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BGH - Entscheidung vom 14.08.2019

AnwZ (Brfg) 40/19

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
ZPO § 882c

BGH, Beschluss vom 14.08.2019 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 40/19

DRsp Nr. 2019/14234

Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls; Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft

Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Eine solche Gefährdung kann im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 11. März 2019 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; ZPO § 882c;

Gründe

I.

Der 1950 geborene Kläger ist seit 1986 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 11. Mai 2018 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. März 2019 - AnwZ (Brfg) 66/18, juris Rn. 5).

Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen.

a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 4 und vom 7. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 55/18, juris Rn. 5; jeweils mwN).

b) Im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids befand sich der Kläger in Vermögensverfall.

Er war auf Anordnung des Gerichtsvollziehers nach § 882c ZPO im Hinblick darauf, dass er seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen war, in drei Fällen in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis eingetragen (§ 882b ZPO ). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird der Vermögensverfall des Rechtsanwalts dann widerlegbar vermutet. Zwar kommt die Vermutung nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die den Eintragungen zu Grunde liegenden Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vollständig getilgt waren (vgl. nur Senat, Beschluss vom 17. September 2018 - AnwZ (Brfg) 31/18, juris Rn. 6 mwN). Dies hat der Kläger indes schon nicht behauptet. Nach seinem eigenen Vortrag wurde die der Eintragung vom 3. Januar 2018 zu Grunde liegende Forderung erst am 6. Juni 2018 - mithin nach Erlass der Widerrufsentscheidung - beglichen, so dass diese Zahlung nur im Rahmen eines Wiederzulassungsverfahrens zu berücksichtigen wäre. Hinsichtlich der der Eintragung vom 20. April 2018 zu Grunde liegenden Forderung ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus dem Forderungskonto per 15. Dezember 2017 eine Restforderung von insgesamt 4.212,34 €, die sich aus der restlichen Hauptforderung, Zinsen und Kosten zusammensetzt. Dass auch die Restforderung im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids beglichen war, hat der Kläger nicht vorgetragen. Inwieweit die Forderung, die der dritten Eintragung zu Grunde lag, im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung noch offen war, ist vor diesem Hintergrund nicht erheblich, nachdem die Vermutungswirkung bereits durch die anderen Eintragungen entstanden war und fortbestand.

Die Vermutungswirkung wird durch die Eintragungen begründet. In ständiger Rechtsprechung geht der Senat dabei von einer Tatbestandswirkung der Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aus. Im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO werden Titel und Vollstreckungsmaßnahmen deshalb nicht auf ihre inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit überprüft. Behauptete Fehler sind in den jeweils vorgesehenen Verfahren geltend zu machen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 18. Februar 2019 - AnwZ (Brfg) 65/17, juris Rn. 8 mwN). Der Vortrag des Klägers, die Eintragung vom 20. April 2018 sei von Anfang an falsch gewesen, ist somit unbehelflich. Abgesehen davon lag dieser ein Zwangsvollstreckungsauftrag in Höhe von nur noch 4.460,65 € zu Grunde. Die vom Kläger vorgetragene Zahlung von 21.000 € auf die Hauptforderung von 21.591,45 € wurde mithin entgegen seinem Vorbringen hierbei berücksichtigt und die Eintragung erfolgte nur im Hinblick auf die offene Restforderung.

Unerheblich ist, aus welchem Rechtsgrund der Kläger die Zahlungen schuldete und ob die Verbindlichkeiten letztlich auf Grund des Verhaltens seiner Sozietätskollegin entstanden waren und er auf eine Zahlung durch sie vertraute. Er selbst war Schuldner der den Eintragungen zu Grunde liegenden Forderungen und kam seinen hieraus resultierenden Zahlungspflichten nicht nach, weshalb Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet wurden. Die Eintragungen wurden von ihm selbst verursacht, indem er der Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkam. Die Vermutungswirkung greift deshalb zu Recht ihm gegenüber.

Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung hat der Rechtsanwalt ein auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids bezogenes vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet waren (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 21. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 33/18, juris Rn. 10 und vom 30. Januar 2017 - AnwZ (Brfg) 61/16, juris Rn. 4). An einer solchen umfassenden und schlüssigen Darlegung fehlt es. Gegenüber der Rechtsanwaltskammer hat der Kläger nicht Stellung genommen. Seine Klage hat er in erster Instanz nicht begründet. Der Zulassungsantrag enthält ebenfalls keine vollständige, geordnete und belegte Darstellung seiner Verbindlichkeiten sowie seiner Vermögens-, Einkommens- und Ausgabensituation bezogen auf den Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung. Damit fehlt es bereits an der Grundvoraussetzung für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung. Lediglich ergänzend ist insoweit anzumerken, dass der Vortrag des Klägers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auch isoliert betrachtet nicht hinreichend konkret ist. Der Kläger hat lediglich pauschal auf seine Einkommensquellen verwiesen und seinen Vortrag nicht belegt. Hinsichtlich der behaupteten Einnahmen aus Vermietung sowie der Anwaltsversorgung hat er schon keine konkreten Zahlen genannt. Einen jährlichen Gewinn aus seiner anwaltlichen Tätigkeit von 40.000 € hat er nur behauptet und nicht belegt. Auch die Angaben zu seinem Immobilienbesitz sind nicht ausreichend und durch nichts belegt. Abgesehen davon können Vermögenswerte nur dann von Bedeutung sein, wenn sie liquide sind (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 6). Immobilienvermögen ist dementsprechend nur von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2019 - AnwZ (Brfg) 21/19, juris Rn. 8). Dies ist weder hinsichtlich der selbstgenutzten noch hinsichtlich der weiteren angegebenen Immobilien ersichtlich, zumal der Kläger jeweils nur Miteigentümer ist. Pauschal und nicht belegt ist weiter die Aussage, dass sein Kontostand in der Regel 20.000 € betrage. Das durch Vorlage eines Kontoauszugs nachgewiesene Guthaben von 8.016,71 € am Tag der Widerrufsentscheidung genügte nicht einmal, um die zu diesem Zeitpunkt auch nach dem Vortrag des Klägers noch offenen Forderungen, die Grundlage der Eintragungen waren, vollständig zu begleichen. Eine Darstellung der Ausgaben und regelmäßigen Kosten fehlt vollständig. Die Behauptung, es gebe keinerlei Verbindlichkeiten, ist bezogen auf den Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung schon deshalb nicht zutreffend, weil jedenfalls damals die den Eintragungen zu Grunde liegenden Forderungen noch teilweise bestanden.

c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Bayern, vom 11.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen BayAGH I 5 29/18