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BGH - Entscheidung vom 08.10.2019

2 StR 83/19

Normen:
StGB § 263

Fundstellen:
NStZ-RR 2020, 44

BGH, Beschluss vom 08.10.2019 - Aktenzeichen 2 StR 83/19

DRsp Nr. 2020/129

Vorliegen eines Schadens in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung in Fällen des Kontoeröffnungsbetrugs

Hat der Angeklagte aus den Taterlösen abgeurteilter Straftaten Gegenstände erworben, handelt es sich bei den mit diesem Geld angeschafften Sachen um Surrogate, deren Einziehung angeordnet werden kann; insoweit kommt anders als bei den Sachen, die aus dem Erlös weiterer Straftaten finanziert worden sind, eine erweiterte Einziehung gemäß § 73a StGB nicht in Betracht.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 28. August 2018

a)

in den Fällen 1 bis 3, 7, 8, 13, 14, 18, 29 bis 33, 42 bis 44, 59, 61 und 64 der Anklageschrift,

b)

im Gesamtstrafenausspruch,

c)

im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen über 58.500 € sowie über die erweiterte Einziehung von 119 im Einzelnen in einer Anlage zum Urteil aufgelisteter Gegenstände, insoweit mit den zugehörigen Feststellungen,

aufgehoben,

d)

im Schuldspruch im Übrigen in den nach Aufhebung verbleiben Fällen dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Betrugs in 30 Fällen und des versuchten Betrugs in 16 Fällen verurteilt ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 263 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 65 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

I.

Die Überprüfung des Schuldspruchs hat – nach Berichtigung des Urteilstenors wegen eines offensichtlichen Fassungsversehens – nur hinsichtlich der Taten Erfolg, in denen der Angeklagte oder ein Mittäter auf der Grundlage eines zuvor gefassten Tatentschlusses bei verschiedenen Banken unter Vorlage gefälschter Papiere Girokonten bei verschiedenen Geldinstituten eröffnete, um über diese Konten und die darauf eingehenden Beträge zu verfügen und sie zu Lastschriftbetrügereien zu nutzen (Fälle 1 bis 3, 7, 8, 13, 14, 18, 29 bis 33, 42 bis 44, 59, 61 und 64 der Anklageschrift). Im Übrigen erweist sich der Schuldspruch als rechtlich unbedenklich.

1. Die Urteilsformel ist wegen eines offensichtlichen Fassungsversehens zu berichtigen. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 65 Fällen verurteilt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich aber, dass 16 Fälle des Betrugs tatsächlich nicht vollendet sind, weil die Bankmitarbeiter in diesen Fällen die Fälschung der eingereichten Überweisungsträger erkannten und es aus diesem Grund nicht zu einer Gutschrift auf den Konten des Angeklagten kam, es insoweit also an dem Eintritt eines Schadens fehlt. Davon geht auch das Landgericht sowohl bei seiner rechtlichen Würdigung als auch bei seiner Strafzumessung aus. Soweit der Urteilstenor demgegenüber von einer Vollendung in allen abgeurteilten Fällen ausgeht, handelt es sich – insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits die Anklageschrift wie auch die Eröffnungsentscheidung insoweit von Versuchsfällen ausgeht – um ein offensichtliches, berichtigungsfähiges Fassungsversehen, worauf im Übrigen die Strafkammer in den Urteilsgründen selbst hinweist.

2. Die Verurteilung in den Fällen 1 bis 3, 7, 8, 13, 14, 18, 29 bis 33, 42 bis 44, 59, 61 und 64 der Anklageschrift hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es zwischen August 2016 und August 2017 in 19 Fällen unter Vorlage gefälschter Unterlagen zu Kontoeröffnungen des Angeklagten oder eines unbekannt gebliebenen Mittäters bei verschiedenen Geldinstituten auf insgesamt 13 verschiedene Alias-Namen. Hierdurch verschaffte er sich den Besitz an der Bankkarte und der PIN. Mit diesem Vorgehen verband der Angeklagte jeweils die Absicht, das Konto als Zielkonto für Überweisungsbetrügereien zu nutzen und den Geldinstituten durch Täuschung über seine Identität die Durchsetzung von Forderungen unmöglich zu machen.

Die Strafkammer ist in allen Fällen vom Vorliegen eines vollendeten Betrugs ausgegangen. Die Annahme eines Schadens in Form einer schadensgleichen Vermögensverfügung hat sie mit einem erhöhten Ausfallrisiko der Bank begründet, das darin liege, dass diese ihre vertraglichen Forderungen aufgrund der Identitätstäuschung nicht würde durchsetzen können. Dies gelte jedenfalls in Bezug auf die anfallenden Gebühren der Kontoführung. Im Übrigen könne ein Schaden schon dann vorliegen, wenn der Täter unter Vorlage eines gefälschten Ausweises und Täuschung über seine Zahlungsunwilligkeit bei einer Bank Konten eröffne und ihm antragsgemäß Kreditkarten oder EC-Karten ausgehändigt würden oder ihm Überziehungskredit eingeräumt sei.

b) Die Annahme eines Schadens begegnet in allen Fällen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Zwar kann in Fällen des Kontoeröffnungsbetrugs ein Schaden in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung schon dann vorliegen, wenn der Täter unter Vorlage eines gefälschten Ausweises und Täuschung über seine Zahlungswilligkeit bei einer Bank Konten eröffnet und ihm antragsgemäß Kreditkarten oder EC-Karten ausgehändigt werden bzw. wenn ihm ein Überziehungskredit eingeräumt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – 2 StR 447/10, NStZ 2011, 160 ). Bei der Überlassung von EC-Karten muss es sich für die Annahme eines Gefährdungsschadens allerdings um eine Karte handeln, für die die kartenausgebende Bank eine Garantie für die Zahlung übernommen hat. Ist dies nicht der Fall, tritt ein etwaiger Schaden durch die Kartennutzung nicht bei der Bank, sondern beim jeweiligen Geschäftspartner ein (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2008 – 4 StR 485/08, NStZ 2009, 329 ).

Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung nicht vor. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass dem Angeklagten ein Überziehungskredit eingeräumt worden ist. Kreditkarten sind ihm nicht überlassen worden. Dafür, dass die Geldinstitute dem Angeklagten eine EC-Karte mit Einlösungsgarantie zur Nutzung gegeben hätten, finden sich im Urteil keine Hinweise. Vielmehr weist die Strafkammer im Zusammenhang mit den zur Verurteilung gelangten Fällen, in denen der Angeklagte Waren unter Einsatz der EC-Karte im Lastschriftverfahren erlangt hat, sogar ausdrücklich darauf hin, dass insoweit „mangels Garantiezusage im POZ-System“ kein Schaden bei der Bank, sondern bei den Händlern eingetreten sei.

bb) Auch die Annahme eines Betrugs mit Blick auf ein erhöhtes Ausfallrisiko wegen anfallender Gebühren der Kontoführung kommt nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht in Betracht. Ob und in welcher Höhe die verschiedenen Banken, bei denen Konten eröffnet worden sind, Gebühren zum Tatzeitpunkt verlangt haben, ist nicht festgestellt. Es versteht sich auch nicht von selbst. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird deshalb entsprechende Feststellungen nachzuholen und dabei – sollten einige Geldinstitute Gebühren berechnet haben – sorgfältig zu prüfen haben, ob der Angeklagte, der über den Einsatz von EC-Karten Betrugstaten zum Nachteil der Händler begehen und im Übrigen über den Eingang von Geldern aus gefälschten Überweisungsträgern Zufluss auf den Konten plante, einen auf die Schädigung der Kreditinstitute gerichteten Vorsatz hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 StR 590/12).

II.

Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 1 bis 3, 7, 8, 13, 14, 18, 29 bis 33, 42 bis 44, 59, 61 und 64 der Anklageschrift entzieht den jeweiligen Einzelstrafen die Grundlage und bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen begegnet der Strafausspruch keinen rechtlichen Bedenken.

III.

Die Entscheidungen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 58.500 € sowie über die erweiterte Einziehung von 119 im Einzelnen in einer Anlage zum Urteil aufgelisteter Gegenstände halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand; die weiteren Einziehungsentscheidungen weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

1. Das Landgericht hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 58.500 € angeordnet. Hinsichtlich der darüber hinaus getroffenen Entscheidung über die erweiterte Einziehung in einer Liste aufgeführter Gegenstände ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass alle Gegenstände aus Straftaten resultierten. Es handele sich insoweit um Surrogate des aus Straftaten erlangten Taterlöses. Sie seien mit dem aus fortgesetzten Betrugsdelikten erlangten Taterlös bezahlt worden, wenngleich nicht mit der nötigen Sicherheit habe festgestellt werden können, ob es sich ausschließlich um Sachwerte handele, die mit dem aufgrund der verfahrensgegenständlichen Betrugsdelikte erlangten Geld erworben worden seien oder ob die aufgewendeten Mittel aus anderen, bislang ungeklärten Straftaten stammten.

2. a) Diese Kumulation der Einziehungsentscheidungen begegnet rechtlichen Bedenken. Soweit der Angeklagte aus den Taterlösen der hier abgeurteilten Straftaten Gegenstände erworben hat, handelt es sich bei den mit diesem Geld angeschafften Sachen um Surrogate, deren Einziehung nach § 73 Abs. 3 Nr. 1 StGB angeordnet werden kann (vgl. zum alten Recht Senat, Beschluss vom 18. November 2015 – 2 StR 399/15, NStZ-RR 2016, 83 ); insoweit kommt – anders als bei den Sachen, die aus dem Erlös weiterer Straftaten finanziert worden sind – eine erweiterte Einziehung gemäß § 73a StGB nicht in Betracht. Daneben scheidet eine vollständige Einziehung des aus den abgeurteilten Taten erlangten Taterlöses von 58.500 € aus. Denn mit diesem sind ja zumindest teilweise Gegenstände erworben worden, die bereits selbst der Einziehung unterliegen. In Höhe des hierfür aufgewendeten Betrags wäre also bei gleichzeitiger Einziehung der erworbenen Gegenstände ein Abzug von den 58.500 € vorzunehmen gewesen.

b) Da das Landgericht sich selbst keine Überzeugung verschafft hat, in welchem Umfang der Angeklagte Sachen mit Erlösen aus den abgeurteilten Taten erlangt hat, und es auch keine Feststellungen dazu getroffen hat, welche Beträge der Angeklagte hierfür aufwenden musste, bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

Vorinstanz: LG Aachen, vom 28.08.2018
Fundstellen
NStZ-RR 2020, 44