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BGH - Entscheidung vom 02.01.2020

AnwZ (Brfg) 63/19

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 02.01.2020 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 63/19

DRsp Nr. 2020/1954

Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls i.R.v. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

Soweit sich ein Rechtsanwalt bei der Frage seines Vermögensverfalls darauf beruft, die zugrundeliegende Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt bestehe in Wahrheit nicht, kann er damit im Widerrufsverfahren nicht gehört werden. Bezüglich der Darlegung, ob und wie er die gegen ihn gerichteten Forderungen tilgen könnte, reicht ein bloßer Verweis auf Vermögenswerte, die im Falle ihrer Realisierung die zur Tilgung erforderlichen Geldmittel erbringen könnten, nicht aus.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2019 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der 1964 geborene Kläger ist seit 1998 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 30. August 2018 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3 mwN; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.

a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 77/13, juris Rn. 3; vom 20. Mai 2015 - AnwZ (Brfg) 7/15, juris Rn. 5).

Die Begründung des Zulassungsantrags gibt keine Veranlassung zu einer Überprüfung der ständigen Rechtsprechung des Senats. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein Hinausschieben des Zeitpunkts der Beurteilung einer Widerrufsverfügung nicht geboten. Dass der Rechtsanwalt bei nachträglichen Entwicklungen auf ein Wiederzulassungsverfahren verwiesen wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen Ergebnissen und verstößt auch nicht gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl. Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des Widerrufsgrundes einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit einen entsprechenden Antrag stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2017 - AnwZ (Brfg) 42/17, juris Rn. 5 mwN).

b) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2010 - AnwZ (B) 119/09, juris Rn. 12; vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4; vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, juris Rn. 4; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 4). Gibt es Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides gegen ihn bestanden und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (BGH, Urteil vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 51/13, juris Rn. 14).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 30. August 2018 hat sich der Kläger in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt erfolgten gegen ihn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen offener Verbindlichkeiten in Höhe eines - unstreitigen - Betrages von zumindest 45.236 Euro. Soweit sich der Kläger insoweit darauf berufen hat, die zugrundeliegende Steuerschuld gegenüber dem Finanzamt bestehe in Wahrheit nicht und sei seinerseits klageweise angegriffen, kann er damit im Widerrufsverfahren nicht gehört werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2016 - AnwZ (Brfg) 6/16, juris Rn. 7; Beschluss vom 20. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 39/16, juris Rn. 7). Auch fehlt es an einer umfassenden und konkreten Darlegung, ob und wie er die gegen ihn gerichteten Forderungen tilgen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 20). Der bloße Verweis auf aus der Sicht des Klägers vorhandene Vermögenswerte, die im Falle ihrer Realisierung die zur Tilgung erforderlichen Geldmittel erbringen könnten, ist hierzu nicht ausreichend.

In ständiger Rechtsprechung geht der Senat von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2016 - AnwZ (Brfg) 39/15, juris Rn. 16 mwN). Im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO werden Titel und Vollstreckungsmaßnahmen nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft. Behauptete Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen.

c) Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 AnwZ (Brfg) 53/16, juris Rn. 15 f. mwN). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Umstand, dass der Kläger in seiner gesamten bisherigen Berufslaufbahn keinerlei Fremdgelder vereinnahmt hat, lässt insoweit keine andere Beurteilung zu.

2. Weitere Zulassungsgründe hat der Kläger weder behauptet noch vorgetragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 30.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen AGH Nordrhein-Westfalen - 30.08.2019 - 1 AGH 39/18