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BGH - Entscheidung vom 03.02.2020

AnwZ (Brfg) 36/18

Normen:
BRAO § 46a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BRAO § 7 Nr. 8

BGH, Urteil vom 03.02.2020 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 36/18

DRsp Nr. 2020/4798

Rechtsstreit um die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt; Vereinbarkeit der Tätigkeit mit der Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege

Eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist zwar nicht von vornherein mit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unvereinbar. Es ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit im öffentlichen Dienst einer Zulassung entgegensteht, ob also die Belange der Rechtspflege durch die Zulassung gefährdet sind. Bei dieser Prüfung sind die Besonderheiten der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nach §§ 46 f. BRAO zu berücksichtigen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Februar 2018, berichtigt durch Beschluss vom 7. Juni 2018, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Normenkette:

BRAO § 46a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ; BRAO § 7 Nr. 8 ;

Tatbestand

Der Beigeladene ist im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen. Seit dem 16. Februar 2014 ist er als "Dezernent Personal und Organisation" bei der H. Universität D. (fortan: Universität) angestellt. Das vom Beigeladenen geleitete Personaldezernat ist, wie sich aus dem Internet-Auftritt der Universität ergibt, Teil der Zentralen Universitätsverwaltung, welche einerseits aus dem Kanzler nebst sechs Stabsstellen - darunter das Justitiariat - besteht, andererseits aus sechs Dezernaten (Studentische Angelegenheiten, Universitätsentwicklung, Personal, Forschung und Transfer, Finanzen, Gebäudemanagement). Das Personaldezernat besteht aus den vier Abteilungen "Wissenschaftliches Personal", "Personal in Technik und Verwaltung", "Personalentwicklung", "Organisationsentwicklung". In ihm sind den Angaben des Beigeladenen zufolge etwa 40 Personen beschäftigt. Unter ihnen ist dieser der einzige Volljurist. Er ist aufgrund einer ihm von der Rektorin erteilten Vollmacht berechtigt, die Universität gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. In einem am 29. Februar 2016 geschlossenen Ergänzungsvertrag zum Arbeitsvertrag heißt es:

"Herr Dr. P. ist im Rahmen seiner Tätigkeit als Dezernent Personal in der dort beschriebenen Weise als Syndikusrechtsanwalt tätig. Seine in der Tätigkeitsdarstellung beschriebenen anwaltlichen Tätigkeiten umfassen, gewichtet je nach konkret anfallendem Aufgabenzuschnitt, stets mindestens 75 bis 90 % seiner Tätigkeit als Dezernent Personal, zu der darüber hinaus weitere allgemeine Führungs- und Verwaltungsaufgaben gehören. Es wird bescheinigt, dass Herr Dr. P. nicht hoheitlich tätig wird, insbesondere keine Bescheide unterzeichnet."

Am 29. Juni 2016 beantragte der Beigeladene die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Die Klägerin widersprach. Die Beklagte ließ den Beigeladenen mit Bescheid vom 11. Januar 2017 hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Universität D. als Syndikusrechtsanwalt zu. Die Klage der Klägerin führte zur Aufhebung des Zulassungsbescheides. Der Senat für Anwaltssachen hat die Berufung der Beklagten zugelassen.

Die Beklagte meint weiterhin, die Tätigkeit des Beigeladenen im öffentlichen Dienst stehe einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht von vorneherein entgegen. Der Beigeladene werde nicht hoheitlich tätig. Die Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO seien erfüllt. 75 bis 90 % der vom Beigeladenen ausgeübten Tätigkeiten seien anwaltlicher Natur. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Februar 2018, berichtigt durch Beschluss vom 7. Juni 2018, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Ausschlussgrund des § 7 Nr. 8 BRAO für erfüllt. Dazu trägt sie vor, der Beigeladene sei als Leiter des Personaldezernates notwendig auch mit beamtenrechtlichen Angelegenheiten befasst. Der im Internet veröffentlichte Haushaltsplan des Landes N. für das Jahr 2018 weise - ohne den Fachbereich Medizin und die Universitätskliniken - 850 Stellen für Arbeitnehmer, 68 Stellen für Auszubildende und 504 Stellen für Beamte aus. Bei den Beamten entfielen 212 Stellen auf Professoren und 292 Stellen auf sonstige Beamte der Besoldungsgruppen A 6 bis A 16. In beamtenrechtlichen Angelegenheiten müsse der Beigeladene Entscheidungen treffen, die durch Verwaltungsakt umgesetzt würden. Der Beigeladene habe bei seiner Anhörung vor dem Anwaltsgerichthof in Bezug auf arbeitsrechtliche Fragestellungen erklärt, dass er inneruniversitär die letzte Instanz sei, also für die Universität entscheide. Gleiches müsse in beamtenrechtlichen Angelegenheiten gelten. Dazu gehörten etwa der Erlass von Bescheiden in Beihilfe-, Reisekosten- und Trennungsgeldangelegenheiten, die Genehmigung einer Nebentätigkeit, die Genehmigung einer Teilzeittätigkeit, die Entscheidung über einen Antrag auf Änderung einer dienstlichen Beurteilung, die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, die Beförderung eines Beamten. Der Beigeladene arbeite nicht in einer Stabs- oder Servicestelle, welche die Entscheidungen der Fachabteilungen nur vorbereite. Vielmehr habe er als Leiter des zuständigen Dezernats selbst Entscheidungen zu treffen oder zu verantworten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das angefochtene Urteil und auf die vom Anwaltsgerichtshof beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Einer Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt steht das Zulassungshindernis des § 7 Nr. 8 BRAO entgegen.

1. Gemäß § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 , § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen, wenn die antragstellende Person eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Syndikusrechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.

a) Nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen kann das Zulassungshindernis des § 7 Nr. 8 BRAO auch einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 16 mwN). Eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist zwar nicht von vornherein mit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unvereinbar. Es ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit im öffentlichen Dienst einer Zulassung entgegensteht, ob also die Belange der Rechtspflege durch die Zulassung gefährdet sind (BGH, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, aaO Rn. 17 mwN). Bei dieser Prüfung sind die Besonderheiten der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nach §§ 46 f. BRAO zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, aaO Rn. 18 ff. mwN).

b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege im Sinne von § 7 Nr. 8 BRAO und damit ein Ausschluss der Zulassung ergibt sich hierbei insbesondere dann, wenn der Antragsteller am Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Entscheidungsbefugnis beteiligt ist. Mit einer Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege ist eine solche hoheitliche Tätigkeit nicht vereinbar. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ist den staatlichen Organen als solchen vorbehalten. Derjenige, der hoheitlich tätig wird, nimmt spezifische Staatsfunktionen wahr und ist deutlich enger in die Staatshierarchie eingebunden als nicht hoheitlich tätige Angestellte des öffentlichen Dienstes. Der hoheitlich tätige Angestellte handelt - auch aus Sicht der Rechtsuchenden - gleichsam als Staat im Rahmen der der staatlichen Stelle zukommenden Hoheitsgewalt, nicht jedoch als Berater oder Vertreter seines Arbeitgebers und damit nicht als unabhängiges Organ der Rechtspflege (BGH, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, aaO Rn. 21).

c) Auf den Umfang der hoheitlichen Tätigkeit des Antragstellers kommt es hierbei nicht entscheidend an. Insbesondere muss die hoheitliche Tätigkeit nicht den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit darstellen. Der Zulassungsversagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO stellt nicht auf den Schwerpunkt der Tätigkeit ab, sondern nur darauf, ob zu dem Tätigkeitsfeld des Antragstellers Aufgaben gehören, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts unvereinbar sind (BGH, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, aaO Rn. 22). Nicht entscheidend ist auch, ob der Antragsteller nach außen hin als Entscheidungsträger in Erscheinung tritt oder als solcher zu erkennen ist. Nicht das äußere Erscheinungsbild ist maßgeblich, sondern der objektive Inhalt der Tätigkeit, mithin die tatsächlich bestehende Entscheidungsbefugnis. Die Unvereinbarkeit folgt nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild, sondern aus der Tätigkeit als solcher. Eine Zulassung scheidet demnach insbesondere dann aus, wenn die hoheitlichen Maßnahmen innerhalb der Organisationseinheit getroffen werden, welcher der Antragsteller angehört, und wenn der Antragsteller hieran mit Entscheidungskompetenz beteiligt ist (BGH, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, aaO Rn. 23). Fungiert der Antragsteller dagegen lediglich als rechtliche Prüfstelle, ohne weisungsbefugt zu sein, ist eine Zulassung nicht nach § 7 Nr. 8 BRAO ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 38/18, aaO mwN).

2. Der Beigeladene leitet das Personaldezernat der Universität, in welchem hoheitliche Entscheidungen getroffen werden.

a) Die zum Personaldezernat gehörende Abteilung "Personal in Technik und Verwaltung, Sondergebiete" ist unter anderem für die Personalangelegenheiten der Beamtinnen und Beamten der Zentralen Universitätsverwaltung und für die Personalangelegenheiten der Beamtinnen und Beamten der zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen und Betriebseinheiten zuständig. Der Beigeladene hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwar erklärt, diese Zuständigkeit sei nicht umfassend. Disziplinarverfahren, Ernennungen und Entlassungen seien anderweitig zugeordnet und fielen nicht in die Zuständigkeit des Personaldezernats. Die grundsätzliche Zuständigkeit des von ihm geleiteten Personaldezernats für Beamtinnen und Beamten hat er jedoch nicht in Zweifel gezogen. Außerdem ist der Abteilung "Personal in Technik und Verwaltung, Sondergebiete" und damit dem Personaldezernat die Reisestelle zugeordnet, die für Umzugskosten und Trennungsentschädigungen zuständig ist.

b) Im Rahmen eines Beamtenverhältnisses ergehen die den Beamten belastenden oder begünstigenden Maßnahmen, die eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die subjektive Rechtsstellung des Beamten auslösen und damit das Statusverhältnis (Grundverhältnis) betreffen, in der Form eines Verwaltungsaktes nach § 35 VwVfG (vgl. BVerwGE 36, 218 , 220). Der Dienstherr ist in dem durch das Über- und Unterordnungsverhältnis geprägten Beamtenverhältnis berechtigt, sämtliche Rechte und Pflichten des Beamten durch Verwaltungsakt zu regeln (VG Stuttgart, Urteil vom 28. September 2016 - 7 K 3965/14, juris Rn. 28). Verwaltungsakte sind neben der Ernennung und Entlassung des Beamten etwa die Abordnung, die Versetzung, die Versetzung in den Ruhestand, die Festsetzung des Besoldungsdienstalters, die Genehmigung oder Ablehnung von Anträgen auf Urlaub oder auf Teilzeitbeschäftigung, die Rückforderung überzahlter Bezüge, die Anerkennung eines Dienstunfalls, die Zusage einer Umzugskostenvergütung oder einer Trennungsentschädigung, die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit. Auch in dem vom Beigeladenen geleiteten Personaldezernat der Universität werden entsprechende Bescheide erlassen.

c) Wer diese Bescheide verfasst und unterzeichnet, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von Bedeutung. Der Beigeladene ist Vorgesetzter aller Mitarbeiter der Personalabteilung und damit diesen gegenüber weisungsbefugt. Beamtinnen und Beamte sind gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verpflichtet, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Richtlinien sind allgemeine Vorschriften, die sich auf eine unbestimmte Zahl von Fällen beziehen, ohne sie in allen Einzelheiten zu regeln. Dienstliche Anordnungen betreffen konkrete und individuell bestimmte Sachverhalte, wobei sie generell (allgemeine Weisung) oder speziell (Einzelweisung) erfolgen können (Battis/Grigoleit, Bundesbeamtengesetz , 5. Aufl., § 62 Rn. 4). Der Beigeladene kann jede einzelne Entscheidung, die in seinem Dezernat getroffen wird, durch Richtlinien und durch allgemeine oder spezielle Weisungen beeinflussen. Umgekehrt gibt es damit keine im Personaldezernat getroffene Entscheidung, die er in seiner Eigenschaft als Vorgesetzter nicht zu verantworten hätte. Er wird unabhängig davon hoheitlich tätig, ob er die fraglichen Bescheide selbst entwirft und/oder unterzeichnet.

d) Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beigeladene erklärt, alle beamtenrechtlichen Fragen würden von den beiden insoweit zuständigen Abteilungsleitern selbständig bearbeitet. Beispielsweise sei eine Versetzung - die höchst selten vorkomme - vom Abteilungsleiter vorbereitet und vom Kanzler gezeichnet worden, ohne dass er, der Beigeladene, damit befasst worden sei. Für ihn seien das nur "Durchlaufposten". Rechtlich sei er zwar zum Eingreifen befugt. Tatsächlich sei das aber nicht seine Aufgabe.

Dieses Vorbringen ist aus Rechtsgründen unerheblich. Wer Vorgesetzter ist, bestimmt sich nach dem Aufbau der öffentlichen Verwaltung, nicht nach der tatsächlichen Handhabung (§ 3 Abs. 5 Satz 2 LBG NW ; vgl. auch § 3 Abs. 4 BBG und die entsprechenden Vorschriften anderer Landesbeamtengesetze). Der Beigeladene ist der Vorgesetzte der beiden Abteilungsleiter, die für beamtenrechtliche Fragen zuständig sind. Dass alle beamtenrechtliche Entscheidungen nicht im Personaldezernat, sondern in der Zentralen Universitätsverwaltung getroffen werden, hat der Beigeladene nicht behauptet.

3. Der Ergänzungsvertrag vom 29. Februar 2016, in welchem es heißt, der Beigeladene werde gerade nicht hoheitlich tätig, steht der Anwendung des § 7 Nr. 8 BRAO nicht entgegen. Ob eine Tätigkeit als hoheitlich anzusehen ist und eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausschließt, ist eine Rechtsfrage, welche der Disposition der Vertragsparteien entzogen ist.

4. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 3. Februar 2020

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 16.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 12/17