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BGH - Entscheidung vom 14.05.2019

AnwZ (Brfg) 34/18

Normen:
BRAO § 7 Nr. 8
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8
GG Art. 12

Fundstellen:
AnwBl 2019, 421
DStR 2019, 1838
DStRE 2020, 695
NJW-RR 2019, 1270
NZG 2020, 40

BGH, Beschluss vom 14.05.2019 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 34/18

DRsp Nr. 2019/8905

Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft aufgrund einer Interessenkollision durch gleichzeitige Tätigkeit als Stiftungsberater

Eine Rechtsanwaltszulassung ist zu versagen bzw. zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere mit seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Eine gleichzeitige Tätigkeit als Erbschafts- und Stiftungsmanager und als Anwalt ist daher nicht möglich.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 31. Mai 2018 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs in der Fassung des am 29. August 2018 zugestellten Berichtigungsbeschlusses vom 15. August 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 10.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 7 Nr. 8 ; BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8 ; GG Art. 12 ;

Gründe

I.

Der Kläger wurde 2005 als Rechtsanwalt zugelassen. Seit 2007 ist er, was der Beklagten erst seit April 2016 bekannt ist, bei der De. AG, nunmehr bei der D. AG, als "Spezialberater Vermögen für Generationen im Bereich Privat & Business Clients" tätig. Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 9. März 2017 die Zulassung als Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO . Die hiergegen gerichtete Klage wies der Anwaltsgerichtshof ab und ließ die Berufung nicht zu. Der Kläger legte zunächst mit Schriftsatz vom 27. Juni 2018 "[i]n Zulassungssache [...] V. [...] gegen Rechtsanwaltskammer [...] C. " Berufung ein. Nach entsprechendem Hinweis des Senats, der zugleich einen Fehler in der vom Anwaltsgerichtshof erteilten Rechtsmittelbelehrung betraf, teilte der Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 2018 mit, sein Rechtsmittel solle als Antrag auf Zulassung der Berufung verstanden werden. Der Anwaltsgerichtshof berichtigte die Rechtsmittelbelehrung mit Beschluss vom 15. August 2018.

II.

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Insoweit kann dahinstehen, ob der Schriftsatz vom 27. Juni 2018 einer Auslegung des Rechtsmittels als Antrag auf Zulassung der Berufung zugänglich ist. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, kann er jedenfalls in einen solchen Antrag umgedeutet werden, da die Behandlung als Antrag auf Zulassung der Berufung innerhalb der wegen einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung - zunächst - laufenden Jahresfrist nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 58 Abs. 2 VwGO ab Zustellung des Urteils in seiner ursprünglichen Version beantragt wurde (Senat, Beschluss vom 31. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 45/17, juris Rn. 8 ff.). Er ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt er jedoch ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 , 2 und 3 VwGO ) liegen nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN und vom 29. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 16/18, juris Rn. 10). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (Senat, Beschluss vom 17. September 2015 - AnwZ (Brfg) 32/15, juris Rn. 4 mwN).

a) Eine Rechtsanwaltszulassung ist zu versagen (§ 7 Nr. 8 BRAO ) bzw. - vorbehaltlich einer unzumutbaren Härte - zu widerrufen (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ), wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere mit seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.

Ziel der Vorschriften ist, die fachliche Unabhängigkeit und Integrität sowie ausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte zu sichern und die notwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft zu schützen. Es kommt dabei nicht nur auf die Integrität des einzelnen Bewerbers und die Besonderheiten seiner beruflichen Situation an. Selbst wenn diese im Einzelfall günstig beurteilt werden können, muss berücksichtigt werden, ob die Ausübung des Zweitberufs beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz eines Rechtsanwalts wecken kann. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Grundrechtseingriffen, hier in Art. 12 Abs. 1 GG , ist eine solche Berufswahlbeschränkung allenfalls dort erforderlich und zumutbar, wo sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich abzeichnet und auch nicht mit Berufsausübungsregeln zu bannen ist. Dies ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Tätigkeit des Rechtsanwalts zu prüfen. Eine solche die Unabhängigkeit beeinträchtigende Interessenkollision bzw. die Wahrscheinlichkeit einer Pflichtenkollision kann insbesondere bei einer erwerbswirtschaftlichen Prägung des Zweitberufs gegeben sein. Interessenkollisionen liegen insbesondere dann nahe, wenn der kaufmännische Beruf die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die aus der rechtsberatenden Tätigkeit stammen (st. Rspr.; BVerfGE 87, 287 , 320 ff., 329 f.; BVerfG, NJW 2013, 3357 Rn. 25 f.; BGH, Senatsurteile vom 25. November 2013 - AnwZ (Brfg) 10/12, NJW-RR 2014, 498 Rn. 6 f.; vom 11. Januar 2016 - AnwZ (Brfg) 35/15, Rn. 15 f.; jeweils mwN; vgl. auch BVerwGE 154, 58 Rn. 18 f.; BVerwGE 156, 392 Rn. 18; kritisch Kleine-Cosack, BRAO , 7. Aufl., § 7 Rn. 65 ff., 71 f.). In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat bereits entschieden (Beschluss vom 15. Mai 2006 - AnwZ (B) 41/05, NJW 2006, 2488 Rn. 6 ff., ebenso: Schmidt-Räntsch, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 7 BRAO Rn. 75), dass eine Tätigkeit als Erbschafts- und Stiftungsmanager mit dem Anwaltsberuf unvereinbar ist (ebenso für den angestellten Vermögensberater einer Bank: Senatsbeschluss vom 21. März 2011 - AnwZ (B) 36/10, NJW-RR 2011, 856 Rn. 7 ff., ebenso: Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO , 9. Aufl., § 7 BRAO Rn. 118; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO , 4. Aufl., § 7 Rn. 105 "Bankberater"). Es besteht einerseits die Gefahr, dass sich der Rechtsanwalt im Rahmen der Beratung von Kunden im Zweitberuf nicht nur von den Interessen der Kunden, sondern auch denen des Arbeitgebers, in dessen Vertriebsstruktur er eingebunden ist, leiten lässt. Zum anderen erhält der Rechtsanwalt oftmals Kenntnis von Vermögensverhältnissen seiner Kunden, so dass die objektive Gefahr besteht, dass dieses Wissen für Empfehlungen zu Vermögensanlage oder -strukturierungen durch ihn oder für Hinweise an Kundenberater des Arbeitgebers genützt wird.

b) Unstreitig berät der Kläger im Schwerpunkt (Bestands-)Kunden seiner Arbeitgeberin hinsichtlich der Frage der Errichtung von Stiftungen und stellt das diesbezügliche Leistungsangebot seiner Arbeitgeberin bzw. verbundener Unternehmen einschließlich des Angebots einer ebenfalls vergütungspflichtigen Verwaltung der Stiftung durch diese vor. Die gleichzeitige Tätigkeit als Stiftungsberater und als Rechtsanwalt begründet die Gefahr einer Interessenkollision.

aa) Anders als der Kläger meint, ist er akquisitorisch tätig. Er verengt den Begriff der Akquise unzulässig, wenn er meint, eine akquisitorische Tätigkeit liege nur vor, wenn die Tätigkeit auf die Gewinnung von Neukunden ziele. Diese Annahme trifft nicht zu. Denn die Gefahr einer - noch aufzuzeigenden - deutlichen Interessenkollision ergibt sich aus der Beratungssituation hinsichtlich des Erwerbs eines Anlage- oder Dienstleistungsprodukts der Bank und ist unabhängig davon, ob es sich um die Beratung eines Alt- oder Neukunden handelt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 15. Mai 2006 - AnwZ (B) 41/05, aaO Rn. 10, der ebenfalls keine Differenzierung zwischen Alt- und Neukunden vornimmt).

Im Übrigen zielt die Tätigkeit des Klägers sehr wohl auch auf die Gewinnung von Neukunden, wenn er in seiner Eigenschaft als Vermögensberater Vorträge hält und auf entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten für den Generationenübergang hinweist, für die seine Arbeitgeberin am Markt Dienstleistungen anbietet. Der vom Kläger angestellte Vergleich mit der Vortragstätigkeit von Richtern oder anderen Berufsgruppen verkennt, dass ihm der Anwaltsgerichtshof nicht die Vortragstätigkeit als solche vorhält, sondern unter dem Gesichtspunkt der Einbindung des Klägers in die Vertriebsinteressen seiner Arbeitgeberin zu Recht einen Zusammenhang mit der akquisitorischen Tätigkeit herstellt.

bb) Nicht zu folgen vermag der Senat, wenn der Kläger vorträgt, er spreche keine Handlungsempfehlungen für die Vermögensstrukturierung seiner Kunden aus. Auch in der Errichtung einer Stiftung liegt eine Vermögens(um)strukturierung. Eine Behauptung des Klägers aber, er äußere sich nicht zur wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit der Errichtung einer Stiftung eines Kunden, - sollte er sie tatsächlich so verstanden wissen wollen - wäre weder mit seiner arbeitsvertraglich fixierten Aufgabe einer "Spezialberatung" - eine Beratung ist mehr als eine bloß wertungsfreie Information - noch mit dem Geschäftsmodell der Arbeitgeberin oder auch nur mit der Erwartungshaltung der Kunden an ein Beratungsgespräch in Einklang zu bringen.

cc) Ebenso wenig kann es der Senat nachvollziehen, wenn der Kläger behauptet, er nehme keinerlei rechtliche Beratung vor. Eine Beratung über die Errichtung einer Stiftung ist ein Vorgang, der ohne zumindest grobe Erörterung der mit ihm einhergehenden Rechtsfragen nicht denkbar ist. Der Kläger und seine Arbeitgeberin werben im Übrigen damit, dass der Kläger zertifizierter Stiftungsberater (und -manager) ist und daher über spezifische Kenntnisse in diesem Bereich verfügt. Entsprechend beschreibt die D. S. auf ihrer Homepage (https://www.d. -s. .de/ ) ihr Geschäftsmodell - unter Hinweis auch auf steuerrechtliche Vorteile etwa als steuerbegünstigte Körperschaft - wie folgt:

"Unsere Spezialberater 'Vermögen für Generationen' der De. beraten Sie, wenn Sie eine treuhänderische Stiftung unter dem Dach der D. S. neu gründen möchten. Der Stiftungsname und das Stiftungsziel werden definiert, eine Stiftungsverfassung und ein Stiftungsvertrag erarbeitet. Die D. S. regelt für Sie die Vorprüfung mit dem Finanzamt [...]."

dd) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob eine solche umfassende Beratung und Mitwirkung an der Stiftungserrichtung im Einklang mit dem Rechtsberatungsgesetz steht (zur Zulässigkeit entsprechender Hinweise auf günstige Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 5 Abs. 1 RDG , aber auch zu etwaigen Grenzen vgl. Deckenbrock/Henssler in dieselben, RDG , 4. Aufl., § 5 Rn. 53 f. mwN; Krenzler in HK- RDG , 2. Aufl., § 5 Rn. 45 ff.) und sich schon unter diesem Aspekt eine Unvereinbarkeit des Zweitberufs mit einer Tätigkeit als Rechtsanwalt ergeben könnte (vgl. Senat, aaO Rn. 9 mwN). Jedenfalls besteht aufgrund der Tätigkeit des Klägers - selbst wenn er selbst keine abschließende rechtliche Beratung vornehmen sollte - die Gefahr einer sich deutlich abzeichnenden Interessenkollision unter folgenden Gesichtspunkten:

(1) Aufgrund der Eingebundenheit des Klägers in den Vertrieb eines von seiner Arbeitgeberin angebotenen Produkts liegt die Gefahr auf der Hand, dass sich der Kläger bei seinen Ratschlägen an Bankkunden - etwa zur Verwaltung des Vermögens einer nach seinem Vorschlag zu gründenden Stiftung - nicht nur von deren Interessen, sondern auch von dem Interesse der Bank leiten lässt, die Regelung so zu beeinflussen, dass die Inanspruchnahme von Dienstleistungsprodukten der Bank dem Kunden sinnvoll erscheint. Eine derartige, vom Geschäftsinteresse der Bank nicht zu trennende und damit nicht unabhängige, sondern von einem fremden wirtschaftlichen Interesse mitbestimmte, auch rechtliche Aspekte umfassende Beratung des Bankkunden durch einen hierfür angestellten Mitarbeiter der Bank ist - anders als etwa die Tätigkeit als Syndikus in der Rechtsabteilung der Bank - mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts und seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar; sie gefährdet darüber hinaus auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts (vgl. Senat, aaO Rn. 10 f., juris).

(2) Dieser Interessenwiderstreit wird vorliegend nicht dadurch aufgehoben, dass im Ergebnis der Beratung oftmals Stiftungen (erst) von Todes wegen errichtet werden, somit bei oder auch längere Zeit nach der Beratung noch nicht feststeht, ob es zu einem für die Arbeitgeberin lukrativen Auftrag kommt. Zum einen berät der Kläger auch über lebzeitige Stiftungen, bei denen sofort ein Auftrag für seine Arbeitgeberin anfällt, zum anderen verkennt der Kläger, dass die Gefahr des Interessenwiderstreits in der Beratungssituation besteht und nicht davon abhängt, ob und wann der Kunde schlussendlich ein Bankprodukt erwirbt. Dass das Angebot einer Stiftungsberatung trotz dieser Besonderheiten für die Arbeitgeberin des Klägers von wirtschaftlichem Wert ist, zeigt sich im Übrigen bereits daran, dass die Arbeitgeberin den Kläger hierfür beschäftigt.

(3) Dass der Kläger bei seinen Aktivitäten im Zweitberuf nicht den Titel eines Rechtsanwalts benutzt, kann zu keiner anderen Bewertung führen, denn dies ändert nichts an dem Interessenkonflikt, in dem sich der Kläger bei der Beratung der Bankkunden befindet (Senat, aaO Rn. 12). Im Übrigen bleibt im Zeitalter des Internets interessierten Kunden die Zulassung des Klägers als Rechtsanwalt nicht verborgen, so dass für diese Kunden - ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger den Rechtsanwaltstitel im Zweitberuf nicht benutzt - gleichwohl der Eindruck entstehen könnte, die Beratung werde unabhängig von den Vertriebsinteressen der Bank durchgeführt.

(4) Aus der Tätigkeit resultiert überdies die Gefahr eines Interessenwiderstreits mit der Tätigkeit als freier Rechtsanwalt. Rechtsanwälte erhalten bei Ausübung ihres Berufs vielfach Kenntnis von Geld- und Immobilienvermögen. Aufgrund der Verflochtenheit der Angestelltentätigkeit mit dem Vertriebsinteresse der Arbeitgeberin liegt objektiv die Gefahr nahe, dass der Kläger Mandanten, die dafür in Frage kommen, Produkte seiner Arbeitgeberin - etwa die Errichtung und Verwaltung einer Stiftung - empfehlen könnte oder Kundenberater auf sie aufmerksam macht (Senat, aaO Rn. 14). Hinzu kommt, dass Mandanten Rechtsanwälte häufig mit Fragen zu Vermögensanlagen konfrontieren. Besonders naheliegend ist diese Gefahr, wenn der Kläger im Zusammenhang mit aus Sicht des Mandanten fehlgeschlagenen Finanzinvestitionen mandatiert wird und aus diesem Anlass um Rat bezüglich einer Neuanlage gebeten wird (zu diesem Argument bei Versicherungsmaklern: Senat, Beschluss vom 14. Juni 1993 - AnwZ (B) 15/93, juris Rn. 11). Auch insoweit ist objektiv - jedenfalls aus Sicht der Öffentlichkeit, deren Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft geschützt werden soll - zu besorgen, dass der Kläger werbend für seine Arbeitgeberin tätig wird, selbst wenn, wie noch zu zeigen ist, der Kläger nicht unmittelbar in die Beratung von klassischen Anlageprodukten (wohl aber in den Vertrieb als solchen) einbezogen ist.

(5) Da schon die den Tätigkeitsschwerpunkt bildende Beratung im Stiftungsbereich einen hinreichend deutlichen Interessenwiderstreit begründet, kommt es nicht darauf an, dass der Kläger für sich in Anspruch nimmt, er berate - anders als im zitierten Parallelfall (Senat, Beschluss vom 15. Mai 2006 - AnwZ (B) 41/05, aaO Rn. 8) - nicht ganzheitlich in Bezug auf die Vermögensnachfolge. Ebenso verhilft es seiner Klage nicht zum Erfolg, dass der Kläger glaubhaft unter Hinweis auf die fehlende Qualifikation nach § 87 WpHG in Abrede stellt, Kunden gegenüber eine klassische Anlageberatung im Sinne der Empfehlung etwa von Fonds vorzunehmen. Auch auf die Frage einer Einbindung des Klägers in Entscheidungen über die Anlage von Stiftungsvermögen durch die D. S. kommt es nicht an. Insofern merkt der Senat allerdings ergänzend an, dass die treuhänderische Verwaltung des Stiftungsvermögens durch die D. S. - wie deren Homepage belegt - unter Rückgriff auf das Portfolio an Anlageprodukten aus der Unternehmensgruppe der Arbeitgeberin, etwa in Form einer Anlage in Fonds der D. I. , erfolgt und damit eine Verschränkung des Verantwortungsbereichs des Klägers mit dem Vertrieb von Anlageprodukten der Arbeitgeberin durchaus gegeben ist.

(6) Der Interessengegensatz entfällt nicht dadurch, dass der Kläger kein unmittelbares Provisionsinteresse an seinem Beratungsergebnis hat. Dem Kläger ist insoweit zwar zuzugeben, dass ein Provisionsinteresse ein starker Indikator für einen nicht hinzunehmenden Interessenwiderstreit ist; umgekehrt lässt sein Fehlen einen hinreichend deutlichen Interessenwiderstreit nicht entfallen (so auch im Falle der Senatsentscheidung vom 15. Mai 2006, aaO Rn. 10; vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. Mai 2006 - AnwZ (B) 53/05, NJW 2006, 3717 Rn. 8). Schon die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Vollzeitangestellten von seinem Arbeitgeber lässt - zumindest in den Augen der Öffentlichkeit - besorgen, dass sich im Falle eines Interessenwiderstreits die Interessen des Arbeitgebers durchsetzen. Vorliegend tritt folgende Überlegung hinzu: Es ist bekannt, dass die Vergütung von Bankangestellten in der Regel variable Bestandteile enthält. Auch der Arbeitsvertrag des Klägers enthält die Möglichkeit einer individuellen leistungsabhängigen Zusatzvergütung. Eine solche leistungsabhängige individuelle Zusatzvergütung - oder auch nur die Möglichkeit einer Gewährung durch den Arbeitgeber - ist geeignet, aus objektiver Sicht Zweifel an der Unparteilichkeit der Beratungstätigkeit zu wecken.

(7) Unerheblich ist, dass der Kläger gegenwärtig seiner anwaltlichen Tätigkeit nur in eingeschränktem Umfang nachgeht. Einem zugelassenen Rechtsanwalt steht die Ausweitung der Tätigkeit, die der Kläger im Übrigen auch konkret beabsichtigt, jederzeit frei. Überdies ändert die eingeschränkte anwaltliche Tätigkeit nichts an dem aufgezeigten Interessenwiderstreit.

(8) Der Interessenwiderstreit im Zusammenhang mit der Beratung bezüglich Stiftungen durch den Kläger als Bankangestellten rechtfertigt daher einen Widerruf der Zulassung. Im konkreten Fall des Klägers kommt hinzu, dass er gegenüber der Beklagten bzw. der Rechtsanwaltskammer H. nicht nur die Aufnahme der Tätigkeit bei der Arbeitgeberin, die im Falle des Klägers die Haupttätigkeit darstellt, pflichtwidrig nicht angezeigt hat (§ 56 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BRAO ), sondern in Aufnahmeanträgen 2011, 2012 und 2015 dreimal bewusst wahrheitswidrig angegeben hat, er übe keine Nebentätigkeit aus. Wegen zweier dieser Fälle ist er mit einer anwaltsgerichtlichen Maßnahme belegt worden. Ausweislich der Feststellungen des Anwaltsgerichts hat er die Angaben unterlassen, weil er sich "Ärger ersparen" wollte. Er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er bereit ist, die eigenen Interessen über seine beruflichen Pflichten zu stellen. Vor diesem Hintergrund fehlt es an dem nötigen Vertrauen, dass der Kläger in der Drucksituation eines konkreten Interessenwiderstreits dem eigenen Interesse bzw. dem Interesse seiner Arbeitgeberin nicht erneut Vorrang einräumen würde.

c) Der Senat muss vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen nicht klären, ob sich die Gefahr eines sich deutlich abzeichnenden Interessenwiderstreits auch aus der Einbindung des Klägers in die Prüfung und Bewertung von Nachfolgekonzepten aufgrund der Vorschriften des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Basel III) ergibt. Es liegt jedenfalls auf der Hand, dass bei der Bewertung die Interessen einer kreditierenden Bank (mit dem Ziel einer möglichst umfassenden Absicherung des Kreditvolumens) im Rahmen der Nachfolgeplanung nicht identisch mit denen des Bankkunden sind. Jedenfalls soweit eine solche Begutachtung durch den Kläger - insbesondere in Fällen, in denen ein negatives Votum des Klägers Handlungsbedarf auslöst - einem Kunden zur Verfügung gestellt wird und die Grundlage für eine Kundenberatung bildet, erscheint die Annahme eines Interessenwiderstreits naheliegend.

d) Der Interessenwiderstreit kann vorliegend nicht durch Berufsausübungsregeln wirksam unterbunden werden. Auch soweit der Kläger vorträgt, er sei bereit, eine Selbstbeschränkung in Form einer expliziten Verpflichtungserklärung gegenüber der Kammer zu bestätigen, wonach er keine Bankkunden als Mandanten annehmen bzw. bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung durch einen Mandanten zu seiner Arbeitgeberin das Mandatsverhältnis beenden werde, kann dies dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen.

aa) Eine solche Selbstbeschränkung räumt weder den Interessenkonflikt aus, dass objektiv die Gefahr besteht, der Kläger werde sich bei der Beratung von Bankkunden von den Interessen der Arbeitgeberin leiten lassen, noch räumt sie die Gefahr aus, dass der Kläger im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit bei Nicht-Kunden der Arbeitgeberin gleichwohl werbend für diese tätig wird.

Es bestehen auch durchgreifende Zweifel an der Praktikabilität der Selbstverpflichtung. Bezieht man nämlich die Selbstbeschränkung nicht nur auf Mandanten, die in der Vergangenheit vom Kläger konkret als Bankberater betreut worden sind (so aber die Nebentätigkeitsbeschränkung der Arbeitgeberin vom 28. Juni 2018), sondern allgemein auf Kunden der Arbeitgeberin des Klägers, so müsste der Kläger (bzw. seine Partner, mit denen er sich zusammenschließen möchte) im Rahmen des Erstkontakts in jedem Einzelfall abfragen, ob eine Geschäftsverbindung mit der Arbeitgeberin des Klägers, einer bundesweit und sogar international tätigen Großbank, besteht. Das erscheint wenig realistisch. Auch wäre eine Überwachung der Einhaltung durch die Kammer nicht gewährleistet.

Der Fall des Klägers ist nicht mit dem von ihm in Bezug genommenen Urteil des OVG Münster vom 15. Mai 2017 - 4 A 2197/13, juris Rn. 46 ff. vergleichbar. Das dortige Verfahren betraf eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG eines Steuerberaters für eine Vorstandstätigkeit ohne Kundenkontakt in einer Bank mit regional beschränktem Kundenkreis. Die Tätigkeit als Steuerberater sollte ausschließlich in einer beschränkten Anzahl von Fällen im Familien- und Freundeskreis mit Wohnsitz außerhalb des Tätigkeitsgebiets der Bank, in dessen Vorstand der dortige Kläger berufen worden war, ausgeübt werden, die Überwachung durch die Kammer durch Übersendung anonymisierter Listen unter Angabe des Bekanntschaftsverhältnisses, des Wohnsitzes und diverser weiterer Angaben erfolgen. Diese Situation ist nicht im Ansatz mit der des Klägers vergleichbar.

bb) Im Ergebnis kommt es hierauf nicht einmal an. Eine Selbstverpflichtung als Mittel der Vermeidung eines Interessenkonflikts kann allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn das notwendige Vertrauensverhältnis für die Einhaltung der Verpflichtung und für die Richtigkeit entsprechender Erklärungen gegenüber der Kammer besteht. Daran fehlt es im Fall des Klägers, der gegenüber der Beklagten und einer weiteren Rechtsanwaltskammer drei Mal vorsätzlich falsche Angaben zu seiner Berufstätigkeit gemacht hat (zum Kriterium rechtstreuen Verhaltens: BVerfG, NJW 2013, 3357 Rn. 43 und OVG Münster, aaO Rn. 54, 57).

e) Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof eine besondere persönliche Härte durch den Widerruf der Zulassung verneint.

Ob eine besondere Härte vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände, die mit dem Widerruf in Zusammenhang stehen, nicht nur der wirtschaftlichen Folgen, zu entscheiden (Senat, Beschluss vom 11. Januar 2016 - AnwZ (Brfg) 35/15, aaO Rn. 27; Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO , 9. Aufl., § 14 BRAO Rn. 70; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO , 4. Aufl., § 14 BRAO Rn. 42; jeweils mwN).

Gegen eine besondere Härte spricht vorliegend bereits, dass der Kläger seine Nebentätigkeit, wie bereits oben dargelegt, pflichtwidrig nicht angezeigt, ja sogar bewusst wahrheitswidrig verschwiegen hat (Senat, aaO). Auch unter wirtschaftlichen Aspekten liegt keine besondere Härte vor. Der Kläger erzielte im Durchschnitt mit der anwaltlichen Tätigkeit Bruttoeinnahmen von 2.000 € pro Jahr. Im Jahr 2015 waren es 2.682,52 €. Dieser (nicht um Betriebsausgaben bereinigte) Betrag erreicht nicht einmal 5% der Einkünfte aus der angestellten Tätigkeit. Der Verlust eines Einkommens in dieser Größenordnung begründet keine besondere Härte. Die bloße Planung der Erweiterung der freiberuflichen Tätigkeit ist - erst recht vor dem Hintergrund der unterlassenen Anzeige - nicht schutzwürdig. Auch die Anschaffung einer kreditfinanzierten Immobilie durch den Kläger und seine Ehefrau - die über eigene Einkünfte in ähnlicher Größenordnung wie der Kläger verfügt - führt zu keiner anderen Bewertung. Die Alterssicherung des Klägers ist über die gesetzliche Rentenversicherung, in die der Kläger bereits heute Beiträge aus seiner Angestelltentätigkeit einzahlt, hinreichend abgesichert. Auch unter grundrechtlichen Aspekten steht dem Kläger kein Anspruch auf eine aus seiner Sicht optimale Altersversorgung zu; die Frage der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht berührt nicht einmal den Schutzbereich des Art. 12 GG (Senat, Urteil vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 78 f. mwN).

2. Der Fall weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ). Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 10).

Die rechtlichen Kriterien zur Vereinbarkeit der Zulassung als Rechtsanwalt mit einer akquisebezogenen Tätigkeit bei einer Bank sind, wie oben unter II.1.a) dargelegt, durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats vorgezeichnet. Die Frage einer Vereinbarkeit des Zulassungswiderrufs mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV stellt sich schon deshalb nicht, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass eine grenzüberschreitende Tätigkeit ausgeübt oder beabsichtigt ist (zu diesem Erfordernis: EuGH, Urteil vom 15. November 2016 - C-268/15, juris Rn. 47 - Fernand Ullens de Schooten; Kluth in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 57 Rn. 9 f.; Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl., Art. 56 AEUV Rn. 31 f.). Im Übrigen respektiert das Europarecht die jeweiligen Berufsordnungen der Mitgliedsstaaten (vgl. Erwägungsgrund 7 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedsstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde; vgl. auch Art. 4 Abs. 1 und 4 der Richtlinie des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (77/249/EWG)). Auch in tatsächlicher Hinsicht stellt die Erfassung des Sachverhalts, insbesondere die Erfassung der Tätigkeit des Klägers im Zweitberuf, keine von sonstigen durchschnittlichen Sachverhalten erheblich abweichenden Anforderungen.

3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) hat der Kläger nicht aufzuzeigen vermocht. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschlüsse vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 , 291 und vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 29/17, juris Rn. 11; vgl. auch BVerfG, NVwZ 2009, 515 , 518).

Wie bereits oben dargelegt, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit einer Tätigkeit einschließlich der relevanten verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben durch die Rechtsprechung geklärt. Die Frage, ob eine Selbstverpflichtung einen Widerruf der Rechtsanwaltszulassung im Einzelfall entbehrlich machen kann, kann allenfalls einzelfallbezogen beantwortet werden (BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2018 - 10 B 16/17, juris Rn. 4), und ist im Übrigen mit Blick auf das Fehlverhalten des Klägers gegenüber der Kammer vorliegend auch nicht klärungsbedürftig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Niedersachsen, vom 31.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen
Fundstellen
AnwBl 2019, 421
DStR 2019, 1838
DStRE 2020, 695
NJW-RR 2019, 1270
NZG 2020, 40