anhörungsbehörde keine Einigung erzielt worden ist. Dabei muss sich die Planfeststellungsbehörde nicht ausdrücklich, jedoch der Sache nach mit den Einwendungen befassen. Erfolgt dies nicht oder unzureichend, ist hiergegen fristgemäß der Klageweg zu beschreiten. Dies ist nicht geschehen.

Auch einem Anspruch auf nachträgliche Änderung des Plans steht die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses entgegen. Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Diese Duldungswirkung (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 15) gilt umfassend. Mit der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses sind weitere Einwendungen oder die Durchsetzung bereits erhobener Einwendungen nicht mehr möglich. Anderes wäre allenfalls denkbar, wenn sich die Planfeststellungsbehörde gemäß § 74 Abs. 3 Halbs. 1 VwVfG die abschließende Entscheidung hätte vorbehalten wollen. Ein solcher Vorbehalt hätte jedoch in dem Planfeststellungsbeschluss selbst erfolgen müssen. Die anlässlich des Erörterungstermins vom 4. bis 6. Mai 2009 protokollierte Äußerung, nach der über den Beweisantrag des Klägers im weiteren Verfahren entschieden werde, stellt keinen solchen Vorbehalt dar. Der Kläger hätte im Hinblick auf seinen Beweisantrag somit um Rechtsschutz unmittelbar gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 23. April 2012 nachsuchen müssen.

Ein der Sache nach von dem Kläger angestrebtes Wiederaufgreifen des Verfahrens gibt es im Planfeststellungsverfahren nicht. Die Anwendung der entsprechenden Norm des § 51 VwVfG ist gemäß § 72 Abs. 1 Halbs. 2 VwVfG für das Planfeststellungsverfahren ausgeschlossen. Da § 51 VwVfG insgesamt nicht anzuwenden ist, ist auch ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 42). Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens nach der Bestandskraft des festgestellten Plans auf, kann der Betroffene gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Einen solchen Antrag hat der Kläger nach eigenem Bekunden aber nicht gestellt.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.