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BSG - Entscheidung vom 02.01.2020

B 6 KA 37/18 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 02.01.2020 - Aktenzeichen B 6 KA 37/18 B

DRsp Nr. 2020/1309

Aufhebung einer Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst Angst vor Belastungssituationen im Bereitschaftsdienst keine Gesundheitsstörung

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Juli 2018 wird verworfen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Die klagende Ärztin wendet sich gegen einen Bescheid der beklagten KÄV, mit dem diese die Befreiung der Klägerin vom ärztlichen Bereitschaftsdienst aufgehoben hat.

Die Klägerin, die als Allgemeinmedizinerin zugelassen, aber ausschließlich psychotherapeutisch tätig ist, wurde seit 1993 nicht mehr zum Bereitschaftsdienst herangezogen, obwohl ein förmlicher Bescheid darüber nach den Feststellungen des LSG 1993 nicht ergangen war. Jedenfalls hatte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 29.7.2004 mitgeteilt, ihre Befreiung vom allgemeinen Notfalldienst werde weiterhin aufrechterhalten; Grund dafür waren die besonderen Belange der Klägerin als alleinerziehende Mutter von vier Kindern.

Nachdem das jüngste Kind der Klägerin volljährig geworden war, hörte die Beklagte die Klägerin im Jahr 2012 zur möglichen Aufhebung der Befreiung an und hob mit Bescheid vom 2.4.2012 die Befreiung der Klägerin auf. Die Aufhebung sollte zum 1.2.2013 enden, damit der Klägerin hinreichend Zeit blieb, sich hinsichtlich der Teilnahme am vertragsärztlichen Notdienst fortzubilden.

Widerspruch, Klage und Berufung gegen diesen Bescheid sind erfolglos geblieben. Das LSG hat entschieden, dass die Klägerin weder im Hinblick auf ihre familiären Belastungen (jüngster Sohn mit Asperger-Syndrom, konfliktreiche Auseinandersetzungen mit ihrem früheren Ehemann) noch im Hinblick auf ihre eigenen gesundheitlichen Beschwerden (mögliches Vorliegen einer Angststörung) einen Anspruch auf Befreiung vom Bereitschaftsdienst habe (Urteil vom 11.7.2018).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen. Ihre Begründung genügt nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen.

Der Beschwerdebegründung ist schon nicht zu entnehmen, auf welchen der drei Zulassungsgründe iS des § 160 Abs 2 SGG (grundsätzliche Bedeutung, Divergenz, Verfahrensfehler) die Klägerin sich stützt. Soweit einer Wendung in der Begründung zu entnehmen ist, die Klägerin wolle die Rechtsfrage geklärt wissen, "ob eine Angststörung einen derart schwerwiegenden Grund darstellt, dass die davon betroffene Ärztin ersatzlos vom Bereitschaftsdienst zu befreien ist", wird schon nicht dargelegt, inwieweit das eine Rechtsfrage ist, die nach Maßgabe des Bundesrechts zu entscheiden sein könnte. Die Klägerin selbst schließt in ihrer Begründung an die aufgeworfene Rechtsfrage die Wendung an, im Streit stehe die Rechtsnorm des § 7 der Bereitschaftsdienstordnung ( BDO ) der Beschwerdegegnerin mit Stand vom 1.1.2012. Damit wird jedoch keine Norm des Bundesrechts bezeichnet, auf deren Verletzung allein eine Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung einer zu entscheidenden Rechtsfrage gestützt werden könnte (vgl § 162 SGG ). § 7 BDO der beklagten KÄV ist Landesrecht, und es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass identische Vorschriften in anderen KÄV- Bezirken gelten und dass diese Übereinstimmung auf einer bewusst einheitlichen Rechtsetzung der beklagten KÄV beruht (zu dieser Voraussetzung der Revisibilität von Landesrecht vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/B. Schmidt, SGG , 12. Aufl 2017, § 162 RdNr 5a).

Weiterhin ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, weshalb der Senat die aufgeworfene Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren entscheiden könnte. Das LSG hat in den Gründen seines Urteils festgestellt, die Klägerin leide nicht an einer Angststörung, sondern habe lediglich im Hinblick auf ihre jahrzehntelange Nichtausübung allgemeinmedizinischer Tätigkeiten Angst vor Belastungssituationen im Bereitschaftsdienst. Das ist jedoch nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 119, 248 = SozR 4-2500 § 75 Nr 15, RdNr 16 ff) von vornherein keine Gesundheitsstörung, die zu einer Befreiung von der Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst führen kann, sondern ein Umstand, der möglicherweise kurzfristig die Eignung der Klägerin für den Einsatz im Bereitschaftsdienst ausschließt, nach der Rechtsprechung des Senats aber lediglich dazu führt, dass die Klägerin verpflichtet ist, sich entsprechend fortzubilden, um anschließend ihrer aus der vertragsärztlichen Zulassung folgenden Verpflichtung zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst (wieder) nachzukommen.

Soweit die Klägerin weiterhin (möglicherweise) im Rahmen einer Grundsatzrüge geklärt wissen will, ob die "Nichtverfügbarkeit eines Vertreters zu der ersatzlosen Befreiung vom vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst" führt, ist die Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage - wenn sie denn den Anforderungen an die Bezeichnung einer bundesrechtlich zu prüfenden Rechtsfrage genügen sollte - nicht dargetan. Das LSG hat gerade nicht festgestellt, dass die Klägerin nicht im Stande wäre, einen geeigneten Vertreter für die Ausübung des Bereitschaftsdienstes zu finden. An der maßgeblichen Stelle des Urteils heißt es: "Unerheblich ist auch der pauschale Einwand, es stünden keine Ärzte zur Verfügung, die ihren Bereitschaftsdienst vertretungsweise übernehmen könnten. Insoweit fehlt es schon an konkreten Darlegungen, worauf sie (gemeint die Klägerin) diese Vermutung stützt." Wenn die Klägerin diese Feststellung des LSG hätte in Frage stellen wollen, hätte sie eine entsprechende Verfahrensrüge erheben und dabei gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darlegen müssen, wo sie einen Beweisantrag hinsichtlich der Unmöglichkeit der Erreichung von Vertretern gestellt hat, und weshalb das LSG diesem ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dem werden die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, in denen pauschal auf die Schwierigkeiten hingewiesen wird, einen Vertreter zu finden, schon im Ansatz nicht gerecht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO . Die Klägerin hat die Kosten des von ihr ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen.

Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Entscheidung des LSG, deren Richtigkeit von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist. Für den wirtschaftlichen Wert der Befreiung von der Teilnahme am Bereitschaftsdienst fehlen hinreichende Anhaltspunkte, sodass ein Zurückgreifen auf den Auffangstreitwert in Höhe von 5000 Euro (§ 52 Abs 2 GKG ) sachgerecht ist.

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 11.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 3 KA 1/16
Vorinstanz: SG Hannover, vom 18.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 24 KA 616/12