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BVerwG - Entscheidung vom 09.05.2019

9 KSt 1.19 (9 VR 2.16)

Normen:
VwGO § 11 Abs. 3 S. 1 und S. 3
VwGO § 162 Abs. 1

BVerwG, Beschluss vom 09.05.2019 - Aktenzeichen 9 KSt 1.19 (9 VR 2.16)

DRsp Nr. 2019/12971

Zuordnung der Kosten eines für das Hauptsacheverfahren und das zugehörige Eilverfahren eingeholten Privatgutachtens dem Hauptsacheverfahren i.R.d. Kostenfestsetzung bei unterschiedlichem Ausgang beider Verfahren

Die Kosten eines Privatgutachtens, das für das Hauptsache- und das zugehörige Eilverfahren eingeholt worden ist, sind im Rahmen der Kostenfestsetzung bei unterschiedlichem Ausgang beider Verfahren anteilig auch dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zuordnen. Beim 4. Revisionssenat wird angefragt, ob er an der gegenteiligen Auffassung festhält, dass in diesem Falle die Kosten nur dem Hauptsacheverfahren zuzuordnen sind.

Tenor

Beim 4. Revisionssenat wird angefragt, ob er an der Auffassung festhält, dass die Kosten eines Privatgutachtens, das für das Hauptsache- und das zugehörige Eilverfahren eingeholt worden ist, im Rahmen der Kostenfestsetzung bei unterschiedlichem Ausgang beider Verfahren nur dem Hauptsacheverfahren zuzuordnen sind (vgl. Beschluss vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 43).

Normenkette:

VwGO § 11 Abs. 3 S. 1 und S. 3; VwGO § 162 Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Antragsteller erstellte im Dezember 2016 und Januar 2017 für eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung mehrere Gutachten betreffend den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Köln für den Ausbau der Bundesautobahn A 1, die die Klägerin zur Begründung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss sowie ihres Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 28. November 2016 vorlegte.

Nachdem der Antragsgegner selbst die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses weitgehend ausgesetzt hatte, hat der Senat den Antrag, im noch streitigen Umfang die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, mit Beschluss vom 16. Februar 2017 - 9 VR 2.16 - abgelehnt und die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, unter Berücksichtigung der Feststellungen des Planfeststellungsbeschlusses einerseits und der umfänglichen, gutachterlich unterlegten Einwendungen andererseits stelle sich die Rechtmäßigkeit der umstrittenen Planung als offen dar. Im Rahmen einer Folgenabwägung überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse, weil mit den wenigen von der Aussetzungsentscheidung des Antragsgegners ausgenommenen Maßnahmen noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden. Die Klage der Vereinigung hat der Senat durch Urteil vom 11. Oktober 2017 - 9 A 14.16 - abgewiesen.

Mit Vertrag vom 30./31. Mai 2017 trat die Vereinigung ihre Erstattungsansprüche gegen den Antragsgegner an den Antragsteller ab. Daraufhin beantragte dieser die Kostenfestsetzung für das Eilverfahren. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle gab dem Antrag mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Dezember 2018 teilweise statt. Sie begrenzte darin die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen und verteilte diese auf das Eil- und auf das Hauptsacheverfahren - in Anlehnung an die Festsetzung der jeweiligen Streitwerte - anteilig im Verhältnis 1/3 zu 2/3. Sowohl der Antragsteller als auch der Antragsgegner haben hiergegen die Entscheidung des Gerichts beantragt.

II

Die Anfrage beruht auf § 11 Abs. 3 Satz 1 und 3 VwGO .

Nach Maßgabe des im Tenor genannten Beschlusses des 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 - (Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 43 Rn. 11 ff.) dürfte der Erinnerung des Antragsgegners stattzugeben und der Kostenfestsetzungsantrag des Antragstellers abzulehnen sein. Der beschließende Senat möchte aber von den einschlägigen Rechtssätzen abweichen.

Nach § 162 Abs. 1 VwGO sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage seine Interessen wahrgenommen hätte. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung. Ohne Belang ist, ob sich die Handlung im Nachhinein als erforderlich oder unnötig herausstellt. Kosten von Privatgutachten sind nur unter besonderen Umständen erstattungsfähig. Das gilt gerade für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die in der Regel auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache beschränkt sind. Die Einholung eines Privatgutachtens kann gleichwohl als notwendig anzuerkennen sein, wenn ein Beteiligter mangels ausreichender eigener Sachkunde die sein Begehren tragenden Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Zudem muss die jeweilige Prozesssituation das Gutachten herausfordern; dessen Inhalt muss auf die Förderung des jeweiligen Verfahrens zugeschnitten sein (vgl. Beschluss vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 - a.a.O. Rn. 6, 8 m.w.N.).

Der 9. Senat hält diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall für gegeben. Er möchte demzufolge die Kosten der Gutachten anteilig (auch) dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zuordnen. Daran sieht er sich jedoch durch die vorgenannte Entscheidung des 4. Senats gehindert. Danach sind die Aufwendungen für ein Privatgutachten auch und gerade dann, wenn sie in gleicher Weise dem Hauptsache- und dem Eilverfahren dienten, für die Kostenfestsetzung regelmäßig allein dem Hauptsacheverfahren zuzuordnen, da erst in diesem rechtskräftig - und aufgrund der mündlichen Verhandlung mit höherer Richtigkeitsgewähr - über den Anspruch des Betroffenen entschieden werde. Auch praktische Bedürfnisse sprächen für diese Lösung, zumal es für eine etwaige anteilige Zuordnung der Gutachterkosten an greifbaren Maßstäben fehle. Das gelte insbesondere dann, wenn in der Hauptsache neben dem Planaufhebungsanspruch hilfsweise Verpflichtungsansprüche auf Planergänzung geltend gemacht würden, die nicht Gegenstand des Eilverfahrens gewesen seien (Beschluss vom 16. November 2006 - 4 KSt 1003.06 - a.a.O. Rn. 11 ff.).

Nach Auffassung des 9. Senats trägt diese Lösung den schutzwürdigen Belangen des Antragstellers eines Eilverfahrens, das sich gegen den Vollzug eines - typischerweise komplexen - Planfeststellungsbeschlusses richtet, nicht hinreichend Rechnung (zum Gesichtspunkt der Waffengleichheit vgl. Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO , 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 37). Namentlich unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Kammerbeschlüsse vom 14. September 2016 - 1 BvR 1335/13 - NVwZ 2017, 149 Rn. 20 und vom 12. Juli 2018 - 1 BvR 1401/18 - NVwZ 2018, 1466 Rn. 5) darf eine derartige Eilentscheidung regelmäßig nur insoweit auf eine Folgenabwägung gestützt werden, als eine (gegebenenfalls summarische) Rechtmäßigkeitsprüfung in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. Ein Antragsteller ist deshalb gegebenenfalls schon im Eilverfahren gehalten, der mit behördlichen Gutachten detailliert unterstützten Beurteilung des Antragsgegners eine ebenfalls gutachterlich unterlegte eigene Sichtweise entgegenzusetzen.

Erlangt unter solchen Umständen das Privatgutachten aus der nach § 162 Abs. 1 VwGO maßgeblichen Sicht ex ante, wie auch vom 4. Senat in seiner Referenzentscheidung (- 4 KSt 1003.06 - a.a.O. Rn. 10) ausdrücklich vorausgesetzt, sowohl im Eilverfahren als auch im Klageverfahren Bedeutung, hält es der 9. Senat für inkonsequent, die Kosten gleichwohl allein letzterem zuzuordnen. Das Argument, dass erst auf die Klage eine rechtskraftfähige Entscheidung ergeht, löst sich von dem in § 162 Abs. 1 VwGO geregelten Maßstab und übersieht nach Ansicht des Senats, dass das Eilverfahren mit einer eigenständigen Kostengrundentscheidung schließt, deren Bestand nicht vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens abhängt.

In Anbetracht dessen hat die Kostenbeamtin hier mit der Verteilung der Kosten auf das Hauptsache- und das Eilverfahren im Verhältnis der Streitwerte ein im Schrifttum vorgeschlagenes (vgl. etwa Herget, in: Zöller, ZPO , 32. Aufl. 2018, § 91 Rn. 13 unter "Privatgutachten" a.E.) und nach Auffassung des Senats sachgerechtes Verfahren angewendet. Dieses ist, wie der vorliegende Fall zeigt, grundsätzlich im Rahmen der Kostenfestsetzung praktikabel. Das gilt insbesondere auch dann, wenn im Klageverfahren zwar über den Anfechtungs- und Rechtswidrigkeitsfeststellungsantrag hinaus hilfsweise noch ein Verpflichtungsantrag auf Planergänzung gestellt worden war, für den aber entweder - wie hier - gar kein eigener oder ein nur geringer, im Verhältnis zum Gesamtstreitwert nicht ins Gewicht fallender Teilstreitwert festgesetzt wurde. Denn jedenfalls in einer solchen - nach der Erfahrung des 9. Senats typischen - Konstellation kann der Teil des Streitgegenstandes des Klageverfahrens, der keine Entsprechung im Eilverfahren gefunden hat, auch bei der hier in Rede stehenden Kostenaufteilung ohne Weiteres vernachlässigt werden.

Von daher bittet der 9. Senat den 4. Senat um Antwort, ob dieser an seiner gegenteiligen Auffassung festhält. Sollte diese Frage grundsätzlich bejaht werden, möge bitte weiter mitgeteilt werden, ob das auch für den Fall gelten soll, dass etwaige, im Vergleich zum Eilverfahren überschießende Klageanträge für die Streitwertfestsetzung keine oder nur eine zu vernachlässigende Rolle gespielt haben, obwohl dann mit der Verteilung der Gutachtenkosten im Verhältnis der Streitwerte ein einfaches und praktikables Zuordnungsverfahren zur Verfügung stehen dürfte.