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BSG - Entscheidung vom 12.03.2019

B 12 R 52/18 B

Normen:
HGB § 84
SGB IV § 7

BSG, Beschluss vom 12.03.2019 - Aktenzeichen B 12 R 52/18 B

DRsp Nr. 2019/6720

Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit als Einfirmenhandelsvertreter von einer abhängigen Beschäftigung als Vertriebsmitarbeiter Gesamtbild der Arbeitsleistung für eine Statusbeurteilung Gesamtabwägung aller als Indizien in Betracht kommenden Umstände

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Statusbeurteilung auf das Gesamtbild der Arbeitsleistung abzustellen.2. Für die Zuordnung einer Tätigkeit nach diesem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit müssen alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet werden.3. Abschließend müssen diese Umstände den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

HGB § 84 ; SGB IV § 7 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Vertriebspartnerin für die klagende GmbH vom 1.4.2010 bis zum 23.6.2015 aufgrund einer Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag (Bescheid vom 29.5.2015, Widerspruchsbescheid vom 16.12.2015). Das SG Regensburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.7.2017). Das Bayerische LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit sei von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Für die Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit als Einfirmenhandelsvertreter von einer abhängigen Beschäftigung als Vertriebsmitarbeiter sei die spezielle Norm des § 84 HGB anzuwenden. Zwar seien gewichtigste Indizien für eine nicht abhängige Beschäftigung die allein provisionsgebundene Vergütung sowie der bei Vertragsschluss übereinstimmende Wille, kein Beschäftigungsverhältnis zu begründen. Dem stehe aber eine erhebliche Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in die Betriebsorganisation der Klägerin gegenüber (Urteil vom 15.5.2018). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG ). Die Klägerin hat die allein geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt ( BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin misst folgender Frage eine grundsätzliche Bedeutung bei:

"Schließt eine allein provisionsgebundene Vergütung eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV aus?"

Damit ist schon keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert, sondern nach dem Ergebnis eines Subsumtionsvorgangs im Einzelfall gefragt worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

Ungeachtet dessen ist auch die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht dargetan. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Die Klägerin setzt sich zwar mit einzelnen Entscheidungen des BSG , nicht aber mit dessen umfangreicher Rechtsprechung zu den Grundsätzen zur Beurteilung einer Tätigkeit als Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 SGB IV oder selbstständige Tätigkeit (vgl zuletzt BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 R 3/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 36 RdNr 12f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) auseinander. Sie geht insbesondere nicht auf die von ihr selbst im Rahmen der gerügten Divergenz (dazu 2.) angeführte ständige Rechtsprechung des Senats ein, wonach bei der Statusbeurteilung auf das Gesamtbild der Arbeitsleistung abzustellen ist und die Zuordnung einer Tätigkeit nach diesem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit voraussetzt, dass "alle" nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (insoweit insbesondere BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25). Weshalb entgegen dieser ständigen Rechtsprechung nicht sämtliche Indizien Berücksichtigung finden sollen, sondern bereits allein eine provisionsgebundene Vergütung eine abhängige Beschäftigung ausschließen soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Eine solche Abweichung hat die Klägerin nicht dargelegt.

Die Klägerin entnimmt dem angegriffenen Urteil des LSG den Rechtssatz "Im Zweifel handelt es sich um eine abhängige Beschäftigung" und stellt diesem den Leitsatz des Urteils des BSG vom 25.4.2012 ( B 12 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15) gegenüber. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit sich widersprechende Rechtssätze aufgezeigt worden sind. Jedenfalls ist nicht aufgezeigt worden, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 VwGO .

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 15.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 14 R 5138/17
Vorinstanz: SG Regensburg, vom 18.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 10 R 8015/16