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BGH - Entscheidung vom 13.03.2019

1 StR 593/18

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4

BGH, Urteil vom 13.03.2019 - Aktenzeichen 1 StR 593/18

DRsp Nr. 2019/6619

Wertung einer Beteiligung an unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe; Revisionsrechtliche Überprüfung einer Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 163 Fällen

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11. April 2018 werden verworfen.

Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StPO § 349 Abs. 4 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 163 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz eines verbotenen Gegenstands, und wegen gewerbsmäßiger Hehlerei schuldig gesprochen. Den Angeklagten H. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten D. zu einer solchen von vier Jahren und vier Monaten verurteilt und jeweils Einziehungsentscheidungen getroffen.

Gegen diese Verurteilung wenden sich die Angeklagten jeweils mit der nicht ausgeführten Sachrüge, der Angeklagte D. darüber hinaus mit der nicht ausgeführten Verfahrensrüge.

Die Rechtsmittel der Angeklagten haben keinen Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Spätestens seit September 2016 bis zu ihrer Festnahme am 29. März 2017 führten die Angeklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken gewinnbringende Umsatzgeschäfte mit Betäubungsmitteln durch. Vor allem handelten sie mit Kokain, das sie in Mengen von einem halben Gramm bis zu zehn Gramm, jeweils zu 40 Euro je halbes Gramm, verkauften und an den von ihnen festgelegten Orten in Stuttgart-Ost übergaben. Nur ein einziger Abnehmer hatte 50 Euro je halbes Gramm zu bezahlen. Bisweilen ließen sich die Angeklagten auch mit Gegenständen bezahlen, die aus Straftaten gegen fremdes Eigentum oder Vermögen stammten. Insgesamt bedienten sie einen Abnehmerkreis von mindestens 45 Personen, den sie unter sich aufgeteilt hatten.

Die Betäubungsmittel verkauften sie in arbeitsteiligem Zusammenwirken nach einem gemeinsamen Tatplan, so dass die Umsatzgeschäfte von den Angeklagten immer in derselben Art und Weise vollzogen wurden.

Die einer Bestellung vorausgehende Kontaktaufnahme erfolgte ausschließlich durch die Abnehmer. In den konspirativen Verkaufsgesprächen verwendeten die Angeklagten und ihre Abnehmer immer dieselben Synonyme für Art und Menge des gewünschten Betäubungsmittels. Eine Plombe mit einem halben Gramm Kokain wurde als "Kleines", "Kollege" und "U-Bahn", eine Plombe mit einem Gramm Kokain als "Großes", "Ganzes", "Freund" oder "S-Bahn", Marihuana als "Frühling", "Salat" oder "zum Schlafen", bezeichnet. Die gewünschte Zahl der Plomben wurde durch das Hinzufügen einer Zahl zum Ausdruck gebracht. Die Angeklagten nutzten dieselben Übergabeorte und Depots. Als Depot für die von ihnen verkaufsfertig portioniert vorrätig gehaltenen Kokainplomben dienten ihnen eine Gaststätte und weitere von beiden genutzte Wohnungen. In zwei Wohnungen, darunter der eines Wohnungsnachbarn, lagerten sie Diebesgut, in einer Wohnung befand sich eine kleinere Menge verkaufsfertig vorgehaltenen Kokains nebst einem in räumlicher Nähe hierzu bereit gelegten Butterflymesser.

Die einzelnen Abnehmer erhielten die bestellten Betäubungsmittel in der Regel von dem Angeklagten, mit dem sie das Geschäft telefonisch abgeschlossen hatten. In einigen Fällen verwies ein Angeklagter den Anrufer an den jeweils anderen Angeklagten oder beauftragte den anderen mit der Durchführung der Übergabe. An Geschäften mit höheren Kokainmengen beteiligten sich immer beide Angeklagten. Teilweise bedienten beide Angeklagten ein und denselben Erwerber abwechselnd bei verschiedenen Geschäften oder zusammen bei ein und demselben Geschäft. Im Übrigen unterstützten sie sich gegenseitig bei Abschluss und Durchführung der Geschäfte, z.B. durch die Übernahme von Botendiensten oder Übergaben von Betäubungsmitteln. Beide entschieden gemeinsam, wann sie wegen bestehender Entdeckungsgefahr durch die Ermittlungsbehörden keine Geschäfte durchführten. Aus Sicht der Abnehmer arbeiteten die beiden Angeklagten zusammen und waren "eins".

Nicht feststellen konnte die Strafkammer von wem, in welchen Mengen, wann und wo die Angeklagten die verkauften Betäubungsmittel erworben hatten und inwieweit sie die erhaltenen Verkaufserlöse unter sich aufteilten.

2. Das Landgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die einzelnen Betäubungsmittelgeschäfte von den beiden Angeklagten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken durchgeführt worden sind. Diese Überzeugung hat es insbesondere auf die mittels Telekommunikationsüberwachung aufgezeichneten Verkaufsgespräche, die Angaben verschiedener Abnehmer und des Wohnungsinhabers der Nachbarwohnung des Angeklagten D. , die Ergebnisse der Observationsmaßnahmen, die auch die gemeinsame Nutzung der Wohnungen belegen, das bei den Wohnungsdurchsuchungen aufgefundene Diebesgut, das verkaufsfertig portionierte Kokain und das bereitgehaltene Verpackungsmaterial gestützt.

II.

Das Urteil hält rechtlicher Prüfung stand. Insbesondere erweist sich die Beweiswürdigung zur mittäterschaftlichen Begehungsweise und deren rechtliche Würdigung als rechtsfehlerfrei.

Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen, die sie im Rahmen der Beweiswürdigung mit Tatsachen unterlegt hat, sind die Angeklagten nach einem gemeinsamen Tatplan arbeitsteilig vorgegangen und nach der zutreffenden Wertung der Strafkammer Mittäter.

Ob die Beteiligung an unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe zu werten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - 1 StR 316/18, Rn. 4 und vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 224/13, StV 2014, 617 , 618 jeweils mwN).

Nach diesen Grundsätzen belegen die Feststellungen eine Mittäterschaft der Angeklagten im Rahmen aller festgestellten Betäubungsmittelgeschäfte. Dies gilt auch für die Geschäfte, bei denen die Strafkammer auf Grund der Telefonüberwachung, der Observation und sonstiger Beweismittel keine das konkrete Geschäft betreffende Mitwirkungshandlung beider Angeklagter an demselben Geschäft feststellen konnte, da sie gemeinsam eine Vorrats-, Verhandlungs-, Verkaufs- und Absatzlogistik aufgebaut hatten, die sie beide gleichermaßen nutzten und von der sie beide profitierten.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 11.04.2018