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BVerwG - Entscheidung vom 19.09.2019

9 C 5.19 (9 C 18.16)

Normen:
VwGO § 47

BVerwG, Urteil vom 19.09.2019 - Aktenzeichen 9 C 5.19 (9 C 18.16)

DRsp Nr. 2020/207

Anspruch auf Beseitigung eines Radweges auf einem Grundstück; Berücksichtigung einer nachträglichen Einordnung als Radweg im Bebauungsplan; Verneinung des Folgenbeseitigungsanspruchs bei einem nicht mehr rechtswidrigen Zustand

Ein Folgenbeseitigungsanspruch entfällt, wenn sich seine Verwirklichung als eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beseitigung der eingetretenen Folgen verlangt wird, obwohl sie auf der Grundlage der außerhalb des Rechtsstreits inzwischen entstandenen materiellen Rechtslage ausgeschlossen, insbesondere der bestehende Zustand inzwischen legalisiert ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. Oktober 2016 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. April 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 47 ;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Beseitigung eines Radweges auf einem Grundstück des Klägers.

Der Kläger ist Eigentümer des Flurstücks ... der Flur ... der Gemarkung ... Auf diesem Grundstück errichtete die Beklagte in den Jahren 1998/99 einen Radweg. Der Kläger hatte sich damit einverstanden erklärt, falls er von der Beklagten eine Austauschfläche erhalte. Zu einer diesbezüglichen Einigung kam es in der Folgezeit jedoch nicht. Die spätere Widmung des Radweges hob das Verwaltungsgericht rechtskräftig auf, soweit das Eigentum des Klägers betroffen war.

Die Klage auf Beseitigung des fraglichen Radwegestücks blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Oberverwaltungsgericht die Beklagte, den Radweg auf dem Grundstück des Klägers zu beseitigen, die Fläche mit Muttererde zu verfüllen und mit Dauermischweide zu begrünen.

Gegen das Berufungsurteil hat die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Nach Erlass des Berufungsurteils, aber noch vor Eingang der Revisionsschrift hat die Beklagte am 17. November 2016 die Ausfertigung eines Bebauungsplans bekannt gemacht, der die umstrittene Fläche nunmehr als Radweg ausweist. Ein vom Kläger gegen den Bebauungsplan eingelegter Normenkontrollantrag, dessentwegen das Revisionsverfahren ausgesetzt war, ist durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2019 ( 2 A 22.17) abgewiesen worden; dieses Urteil ist rechtskräftig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. Oktober 2016 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. April 2013 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2019 hat er darüber hinaus beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm das Interesse an der Folgenbeseitigung in Höhe von 3 010,70 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zuzüglich weiterer Kosten für die Entsorgung der Asphaltdecke und die Verbringung der Schottertragschicht auf gemeindeeigene Liegenschaften, zu erstatten.

Insoweit macht er geltend, er habe inzwischen die umstrittene Radwegfläche selbst beseitigt und dafür den geforderten Betrag aufgewendet.

Nach Anhörung der Beteiligten hat sich der Senat hinsichtlich des zuletzt genannten Antrages für unzuständig erklärt und ihn durch Beschluss vom heutigen Tag an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen.

II

Der Senat kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO wegen des Verzichts der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.

1. Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.

Das Berufungsurteil kann unter den nunmehr eingetretenen Umständen keinen Bestand haben. Kommt es für den Erfolg der Klage, wie bei einer auf Folgenbeseitigung gerichteten Leistungsklage, nach materiellem Recht auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, hat das Revisionsgericht zwar regelmäßig auf den Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts abzustellen. Rechtsänderungen, die später eintreten, hat es aber ebenso zu beachten wie sonst die Vorinstanz. Bei einer nachträglichen Änderung der Sachlage gilt das gleiche dann, wenn ein unstreitiger Umstand nicht weiter beweisbedürftig ist, seine Verwertung der Streiterledigung dient und schützenswerte Interessen der Beteiligten nicht berührt werden (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 19. September 2007 - 6 C 34.06 - Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 2 Rn. 12 f. m.w.N.).

Daran gemessen steht dem Kläger der ihm vom Oberverwaltungsgericht zuerkannte Folgenbeseitigungsanspruch nicht (mehr) zu. Dieser Anspruch setzt nach allgemeiner Auffassung voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der noch andauert. Seinem Inhalt nach ist der Anspruch auf die Wiederherstellung des Zustandes gerichtet, der im Zeitpunkt des rechtswidrigen Eingriffs bestand. Der Anspruch entfällt, wenn sich seine Verwirklichung als eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Das ist dann der Fall, wenn die Beseitigung der eingetretenen Folgen verlangt wird, obwohl sie auf der Grundlage der außerhalb des Rechtsstreits inzwischen entstandenen materiellen Rechtslage ausgeschlossen, insbesondere der bestehende Zustand inzwischen legalisiert ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 26.88 - BVerwGE 80, 178 <179>).

Das Berufungsgericht hat den betreffenden Einwand der Beklagten im Hinblick auf ihren nachträglichen Bebauungsplan erwogen, aber nicht durchgreifen lassen, weil dieser im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht bekannt gemacht war und zudem ungewiss sei, ob er Bestand haben und Grundlage einer rechtmäßigen Enteignung des Klägers sein werde (UA S. 10). An dieser Bewertung kann nicht festgehalten werden, nachdem der Bebauungsplan in Kraft getreten und inzwischen auf den Normenkontrollantrag des Klägers durch rechtskräftiges Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2019 ( 2 A 22.17) für rechtmäßig befunden worden ist. Obwohl ein Enteignungsverfahren noch nicht durchgeführt wurde, spricht unter diesen Umständen vieles dafür, dass der Kläger die Beseitigung des Radweges von der Beklagten nicht mehr verlangen könnte.

Dies mag aber dahinstehen. Denn abgesehen davon hat sich die entscheidungserhebliche Sachlage durch die vom Kläger im Einzelnen beschriebene, zwischen den Beteiligten unstreitige und daher nicht weiter beweisbedürftige Selbstvornahme dahin geändert, dass die Beklagte den Beseitigungsanspruch jedenfalls tatsächlich nicht mehr erfüllen kann. Auf diese Konsequenz seines Handelns hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 10. Mai 2019 selbst hingewiesen. Er hat seine Klage allerdings weder auf einen Feststellungsantrag umgestellt noch hat er zur Abwendung der Kostenlast eine Erledigungserklärung abgegeben.

2. Über den Antrag des Klägers, die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe der geltend gemachten eigenen Aufwendungen zu verurteilen, hat der Senat nicht zu entscheiden, weil er dafür sachlich unzuständig ist. Deshalb war dieser Teil des Rechtsstreits an das hierfür zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO .

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 , § 52 Abs. 2 GKG ).

Vorinstanz: VG Potsdam, vom 11.04.2013
Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 06.10.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 B 11.15