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BGH - Entscheidung vom 25.08.2020

XIII ZB 125/19

Normen:
AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2

BGH, Beschluss vom 25.08.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 125/19

DRsp Nr. 2020/15647

Prüfung des Vorliegens eines zulässigen Haftantrags zur Sicherung der Überstellung eines abgelehnten Asylbewerbers in die Niederlande; Anforderungen an die Ausführungen zur erforderlichen Dauer der Haft

Ein Haftantrag ist nur zulässig, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 4. September 2019 und der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 13. September 2019 den Betroffenen bis zu der am 16. September 2019 erfolgten Überstellung in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Harburg auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2;

Gründe

I. Der Betroffene, ein libanesischer Staatsangehöriger, reiste am 1. Juli 2018 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Oktober 2018 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung in die Niederlande an, da der Betroffene dort bereits einen Asylantrag gestellt hatte, über den noch nicht entschieden war. Eine für den 12. März 2019 geplante Überstellung konnte nicht stattfinden, da sich der Betroffene nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft aufhielt. Die Überstellungsfrist wurde bis 2. April 2020 verlängert. Nachdem der Betroffene am 3. September 2019 aufgegriffen wurde, hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde am 4. September 2019 Haft zur Sicherung der Überstellung in die Niederlande bis zum 20. September 2019 angeordnet. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und Haft bis 17. September 2019 angeordnet, da die beteiligte Behörde auf Nachfrage des Beschwerdegerichts mitgeteilt hat, dass eine Überstellung für den 16. September 2019 geplant sei. Das Beschwerdegericht hat die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner nach erfolgter Überstellung auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung gerichteten Rechtsbeschwerde.

II. Das zulässige Rechtmittel hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die Haft sei zu Recht angeordnet worden, insbesondere genüge der Haftantrag der beteiligten Behörde den Anforderungen.

2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des Amtsgerichts bis zu der am 16. September 2019 erfolgten Überstellung in seinen Rechten verletzt worden, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlt.

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, juris Rn. 7 mwN).

b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der beteiligten Behörde in ihrem Haftantrag zur erforderlichen Dauer der Haft nicht.

aa) Die beteiligte Behörde begründet die bis zum 27. September 2019 beantragte Haftdauer damit, dass das für die Abschiebung zuständige Landeskriminalamt eine Überstellung auf dem Landweg bis 20. September 2019 zugesichert habe. Sobald ein konkreter Überstellungstermin feststehe, teile man die Daten umgehend dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit, damit die zu beachtenden fünf Werktage zwischen der Rückantwort und dem Überstellungstermin eingehalten würden. Das Bundesamt leite den Termin an die niederländischen Behörden weiter, um die Ankunft des Betroffenen bekanntzugeben. Ein gültiges Passersatzpapier liege bereits vor.

bb) Aus diesen Angaben ergibt sich nicht, weshalb die beteiligte Behörde eine Haftdauer von dreieinhalb Wochen für erforderlich hält. Erläutert wird nur, dass für die niederländischen Behörden eine Vorankündigungsfrist von fünf Werktagen einzuhalten sei. Von welchen weiteren Umständen - etwa der Verfügbarkeit von Personal und Einsatzfahrzeugen - der genaue Termin der Überstellung abhängt und weshalb die Überstellung aus Sicht der beteiligten Behörde bis spätestens 20. September 2019, aber nicht zu einem früheren Termin erfolgen kann, wird nicht dargelegt. Aus dem Haftantrag erschließt sich also nicht, wofür die weiteren 16 Werk- und 14 Arbeitstage bis zum 27. September 2019 - oder die zehn Werk- und neun Arbeitstage bis zum 20. September 2019 -, die über die Vorankündigungsfrist von fünf Werktagen hinaus beantragt werden, benötigt werden.

Vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ), sind diese Angaben unzureichend. Die Haftdauer von dreieinhalb Wochen bis zum beantragten Haftende am 27. September 2019 und von zweieinhalb Wochen bis zum zugesagten spätesten Überstellungstermin am 20. September 2019 ist auch nicht so kurz, dass sich deren Notwendigkeit von selbst verstünde, zumal die Abschiebung auf dem Landweg in ein europäisches Nachbarland erfolgen sollte.

c) Der Mangel des Haftantrags ist nicht geheilt worden.

aa) Mängel des Haftantrags können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder der Haftrichter selbst die Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und die dafür erforderliche Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt, sofern der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, InfAuslR 2020, 241 Rn. 12).

bb) Die beteiligte Behörde hat ihre Angaben zur erforderlichen Dauer der Haft auf Nachfrage des Beschwerdegerichts mündlich ergänzt und mitgeteilt, dass die Überstellung am 16. September 2019 erfolgen solle. Daraufhin hat das Beschwerdegericht die Haftdauer auf den 17. September 2019 begrenzt. Es hat hierzu den Betroffenen aber nicht persönlich angehört, weshalb der Mangel des Haftantrags durch das Beschwerdegericht nicht geheilt wurde, auch wenn die Haftdauer zugunsten des Betroffenen abgekürzt wurde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 83 Abs. 2 FamFG . Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Mülheim an der Ruhr, vom 04.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 32 XIV (B) 14/19
Vorinstanz: LG Duisburg, vom 13.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 12 T 208/19