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BGH - Entscheidung vom 07.05.2020

IX ZB 62/18

Normen:
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, 3
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2-3
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2-3

Fundstellen:
MDR 2020, 875
NJW 2020, 2119
NZI 2020, 752
WM 2020, 1213
ZInsO 2020, 1502

BGH, Beschluss vom 07.05.2020 - Aktenzeichen IX ZB 62/18

DRsp Nr. 2020/8399

Rechtsbeschwerde gegen einen den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss des Berufungsgerichts; Inhaltliche Anforderungen an die Berufungsbegründung

Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Juni 2018 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 50.000 €.

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 -3;

Gründe

I.

Der Kläger begehrt als Verwalter in dem am 10. September 2015 über das Vermögen der B. GmbH (fortan: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren von der Beklagten die Rückgewähr einer Zahlung von 50.000 €.

Die Schuldnerin überwies am 16. Oktober 2013 auf ein Bankkonto der Beklagten einen Betrag in Höhe von 50.000 € mit dem Vermerk "Abschlag Vorschuss Auslagen Dr. M. ". Der Kläger forderte die Beklagte erfolglos auf, den Betrag der Masse zurückzuerstatten.

Das Landgericht hat die Beklagte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung gemäß § 129 Abs. 1 , § 134 Abs. 1 , § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, die von der Beklagten behauptete Zahlung der Schuldnerin auf Anweisung ihres Vaters stehe dem Anspruch gegen die Beklagte nicht entgegen, da diese eine Entreicherung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe. Zudem sei deren Vortrag zu der behaupteten Anweisung nicht hinreichend, was aber dahinstehen könne, da eine Anfechtung nach § 134 InsO gegenüber dem Leistungsmittler einer mittelbaren Zuwendung in der Insolvenz des veranlassenden Schuldners in Betracht komme, wenn der Leistungsmittler den weiterzugebenden Gegenstand noch nicht weitergegeben habe und deshalb bereichert sei. Der vorliegende Fall stelle eine vergleichbare Konstellation dar.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und zur Begründung mit dem Schriftsatz vom 25. Mai 2018 ausgeführt, das Gericht verkenne, dass es sich um eine Anweisungslage handele, bei der Forderungen gegen die Beklagte ausschieden. Eine Rückforderung unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten komme nicht in Betracht, wie sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Februar 1967 ( VII ZR 243/64) ergebe. Der rechtliche Grund für die Zahlung sei die Anweisung gewesen und habe allein in der rechtlichen Beziehung zwischen ihrem Vater als Anweisendem und der Schuldnerin als Angewiesener gelegen. Wenn dieses Rechtsverhältnis fehlerhaft sei, könne ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen den Anweisenden, nicht aber den Geldempfänger geltend gemacht werden. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen die Beklagte komme nur in Betracht, wenn es auch im Verhältnis zwischen ihrem Vater als Anweisendem und der Beklagten als Geldempfängerin an einem Rechtsgrund fehle.

Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, es beabsichtige die Berufung mangels ordnungsgemäßer Begründung als unzulässig zu verwerfen, hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist beantragt, da sie bei der Anfertigung der Berufungsbegründung verschiedene Schriftsätze geöffnet gehabt und dann den falschen als Begründung gespeichert und abgesendet habe.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung mit dem angegriffenen Beschluss als unzulässig verworfen. Die Berufung sei mit dem Schriftsatz vom 25. Mai 2018 nicht ordnungsgemäß begründet worden. Die Beklagte habe sich nicht ansatzweise mit den Ausführungen des Landgerichts auseinandergesetzt. Allein der Hinweis, es handele sich um eine Anweisungslage, genüge den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO nicht, zumal der Insolvenzverwalter nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer Zahlung des Schuldners an den Zuwendungsempfänger sowohl gegenüber dem Veranlassenden als auch gegenüber dem Zuwendungsempfänger anfechten könne.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie nur zu dem ihrer Auffassung nach ausreichenden Inhalt der Berufungsbegründung Stellung nimmt.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist, soweit sie die Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrags zum Gegenstand hat, gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft, mangels Begründung (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 , 3 ZPO ) aber unzulässig.

2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung richtet, ist sie gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft, aber unzulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ) nicht erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch der Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281 mwN).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 25. Mai 2018 inhaltlich nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO an eine Berufungsbegründung entspricht, ist nicht zu beanstanden.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2015 - VI ZB 6/14, VersR 2016, 480 Rn. 5 mwN; vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19 juris Rn. 5).

Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2015, aaO Rn. 6 mwN; vom 11. Februar 2020, aaO Rn. 6 mwN).

b) Daran gemessen genügt der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 25. Mai 2018 nicht den Anforderungen an eine Rüge der Rechtsverletzung (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ).

Mit dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird nur gerügt, das Landgericht habe verkannt, dass eine Anweisungslage vorliege. Eine Rückforderung komme unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten gegen die Beklagte nicht in Betracht. Im Weiteren wird lediglich dargelegt, dass und warum ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen die Beklagte nicht bestehe. Demgegenüber setzt sich der Schriftsatz nicht mit der weiteren Begründung des Landgerichts auseinander, dass vorliegend eine Konstellation gegeben sei, die den Kläger zu einer Anfechtung gemäß § 134 InsO berechtige. Mit dieser Begründung hat das Landgericht dem Kläger letztlich den geltend gemachten Anspruch gemäß § 129 Abs. 1 , § 134 Abs. 1 , § 143 Abs.1 Satz 1 InsO zuerkannt.

Zu dieser selbständig tragenden rechtlichen Erwägung des Landgerichts verhält sich jedoch der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 25. Mai 2018 nicht. Ein auch insoweit erforderlicher Berufungsangriff liegt nicht vor.

Vorinstanz: LG Trier, vom 16.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 313/16
Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 22.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 364/18
Fundstellen
MDR 2020, 875
NJW 2020, 2119
NZI 2020, 752
WM 2020, 1213
ZInsO 2020, 1502