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BGH - Entscheidung vom 10.03.2020

AnwZ (Brfg) 67/19

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 112e S. 2

BGH, Beschluss vom 10.03.2020 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 67/19

DRsp Nr. 2020/7172

Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung; Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 21. August 2019 verkündete Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; BRAO § 112e S. 2;

Gründe

I.

Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 11. April 2018 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Der Anwaltsgerichtshof wies die Klage mit Urteil vom 21. August 2019 ab. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers (spätestens) am 17. September 2019 zugestellt. Der Kläger beantragte mit am 7. Oktober 2019 beim Anwaltsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz die Zulassung der Berufung. Mit Schriftsatz von Montag, dem 18. November 2019, beantragte der Kläger beim Anwaltsgerichtshof, von diesem am 19. November 2019 an den Bundesgerichtshof weitergeleitet, eine Verlängerung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung um einen Monat wegen Arbeitsüberlastung. Den Antrag lehnte der Vorsitzende mit Verfügung vom 20. November 2019 ab und wies zugleich auf die anzunehmende Unzulässigkeit des Rechtsmittels hin. Daraufhin beantragte der Kläger mit beim Bundesgerichtshof am 22. November 2019 eingegangenem Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete zugleich den Zulassungsantrag. Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2019 teilte der Kläger mit, er habe gegenüber der Beklagten auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zum 31. Dezember 2019 verzichtet; der Rechtsstreit werde für erledigt erklärt. Nachdem die Beklagte erklärt hatte, der Kläger habe bezüglich des Widerrufs der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO das Empfangsbekenntnis nicht zurückgereicht, übersandte der Kläger mit hier am 19. Februar 2020 eingegangenem Schriftsatz eine Ablichtung des auf den 18. Februar 2020 datierten Empfangsbekenntnisses nebst Rechtsmittelverzicht.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, da das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet worden ist.

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung des vollständigen Urteils an den Kläger, vorliegend also bis zum Ablauf des 18. November 2019, zu begründen (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 Satz 4, § 57 Abs. 2 VwGO , § 222 Abs. 1 und 2 ZPO , § 187 Abs. 1 , § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB ). Zu diesem Zeitpunkt lag keine Begründung vor. Die Frist ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO , § 224 Abs. 2 ZPO einer Verlängerung nicht zugänglich (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - AnwZ (Brfg) 3/10, juris Rn. 2; st.Rspr.).

2. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist ist dem Kläger nicht zu gewähren, da ihn an dem Fristversäumnis Verschulden trifft (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 60 Abs. 1 VwGO ).

a) Der Kläger macht geltend, dem Kläger sei - trotz Nachfrage beim Anwaltsgerichtshof - kein Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs mitgeteilt worden.

b) Die fehlende Kenntnis des Aktenzeichens - die Richtigkeit des Vortrags unterstellt - hinderte den Kläger nicht, den Zulassungsantrag fristgerecht gegenüber dem Bundesgerichtshof zu begründen. Hierzu war die Angabe eines Aktenzeichens des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich. Die hinreichende Bestimmtheit und Zuordenbarkeit des Schriftsatzes wäre beim Bundesgerichtshof durch die Angabe des erstinstanzlichen Aktenzeichens gewahrt (vgl. für die Unschädlichkeit eines fehlenden bzw. fehlerhaften Aktenzeichens: BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2006 - XII ZB 27/04, BGHZ 165, 371 , 376 und vom 25. Januar 2017 - XII ZB 567/15, NJW-RR 2017, 385 Rn. 7 f.). Folglich trifft den Kläger an der nicht fristgerechten Begründung seines Rechtsmittels Verschulden (ebenso: BFH, Beschlüsse vom 4. Oktober 1982 - IV R 115/82, juris Rn. 2; vom 4. November 1988 - V R 117/87, juris Rn. 17 und vom 13. Januar 2005 - IX B 138/04, juris Rn. 5).

c) Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund für das Fristversäumnis kausal geworden ist. Dem Kläger war nämlich - wie sein Fristverlängerungsantrag belegt - unbekannt, dass die Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht verlängerbar ist. Hätte aber der Kläger bei Kenntnis des Aktenzeichens des Bundesgerichtshofs den Fristverlängerungsantrag am Tag des Fristablaufs gegenüber dem Bundesgerichtshof gestellt, wäre bei ordnungsgemäßer Behandlung im Geschäftsgang der Hinweis auf die fehlende Verlängerbarkeit erst am Folgetag und damit nach Fristablauf erfolgt.

3. Auf die Erledigungserklärung des Klägers kommt es ebenfalls nicht an. Eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers geht ins Leere, da eine Klageänderung in der Rechtsmittelinstanz ein zulässiges Rechtsmittel voraussetzt (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2015 - V ZR 26/15, juris Rn. 29; BVerwGE 34, 159 , 161; BFH, Beschluss vom 8. September 1999 - VII B 84/99, juris Rn. 9). Auch ein Anschluss der Beklagten an die Erledigungserklärung änderte hieran nichts, denn nach der Rechtsprechung (BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 1968 - AnwZ (B) 9/67, BGHZ 50, 197 , 198; vom 28. Oktober 2008 - VIII ZB 28/08, juris Rn. 3 und vom 4. Juli 2019 - AnwZ (Brfg) 22/19 Rn. 4; BAGE 152, 335 Rn. 3, 7 ; BFH, Beschluss vom 8. September 1999 - VII B 84/99, aaO Rn. 7) setzt eine Verfahrensbeendigung durch übereinstimmende Erledigungserklärung ebenfalls voraus, dass das Rechtsmittel rechtzeitig begründet wurde. Auf diese Rechtslage wurde der Kläger durch Verfügung des Vorsitzenden vom 5. Februar 2020 hingewiesen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Berlin, vom 21.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen II AGH 4/18