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BVerwG - Entscheidung vom 23.07.2019

8 B 12.19

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3

BVerwG, Beschluss vom 23.07.2019 - Aktenzeichen 8 B 12.19

DRsp Nr. 2019/13032

Anerkennung einer weiteren Verfolgungszeit für die berufliche Rehabilitierung eines Verfolgten bei Abbruch des Studiums infolge politisch motivierter Schikanen

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 19. April 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ;

Gründe

Der 1950 geborene Kläger begehrt seine berufliche Rehabilitierung für die Zeit vom 6. Juli 1975 bis zum 12. Oktober 1976. Er nahm 1974 ein Studium der Fachrichtung Tiefbohrtechnik auf. Am 5. Juli 1975 brach er das Studium ab und übte anschließend eine Tätigkeit als Bohrfacharbeiter aus. Am 13. Oktober 1976 wurde er in Bulgarien festgenommen. Mit Urteil vom 31. Januar 1977 verurteilte das Kreisgericht Karl-Marx-Stadt/Mitte-Nord ihn wegen ungesetzlichen Grenzübertritts zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Am 4. Oktober 1977 wurde er aus der Haft entlassen und reiste anschließend in die Bundesrepublik Deutschland aus. Seine Verurteilung wegen ungesetzlichen Grenzübertritts wurde im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren aufgehoben. Sein Antrag, über die Verfolgungszeit vom 13. Oktober 1976 bis 4. Oktober 1977 hinaus eine weitere Verfolgungszeit vom 6. Juli 1975 bis zum 12. Oktober 1976 anzuerkennen, wurde abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1) und die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14).

Die vom Kläger aufgeworfene Frage,

ob jemand, der über Jahre hinweg in seiner persönlichen Lebensführung und in der freien Entschließung seines Willens durch das unrechtsstaatliche Regime der DDR schikaniert und zu existenziell bedrückenden und fatalen Entscheidungen gedrängt wurde, die schließlich zu (Unrechts-)Haft und anschließenden sozialen Repressalien und Ausgrenzungen führten, nicht Verfolgter im Sinne des BerRehaG sein kann,

würde sich im angestrebten Revisionsverfahren so nicht stellen, weil sie von tatsächlichen Umständen ausgeht, die das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger sein Studium aus Leistungsgründen und nicht infolge politisch motivierter Schikanen abgebrochen. An diese Feststellungen wäre das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da sie nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen wurden. Neues tatsächliches Vorbringen zu den Gründen der Minderleistung im Studium könnte im Revisionsverfahren ebenfalls nicht berücksichtigt werden.

2. Die gerügten Verfahrensmängel sind nicht substantiiert dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ).

a) Zur Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO ) muss im Einzelnen dargetan werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1987 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Dem entspricht der Vortrag des Klägers zu den Dokumenten der bulgarischen Sicherheitsorgane nicht. Insbesondere erläutert er nicht, welche konkreten, für die rehabilitierungsrechtliche Beurteilung des Studienabbruchs erheblichen Tatsachen die von ihm verlangte Übersetzung belegen soll.

b) Der Vortrag des Klägers führt auch auf keinen Verstoß gegen seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ). Er zeigt nicht auf, dass das Gericht bestimmtes entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hätte. Mit dem Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe keine kritische Würdigung des Gesamtkontextes vorgenommen, zeigt der Kläger kein konkretes, übergangenes tatsächliches oder rechtliches Vorbringen auf. Er stellt lediglich der verwaltungsrechtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung seine eigene, abweichende gegenüber.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: VG Chemnitz, vom 19.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 7 K 1692/15